Der Fall Anna Billigte Jugendamt das Untertauchen?

Bad Honnef/Bonn · Eine Zeugin erklärt, die für Anna zuständige Mitarbeiterin habe das eine abgesprochene Maßnahme genannt.

 In dem Mehrfamilienhaus an der Austraße starb im Juli 2010 die kleine Anna.

In dem Mehrfamilienhaus an der Austraße starb im Juli 2010 die kleine Anna.

Foto: Holger Handt

Für Fassungslosigkeit sorgte am Montag die Aussage einer Zeugin vor dem Bonner Schwurgericht, vor dem sich die Pflegeeltern für den gewaltsamen Tod der am 22. Juli 2010 in der Badewanne ertrunkenen neunjährigen Anna verantworten müssen.

Ihnen werden zahlreiche Misshandlungen und Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Glaubt man nun der 29-jährigen Bekannten des Paares, so hat die für Anna zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes Königswinter nicht nur gewusst, dass die Pflegemutter das Kind zu Disziplinierungszwecken im Badewasser untertauchte, sondern hat dies auch als Erziehungsmaßnahme gebilligt.

Mit Spannung wird an diesem siebten Verhandlungstag die Aussage der 29-Jährigen erwartet, denn sie war diejenige, die bei der Polizei aussagte, sowohl ihre Tochter als auch sie selbst hätten einmal gesehen, dass Anna von der 52-jährigen Angeklagten unter Wasser getaucht worden sei, weil sie mal wieder nicht so gegessen habe, wie das von ihr erwartet worden sei.

Meinung Lesen Sie dazu auch den Kommentar " Vertuscht und verhindert"Das wiederholt sie nun im Zeugenstand und schildert, wie sie eingeschritten sei und die Angeklagte deshalb zur Rede gestellt habe. Und kaum habe glauben können, als die 52-Jährige ihr erklärt habe, das sei mit dem Jugendamt so abgesprochen.

Deshalb habe sie die nächste Gelegenheit, als die Jugendamtsmitarbeiterin bei den Pflegeeltern einen Hausbesuch gemacht habe, genutzt, sei vorbei gekommen und habe die Frau darauf angesprochen. Und tatsächlich habe die Jugendamtsmitarbeiterin bestätigt: Ja, das sei eine abgesprochene Erziehungsmaßnahme gewesen.

Vielen im Gerichtssaal ist anzusehen, dass sie glauben, sich verhört zu haben. Aber auch auf mehrmaliges und intensives Nachfragen bleibt die Zeugin dabei. Warum gegen sie wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt wird, erschließt sich dem Prozessbeobachter nicht.

Ob ihre Aussage der Wahrheit entspricht und von der Mitarbeiterin vor Gericht bestätigt wird, bleibt abzuwarten. Die Mitarbeiterin des Jugendamtes, gegen die ebenfalls ermittelt wird, soll am 21. Februar als Zeugin gehört werden. Sie hat, wie am Wochenende bekannt wurde, nach Annas Tod deren Akten verändert und teilweise vernichtet.

Stundenlang dauert die Vernehmung der 29-jährigen Zeugin, die schildert, wie sie anfangs angetan gewesen sei von der Pflegemutter und von ihr viel gelernt habe für den Umgang mit ihrer eigenen Tochter, die so alt wie Anna und mit ihr befreundet war. Sie schildert Anna als ein schwieriges, aber liebes Kind, das bei ihr nie Probleme mit dem Essen gehabt habe.

Vor der Angeklagten habe sie schließlich Angst bekommen. Denn die habe ihr damals gedroht: Wenn sie mit jemandem darüber spreche, was sie gesehen habe, werde sie dafür sorgen, dass ihr das Kind weggenommen werde.

Tatsächlich seien später beim Jugendamt Bad Honnef anonym Anzeigen gegen sie eingegangen. Und auch am Abend von Annas Tod habe die 52-Jährige sie angerufen und gesagt: Sie sei bei der Polizei und rate ihr, bloß die Wahrheit über Annas Sprung vom Balkon am Tag zuvor zu sagen.

Sie und ihre Tochter, sagt sie, litten sehr unter Annas Tod und seien beide in Therapie, um zu verarbeiten, was passiert sei. Ihre Tochter habe damals auf Anraten der Therapeutin einen Abschiedsbrief geschrieben und ihn in den Himmel aufsteigen lassen. Mit ihr wolle das Kind nicht mehr über den Tod der Freundin reden.

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