Vorbereitungsklassen im Siebengebirge „Diese Kinder dürfen nicht verloren gehen“

Siebengebirge · 42 Schüler besuchen die Vorbereitungsklassen der Konrad-Adenauer-Schule. Ein solches Angebot gibt es auch an der Realschule Oberpleis.

 Saugt den Lernstoff auf wie ein Schwamm: Fatima hat schon viel Deutsch gelernt.

Saugt den Lernstoff auf wie ein Schwamm: Fatima hat schon viel Deutsch gelernt.

Foto: Frank Homann

Fatima ist hochkonzentriert, ordnet Vokabeln und Symbole einander zu. Groß und klein, heiß und kalt, alt und neu: In der Vorbereitungsklasse mit dem Schwerpunkt „Deutsch als Zielsprache“ an der Konrad-Adenauer-Schule (Kasch) stehen Adjektive auf dem Stundenplan. Die Zwölfjährige aus Syrien, die seit acht Monaten in Deutschland lebt, und ihre Klassenkameraden lassen sich nur kurz ablenken von dem ungewöhnlichen Besuch an diesem Morgen. „Die Kinder sind alle sehr fleißig und lernwillig. Und sie lernen schnell“, sagt Lehrerin Stephanie Paschold. Und ergänzt: „Schule ändert sich genau hier, in diesem Raum. Aber oben scheint das noch nicht anzukommen.“

„Oben“, das ist die Politik. Syrien, Albanien, Irak, Afghanistan, Polen, Rumänien, Bosnien, Spanien: Schon die Herkunft der Schüler zeigt deutlich, was Paschold meint. „Die Klassen werden immer heterogener, generell und überall“, sagt sie. Insgesamt 230 Schüler hat die Kasch, die Vorbereitungsklassen eingerechnet. 137 Kinder haben einen Migrationshintergrund. In den Vorbereitungsklassen reicht die Altersspanne von zehn bis 17 Jahre, der Leistungsstand vom Analphabeten bis zum Gymnasiasten.

Eine Herausforderung ist das nicht nur für Lehrende wie Paschold und ihre Kollegin Helen Janßen-Christmann, sondern für die Gesellschaft als Ganzes. Und für die Politik, die bildungspolitisch mehr als bisher Weichen stellen muss. Paschold: „Vielleicht muss man auch mal das Vertrauen haben, dass wir unser Metier verstehen. Wir müssen doch aufpassen, dass uns diese Kinder nicht verloren gehen.“

Fatima und weitere 41 Kinder besuchen derzeit die zwei Vorbereitungsklassen an der Kasch; ursprünglich gedacht waren sie auch für Königswinterer Kinder. „Aber es war schnell klar: Das reicht nicht“, sagt Schulleiter Ralf Wermter. Entsprechend wurde eine Klasse auch an der Realschule Oberpleis eingerichtet.

An der Kasch sind es dennoch mehr Kinder, als es für zwei Klassen sein sollten. Ab 13 Kindern kann per Erlass eine Vorbereitungsklasse eingerichtet werden, bei 18 Kindern sollte eigentlich Schluss ein. „Aber natürlich wollen wir kein Kind ablehnen“, so Wermter. Da die Schule zudem ausläuft und ab kommendem Schuljahr nur noch die Jahrgangsstufen acht bis zehn hat, besteht für die jüngeren Kinder keine Chance, als Regelschüler zu bleiben. Schon deshalb wird auch am Siebengebirgsgymnasium (Sibi) eine Vorbereitungsklasse eingerichtet. Der Antrag ist gestellt; Start ist im Sommer, bestätigte die Verwaltung.

Auch Micha ist zwölf Jahre alt. Und nach einer Odyssee, die ihn von Syrien über die Ukraine schließlich nach Deutschland kommen ließ, kann der quirlige Junge jetzt das erste Mal in seinem Leben eine Schule besuchen. „Wir mussten ihm erst einmal beibringen, dass man sitzen bleibt“, sagt Paschold. Auch Micha macht seine Sache gut. Den Besuch begrüßt er einwandfrei mit „Guten Morgen“.

Oft müssten Kinder sich erst in eine Schulstruktur einfinden. „Einige haben Jahre in Flüchtlingslagern verbracht, dort ihre Familien mit ernährt“, so Wermter. Manche der Kinder seien traumatisiert. „Was sie zum Teil erlebt haben, kennt unsere Generation nur aus Erzählungen über den Krieg“, so Paschold. Gut, dass Sozialpädagogin Bettina Stienen „da sehr viel auffängt“, so Wermter: „Nicht selten ist das eine emotionale Achterbahnfahrt.“ Für alle Beteiligten.

Wichtigste Voraussetzung dafür, alsbald in eine Regelklasse zu wechseln, sei die Beherrschung der deutschen Sprache. Entsprechend bildet sie den Schwerpunkt im Lernstoff, hinzu kommen Kernfächer wie Mathematik. „Die Vorbereitungsklassen machen Sinn, um die Kinder erst mal aufzufangen“, so Wermter. Zugleich aber gelte: „Damit ist es nicht getan. Wir versuchen, frühestmöglich an die Regelklassen anzudocken, etwa beim Sportunterricht“, sagt Wermter – damit die Kinder auch sozial ankommen. Glücklich sind Wermter und seine Kolleginnen über freiwilliges Engagement.

„Wir sind froh, dass wir die Unterstützung von derzeit zehn Ehrenamtlichen haben.“ Dass man unterstützen kann, meint Götz Teichgreeber, müsste mehr publik gemacht werden. Mehr zufällig habe er davon erfahren, sagt der pensionierte Lehrer. Vor Ostern sei er eingestiegen, gebe jetzt montags und donnerstags drei Jungs Förderunterricht. „Sprache lernen, das geht nur über lesen und sprechen“, sagt er. Und kleine Gruppen mit vergleichbarem Leistungsstand seien da naturgemäß besser geeignet als große Klassenverbände. „Nur, langsam kommen wir da auch an ein Raumproblem“, sagt Wermter.

Die wichtigste Motivation, auch diese Hürde zu nehmen, seien die Kinder selbst. Wermter: „Es ist beeindruckend zu sehen, wie wissbegierig sie sind. Da kommt man manchmal kaum noch hinterher.“

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