Zeitzeuge in Bad Honnef "Das Gefühl war: Jetzt oder nie"

BAD HONNEF · Alt-Bürgermeister Peter Schowtka erzählt vom Mauerfall. Rotes Bündnis lehnt er ab.

 Peter Schowtka berichtet den Gymnasiasten vom Mauerfall 1989.

Peter Schowtka berichtet den Gymnasiasten vom Mauerfall 1989.

Foto: Frank Homann

Das Bürgermeisterlein hat den Mauerfall vor 25 Jahren miterlebt. Nur war Peter Schowtka, dessen sorbischer Familienname übersetzt so viel wie Bürgermeisterlein bedeutet, da noch nicht erster Bürger von Bad Honnefs sächsischer Partnerstadt Wittichenau, sondern einfacher Bürger, Dolmetscher und nicht zuletzt Revolutionär. Kann so ein Zeitzeuge die rund 150 anwesenden Oberstufenschüler des Siebengebirgsgymnasiums Bad Honnef erreichen mit seinen Erzählungen von damals? "Das war schließlich vor unserer Zeit", sagt eine Schülerin einleitend.

Schowtka weiß aber durchaus für die Ereignisse im Jahr 1989 zu begeistern, für die Revolution, die ohne Blutvergießen verlief. "Es war wie ein Wunder." Die Schüler wollen wissen, ob seine Freunde ihn damals ausspioniert haben. Während der Studienzeit, erzählt der Bauernsohn, dem der Staat wegen "gesellschaftlicher Unreife" das Übersetzer-Diplom verweigerte, hätten zehn Spitzel ihn bewacht, "aber keiner von ihnen war einer meiner engen Freunde".

Das zumindest erzählt die Stasi-Akte über ihn, die er später einsehen durfte. Eine Frage muss der 69 Jahre alte frühere sächsische CDU-Landtagsabgeordnete zu jüngsten Aussagen von Helmut Kohl beantworten. Der Alt-Bundeskanzler ließ anklingen, dass die Wiedervereinigung aus seiner Sicht vor allem ein Ergebnis politischer Arbeit gewesen sei. Peter Schowtka sieht das anders: "Die Zeit war reif." Er zeichnet das Bild der Einheit als Ergebnis vieler Anstrengungen und glücklicher Zufälle. Nicht nur die politische Gemengelage mit Michail Gorbatschow als russischem Staatschef, sicher auch Helmut Kohl und die Einsicht von Margaret Thatcher und Francois Mitterand hätten die Einheit begünstigt.

Aber ohne den sanften Druck von Papst Johannes Paul II. und den bürgerlichen Aufstand hätte es nicht gereicht. "Das Gefühl war: Jetzt oder nie. Wir verspürten einen mächtigen inneren Druck, aber auch eine Angst, die wir überwinden mussten", erzählt Schowtka. Ob er denn nach seinem Amtsantritt als Bürgermeister 1990 nach den ersten Kommunalwahlen seine Verwaltungsriege hätte austauschen müssen, will ein junger Mann wissen. Die seien von selbst gegangen, "sonst hätte ich natürlich Maßnahmen ergreifen müssen".

Immerhin bekam er das Telefon einer damaligen SED-Mitarbeiterin, die das Weite gesucht hatte. Und gelegentlich Besuch von Investoren aus dem Westen, die sehr freundlich waren, weil sie etwas von ihm wollten. Die bunte Welt des Kapitalismus zeigte Zähne.

"Das Bild vom Westen war wie ein Puzzle." Wie weit Mauerfall und Einheit ins politische Jetzt hineinwirken, zeigt nicht nur die Schülerveranstaltung des Partnerschaftskomitees Bad Honnef/ Wittichenau, sondern auch die aktuelle Diskussion über eine mögliche rot-rot-grüne Koalition in Thüringen mit einem linken Ministerpräsidenten. Davon hält Peter Schowtka gar nichts. "So weit sind die noch nicht. Viele Linke lehnen die demokratischen Grundidee ab." Und dennoch hält er die Einheit heute für vollzogen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort