Interview mit Heidi Cremer Bad Honneferin lebte jahrelang in Schanghai

Bad Honnef · Sie hat viel gesehen und mindestens ebenso viel zu berichten: Von Ende 1983 bis Juli 2011 hat Heidi Cremer in Macau bei Hongkong, in Neuseeland und in Schanghai, China gelebt. Nun ist die gebürtige Deutsche wieder zurück in Bad Honnef, der Heimatstadt ihres Mannes.

 Heidi Cremer in ihrem Arbeitszimmer.

Heidi Cremer in ihrem Arbeitszimmer.

Foto: Neal Graham

Sie beschloss, ihre Erlebnisse in Buchform zu verpacken. Im Gespräch mit Neal Graham erzählte sie von ihrem Aufenthalt im bevölkerungsreichsten Land der Welt.

Warum haben Sie sich damals entschieden, für so lange Zeit ins Ausland zu gehen?
Heidi Cremer: Wir fanden unsere Aufenthalte einfach wahnsinnig spannend und konnten gar nicht genug davon bekommen. Deshalb bewarb sich mein Mann 1982 über den Deutschen Akademischen Austauschdienst an der Tongji-Universität in Shanghai, die schon damals enge Beziehungen zu Deutschland pflegte. Er blieb dort acht Monate, kam zurück und bewarb sich ein Jahr später erfolgreich als Professor bei der University of East Asia in Macau. Dort wollten wir dann nicht mehr weg und sind zehn Jahre geblieben. Es war nie langweilig und immer eine herausfordernde Aufgabe. Der nächste lange Aufenthalt hat uns anschließend nach Neuseeland geführt, von dort aus haben wir oft Schanghai besucht. Wiederum zehn Jahre später, im Jahr 1992, entschlossen wir uns, wieder länger in China zu arbeiten und lebten dann neun Jahre lang in Schanghai.

War es schwer, sich auf das Leben in China einzustellen?
Cremer: Ehrlich gesagt nicht. Während meiner Aufenthalte in Macau lebte ich ja bereits unter Chinesen und konnte Kantonesisch sprechen; es war also nicht alles fremd. In Schanghai habe ich sofort Mandarin gelernt, weil ich die Sprachbarriere immer als ein großes Problem empfand. Aber ich kann mir vorstellen, dass die meisten Ausländer genau daran verzweifeln - an der Sprache. Daran, dass sie die Straßenschilder nicht lesen können, sich im Taxi nicht verständigen können und keine Unterhaltung mit Chinesen führen können. Das sorgt oft für Abstand zu den Einheimischen.

Und die Chinesen selbst? Sind sie anders als die Deutschen?
Cremer: Sie sind uns ähnlicher, als man vielleicht auf Anhieb denkt. Sie legen beispielsweise genauso wie Deutsche hohen Wert auf Pünktlichkeit. Und hart zu arbeiten ist in China hoch angesehen. Nein, ich habe viele Freundschaften mit Chinesen geschlossen und fand mich gut zurecht. Allerdings fiel mir die Rückkehr nach Deutschland schwer - nach 28 Jahren war es quasi eine Reintegration in die eigene Heimat.

Wieso das?
Cremer: Nun ja, in China ist die Freundlichkeit der Menschen auffallend. In Deutschland ist das nicht zwangsläufig umgekehrt, aber doch etwas anders. Wenn ich in Schanghai jemanden angelacht habe, wurde immer zurückgelacht - in Deutschland hat man mich allerdings oft gefragt, warum ich denn so gute Laune hätte. Deutsche sind nicht unfreundlicher, auf keinen Fall, aber sie sind direkter. Sie haben manchmal sogar eine sehr scharfe Art, miteinander umzugehen; sie haben kein Problem damit, ihrem Frust Luft zu machen. Ein Chinese würde niemals jemand anderen vor versammelter Mannschaft kritisieren; das wird dort als "Gesichtsverlust" angesehen. Respekt zu zeigen, ist sehr wichtig. Ein Deutscher hat da weniger Probleme. Das ist nichts Schlechtes, das ist einfach eine ganz andere Kultur.

Sie waren knapp 28 Jahre im Ausland unterwegs, 18 davon haben Sie in China zugebracht. Was waren Ihre drei prägendsten Erlebnisse in Schanghai?
Cremer: Ohne Zweifel das Gefühl, endlich mit den Leuten ein echtes Gespräch führen oder im Restaurant Unterhaltungen an anderen Tischen verstehen zu können. Als aus dem formlosen Wirrwarr an Lauten konkrete Worte wurden. Und dass ich so herzliche Freundschaften mit Chinesen geschlossen habe. Dann auf jeden Fall die vielen wunderbaren Reisen, die ich dort unternommen habe. Ich habe so viele fantastische Landschaften gesehen, dass ich einen ganzen Schrank mit Fotobüchern füllen könnte. Ein Highlight war zum Beispiel die Stadt Harbin im Norden Chinas, wo als Touristenattraktion im Januar eine kleine Stadt komplett aus Eis gemeißelt wird. Auch eine Reise entlang der "Alten Seidenstraße" Chinas war ein außergewöhnliches Erlebnis. Besonders faszinierend für mich war es auch, traditionelle chinesische Malerei und Kalligrafie zu lernen. Es ist unglaublich elegant, mit Bambuspinseln zu malen und zu schreiben.

Was hat Sie dazu veranlasst, ein Buch über Ihre Zeit im Ausland zu schreiben?
Cremer: Es war quasi ein Abschluss nach so vielen langen Jahren fernab von Deutschland. Ich dachte mir, dass ich nicht 20 Jahre in einer so fremden Kultur leben kann, ohne etwas von meinen Kenntnissen zu hinterlassen. Ich habe viele, viele Eindrücke gewonnen, die ich weitergeben möchte. An Leute, die nach China reisen möchten, das Land lieben - und an solche, die es erst noch für sich entdecken müssen.

Heidi Cremers Buch "China mit Herz - Persönliche Begegnungen" (231 Seiten) ist im Wagner Verlag erschienen. Es ist gedruckt und online als E-Book erhältlich.

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