Historisches Theater zum Beethoven-Jubiläum Die Rheingräfin kehrt zurück

Bad Honnef · Die Stadt Bad Honnef hatte das Theaterstück speziell zum Beethovenjahr in Auftrag gegeben. Jetzt sorgte es vor der besonderen Original-Kulisse der Villa Schaaffhausen im Ortsteil Rommersdorf für Furore: „Die Rheingräfin“ war eine Hommage an Sybille Mertens-Schaaffhausen.

 Vor der Kulisse der Villa Schaaffhausen erleben die Zuschauer das Stück „Die Rheingräfin“.

Vor der Kulisse der Villa Schaaffhausen erleben die Zuschauer das Stück „Die Rheingräfin“.

Foto: Stadt Bad Honnef/Sonja Schwalbe

Volles Haus für das Stück „Die Rheingräfin“. Und ein begeistertes Publikum, das sich im Hof der Villa Schaaffhausen zurückversetzt fühlte in eine Zeit, in der auf diesem Anwesen die Größen der Geisteswissenschaft, des Hochadels, der Kirche und des Militärs zu Gast waren und auch der spätere Kaiser Wilhelm II. verweilte.

Zwar gerieten die Aufführungen wegen der corona-bedingten Verschiebungen in die Renovierungsphase des historischen Gebäudes, so dass die Zuschauer auf die eingerüstete Mauer schauten, aber das störte kein bisschen. Und außerdem: Hermann Schaaffhausen (1816-1893), einer der Protagonisten des Stücks, kannte das ja, er machte das vom Vater geerbte Gebäude ebenfalls zum Bauplatz – Hermann ließ den Turm errichten.

Freundschaft mit Adele Schopenhauer

Sabine Fringes, der Autorin des Stücks, war eine feine Komposition gelungen, die sie als Regisseurin auch noch geschickt umsetzte. Im Mittelpunkt Hermanns Großcousine Sibylle Mertens-Schaaffhausen, als „die Rheingräfin“ von Bewunderern gerühmt, und ihre gute Freundin und Begleiterin Adele Schopenhauer (1797-1849), Schriftstellerin und Schwester des Philosophen Arthur Schopenhauer. Ein gutes Händchen hatte Fringes auch mit der Besetzung der Rollen. 

Sabine Falter als Sibylle Mertens-Schaaffhausen brillierte als Rheingräfin, sie hatte auch den Part am Klavier übernommen, war Sibylle doch als konzertreife Pianistin bekannt, die auch zu singen verstand. Als Frederike Bohr als erste die Bühne betrat – sehr praktisch durch ein Fenster der Villa – zum einleitenden Gedicht, konnte der Eindruck entstehen, die unter dem Einfluss des Künstler- und Gelehrtenzirkels ihrer Mutter in Weimar großgewordene Adele Schopenhauer persönlich sei einem erschienen. Alleine die Frisur!

Dietmar Tessmann gilt ausgesprochenes Lob für Bühnenbild und Kostüme. Und das Gedicht „Das alte Schloss“ von Annette von Droste-Hülshoff passte vorzüglich als Einstieg – nicht nur im Bezug auf die Theaterkulisse, sondern weil die Dichterin auch eine große Rolle im Leben der „Billa“ spielte.  

Hermann Schaaffhausen begrüßt die Besucher 

Tom Jacobs überzeugte als Hermann Schaaffhausen. Er begrüßte das Publikum nach dem von Adele vorgetragenen Schlossgedicht: „Herzlich willkommen im Innenhof der Villa Schaaffhausen – vor 128 Jahren blies ich hier meinen letzten Atemzug aus. Gestatten? Hermann Schaaffhausen. Mitbegründer der modernen Anthropologie und des rheinischen Landesmuseums, in dem Sie heute noch das von mir identifizierte Skelett des Neandertalers sehen können. Posthum eigens für Sie auf die Bühne gebracht.“ 

