Samstag in Koblenz Bad Honnefer Verein ruft zu Demo gegen Bahnlärm auf

Bad Honnef · Mit der Teilnahme an der Demonstration in Koblenz will der Bad Honnefer Verein „BIN gegen Bahnlärm“ seiner Forderung nach einem leisen Güterverkehr Nachdruck verleihen. Aus Sicht des Vereinsvorsitzenden Gerd Kirchhoff wäre das mit einfachen technischen Veränderungen machbar.

Problem laute Güterzüge: Am Samstag möchte der Verein „BIN gegen Bahnlärm“ aus Bad Honnef in Koblenz gegen den Krach von der Schiene demonstrieren.

Problem laute Güterzüge: Am Samstag möchte der Verein „BIN gegen Bahnlärm“ aus Bad Honnef in Koblenz gegen den Krach von der Schiene demonstrieren.

Foto: Frank Homann

„Wir sind nicht gegen den Güterverkehr auf der Schiene, aber wir wollen ihn leiser. Und wir möchten, dass dafür die technischen Möglichkeiten genutzt werden, die es gibt“, sagt Gerd Kirchhoff, Erster Vorsitzender des Bad Honnefer Vereins „Bürgerinitiative Netzwerk gegen Bahnlärm“, dem rund 70 Unterstützer angehören und der vor allem das Mittlere Rheintal nördlich von Koblenz bis Bonn in den Fokus nimmt. Mit Möglichkeiten meint Kirchhoff unter anderem einen kompletten Verzicht auf Graugussbremsen aus Eisen-Graphit, die beim Bremsen das Rad aufrauen, was wiederum auch Unebenheiten in der Schiene verursacht und dementsprechend mehr Lärm verursacht. Stattdessen sollten alle Züge mit Flüsterbremsen ausgerüstet werden.

Flüsterbremsen, auch Verbundstoffbremsen, bestehen aus Materialien wie Metallfasern, Kautschuk und Harz. Sie rauen die Oberfläche der Räder und damit auch die Schienen nicht auf. „Je glatter die Oberflächen sind, desto leiser sind die Rollgeräusche“, heißt es dazu auf der Internetseite der Allianz pro Schiene. Es gibt zwei Arten Flüsterbremsen: Komposit-Sohlen (K-Sohlen) und Low-Low-Sohlen (LL-Sohlen). K-Sohlen können bei neuen Waggons unkompliziert eingebaut werden, die Umrüstung von Güterwagen mit Grauguss-Bremssohlen ist aber sehr aufwendig, weil die gesamte Bremsanlage umgebaut werden muss. Kosten: 5.000 bis 7.000 Euro pro Waggon.

„Die Umrüstung auf eine LL-Sohle kostet nur rund 1700 Euro pro Güterwagen“, sagt Gerd Kirchhoff. Die LL-Sohle (Low Noise, Low Friction – wenig Lärm, wenig Abrieb) ist laut der Allianz pro Schiene eine Weiterentwicklung der K-Sohle, die aber in ihrer Wirkung mit der Grauguss-Sohle vergleichbar ist und deshalb „bei Standardgüterwagen ohne weiteren Umbau 1:1 gegen die neuen Verbundstoffbremssohlen ausgetauscht werden“ kann. „Bereits seit Ende 2020 ist die gesamte Wagenflotte von DB Cargo mit leisen Verbundstoffsohlen (‚Flüsterbremsen’) unterwegs“, heißt es aus der DB-Pressestelle. Diese würden den wahrgenommenen Lärm halbieren.

Um den Umstieg auf leiseren Güterverkehr voranzutreiben, hatte der Bund zwischen 2013 und 2020 den Betrieb lauter Güterwaggons finanziell benachteiligt und mit diesem Geld den Einsatz leiserer Güterwaggons finanziell unterstützt. Parallel dazu wurden ein mit mehr als 150 Millionen Euro dotiertes Förderprogramm des Bundes für die Umrüstung lauter Güterwagen auf die leisere Bremstechnik aufgesetzt.

In Deutschland sind laut Kirchhoff neben den 60.000 Güterwaggons der DB Cargo, 120.000 weitere von privaten und ausländischen Unternehmen unterwegs. „Wir wollen nicht akzeptieren, dass Waggons nicht umgerüstet sind.“ Zumal dort, wo kein oder weniger Lärm entstehe, auch nicht in zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen investiert werden muss. Demnach seien die Kosten für die Errichtung von Lärmschutzwänden auf lange Sicht wesentlich höher, als das Problem direkt an der Wurzel zu packen.

Seit Dezember 2020 verbietet das deutsche Schienenlärmschutzgesetz zwar eigentlich den Einsatz „lauter“ Güterzüge, doch die Kontrolle und Sanktionierung von Verstößen ist laut Kirchhoff nicht ausreichend. Anders als etwa in der Schweiz, wo „laute“ Güterwagen strikt verboten sind. In Deutschland können diese aber weiterhin fahren, wenn sie so langsam fahren, dass sie nicht mehr Krach als die umgerüsteten Züge erzeugen. Allerdings wird damit auch der komplette nachfolgende Zugverkehr ausgebremst.

Ein weiteres Ärgernis mit Blick auf Bahnlärm sind für Kirchhoff zudem sogenannte Flachstellen, die entstehen, wenn die Bremsen von Zügen blockieren und die Räder dadurch einen Moment über die Schiene schleifen, ohne sich zu drehen. Jedes mal, wenn die Stelle, an der sich dadurch Material abgeschliffen hat, auf die Schiene trifft, sorge das für zusätzlichen Lärm. Auch, weil es dadurch zu Unebenheiten in der Schienen-Oberfläche kommt. Deswegen fordert der Verein „BIN gegen Bahnlärm“, dass die Deutsche Bahn solche Flachstellen sofort beseitigt, statt dies erst im Rahmen turnusmäßiger technischer Überprüfungen vorzunehmen. So gebe es Messtechnik und Messstationen, die es beim Vorbeifahren ermögliche zu erkennen, an welcher Achse ein Problem vorliegt. Doch diese Option wird nach Kenntnis von Gerd Kirchhoff nicht genutzt.

Mit der Messung auf freier Strecke beschäftige sich DB Netz seit mehreren Jahren, heißt es von der DB-Pressestelle. „Diese Flachstellenortungsanlagen messen die Radkräfte vorbeifahrender Wagen während der Radumläufe. Räder ohne Flachstellen oder andere Fehler belasten die Schiene während der Überfahrt gleichmäßig. Existiert aber eine Flachstelle auf dem Rad, treten stark unterschiedliche Kräfte auf. Eine Messung zum Beispiel durch Schallanalyse neben den Gleisen ist nicht geeignet, Flachstellen sicher zu erkennen. Mit Schall lässt sich Lärm messen - aber keine Flachstellen“, heißt es von der DB weiter. Kirchhoff widerspricht dem, verweist auf die Erfahrungen der darauf spezialisierten Bonner Firma Railwatch. Laut DB-Pressestelle wird jeder Zug der DB Cargo vor Abfahrt durch einen Wagenmeister überprüft. Auffällige Wagen würden der Instandhaltung zugeführt und der Radsatz getauscht: „Wir tauschen ca. 40.000 Radsätze pro Jahr, auch um Flachstellen zu beheben“.

Solange viele Maßnahmen, darunter auch Alternativstrecken oder neue Strecken für Güterzüge, „nicht umgesetzt sind, fordern wir Geschwindigkeitsbeschränkungen und Nachtfahrverbote für laute Güterzüge in Wohngebieten“, heißt es auf Bingegenbahnlaerm.de. In diese Richtung gehen auch Forderungen der Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn. Da ein gefordertes Tempolimit aber auf sich warten lässt, werden kurzfristige technische Lösungen gegen Lärm wie „Rail Pads“, Schienenpolster aus Kunststoff, die zwischen den Gleisen liegen und Erschütterungen dämpfen, gefordert. Testmessungen in der Schweiz hätten demnach gezeigt, dass das wirkungsvoll sei. „Da müssen wir als Bürgerinitiative auf die Bahn einwirken, damit nicht weiterhin alte Lärmschutztechnik im Rheintal verbaut wird“, sagte Vereinsvorsitzender Willi Pusch dazu in einem früheren Gespräch mit dem GA.

Um all den Forderungen mit Blick auf den Bahnlärm Nachdruck zu verleihen, wird am Samstag, 22. April, in der Zeit von 13 bis 15 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz in Koblenz unter dem Titel „Mach mal leiser, laute Bahn“ demonstriert. Anlass ist der internationale Tag gegen Lärm am 26. April.

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