Sabine Fringes schickte das Publikum auf eine Zeitreise durch das Leben ihrer Protagonisten, griff dabei auf schriftliche Quellen wie überlieferte Briefe zurück, auch auf die von Annette von Droste-Hülshoff, einer Konkurrentin Adeles in der Gunst Sibyllens. Sie lässt Sibylle aus ihrer Kindheit erzählen, wo beim Freund des Vaters, Kunstsammler Ferdinand Franz Wallraf, der Grundstein zur Liebe von Numismatik und Archäologie gelegt wurde. Die erzählt dem Publikum: „Einmal kam Wallraf mit einer Münze und einem Haarkünstler bei uns vorbei. Auf der Münze war Neros Mutter, die Kaiserin Agrippina, abgebildet. Nach ihrem Vorbild ließ er mir die Haare machen. Und schenkte mir anschließend die Münze.“

Beethovens Musik erschallt in Rommersdorf 

Natürlich war Musik Beethovens zu hören und die von Ries, seinem Schüler, war doch das Theaterstück von der Stadt Bad Honnef auf Anregung von Kulturring-Vorsitzendem Torsten Schreiber für das Beethovenjahr im Auftrag gegeben worden. Köstlich, als die drei Schauspieler das mündlich überlieferte Lied „Unse Broder Melcher“ sangen – Sibylle mochte die kölsche Sproch ebenso wie die altkölnischen Lieder, die in ihren Salons neben klassischer Musik durchaus zu hören waren. Und lustig, als Hermann, Adele und Sibylle ihre Kamm-Musik machen - Spiele waren in diesem Kreise auch beliebt.

Adele erinnerte sich: „Als wir uns kennenlernten, waren wir beide Anfang 30. Sie unglücklich verheiratet. Ich: unglücklich ledig.“ Und: „Alle bewunderten dich. Manchen vernebelte deine Erscheinung gar die Sinne. An einem Abend ließest du ein Tablett mit simplen Butterbroten herumreichen und eine Dame meinte überwältigt: ,Auf diese Idee wäre ich nie gekommen.‘“

Sehnsuchtsort Italien 

Italien, der Sehnsuchtsort, an dem Sibylle Erholung, aber auch eine weitere Liebe fand, schlug sich nieder im Lied „Mignon: Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen“. Und Sibylle sang das von ihr vertonte Gedicht aus Goethes west-östlichem Divan „Ich gedachte in der Nacht“. Anrührend auch das Gedicht „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“.

Überhaupt Italien: Das Land, in dem Sibylle ihre bedeutenden archäologischen Funde machte. Treffsicher identifizierte sie ein Amazonenfries im Landhaus des Marchese Di Negro, welches eines der sieben Weltwunder zierte. Erst 14 Jahre später glaubte ihr die Fachwelt. Adele zu Billa: „Hätte man dir hierzulande früher Gehör geschenkt, dann stünde das Fries nun nicht im British Museum, sondern in Berlin.“

Cholera wütet in Italien 

Und auch die Beschreibung einer Kahnfahrt in Porto d’Anzio hielt die Zuschauer in Spannung. Dabei entdeckte Sibylle ein Marmorbruchstück mit einer Namenliste aller römischen Konsuln im Zeitraum von 9 bis 19 nach Christus. Eine Sensation. In Italien erlebte Sibylle aber auch den Ausbruch der Cholera. Sie schrieb:  „Alles ist in Furcht. Das Volk glaubt nicht an die Krankheit, ich fürchte dieses Volk mehr als alle Krankheiten der Welt.“ Eindringlich zur Italienzeit die Musik von Giovanni Paisiello: „Nelcorpiu non mi sento.” 

Einblicke in das damalige Leben erhielten die Zuschauer aber auch, als Sabine Fringes Professor Schaaffhausen aus seinen Vorlesungen an der Bonner Universität Teile vortragen ließ. Die Zuschauer staunten, wie sich die Probleme von damals eigenen Erfahrungen ähneln. Etwa: „Das Leben der Menschen ist ein Treiben und Jagen nach Besitz und Stellung, an jede menschliche Tätigkeit werden die höchsten Ansprüche gestellt; der erste Unterricht übersättigt unsere frühreife Jugend schon, kaum sieht man noch in freien Stunden ein Kinderspiel.“

Gelungene Theaterkulisse

Nach der Aufführung sagten fast ergriffene Besucher, welch Fülle an Informationen sie bei dieser köstlich zelebrierten Zeitreise gewonnen hätten. Auch Vizebürgermeisterin Gabriele Clooth-Hoffmeister, die das Publikum begrüßt hatte, war begeistert. Ein Wunsch wurde laut zwischen den Gemäuern im Innenhof: Hier sollten auch künftig Theaterabende stattfinden.   

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