Fall Anna Drei Verfahren eingestellt - Ermittlungen gegen Sachbearbeiterin gehen weiter

KÖNIGSWINTER/BAD HONNEF · Knapp zwei Jahre, nachdem die neunjährige Anna in ihrer Pflegefamilie zu Tode gekommen ist, werden die Ermittlungsverfahren gegen zwei Jugendamts- und einen Diakonie-Mitarbeiter aller Voraussicht nach eingestellt.

In den Schriftsätzen, die dem General-Anzeiger vorliegen, kommt die Staatsanwaltschaft Bonn zu dem Ergebnis, dass dem früheren Leiter des Königswinterer Jugendamtes, einer Mitarbeiterin des Bad Honnefer Jugendamtes und einem Mitarbeiter der Diakonie Düsseldorf keine Mitschuld am Tod des Kindes anzulasten sei. Eine letztendliche Entscheidung, so Staatsanwältin Michaela Irsen zum GA, falle kommende Woche.

Die Verfügungen seien aus formalen Gründen noch einmal zurückgestellt worden, jedoch versehentlich versandt worden. Irsen ließ durchblicken, dass sich am Ergebnis kaum etwas ändern werde. Gesondert entschieden wird noch im Falle der Sachgebietsleiterin im Königswinterer Jugendamt, die direkt mit Annas Fall betraut war. Eine Anklage wegen Körperverletzung durch Unterlassen scheint nicht ausgeschlossen.

Wie berichtet, hatte die Staatsanwaltschaft nach Annas Tod Ermittlungen auch gegen Mitarbeiter der Jugendämter aufgenommen sowie gegen einen Mitarbeiter des Pflegekinderdienstes der Diakonie. Der Tatvorwurf: fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Tötung durch Unterlassen. Direkt zuständig für Anna, deren leibliche Mutter in Königswinter lebt, war das Königswinterer Jugendamt; untergebracht war sie in einer Pflegefamilie in Bad Honnef.

Das Kind starb im Juli 2010 nach fortgesetzten Misshandlungen. Annas Pflegemutter wurde im November zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die 52-Jährige Anna aus niederen Beweggründen am 22. Juli 2010 in der Badewanne ertränkt hatte und befand auf Mord. Ihr Mann erhielt sechseinhalb Jahre Freiheitsstrafe; er hatte die Tat gesehen, war aber zu spät eingeschritten.

Ende 2011 wurde durch die Staatsanwaltschaft ein externer Gutachter eingeschaltet, der sich mit der strafrechtlichen Verantwortung der Sachgebietsleiterin im Königswinterer Jugendamt und des zur Unterstützung gerufenen Diakonie-Mitarbeiters auseinandersetzte, nicht aber mit der der anderen Behörden-Mitarbeiter. Das Gutachten, das dem GA bekannt ist, kommt zu dem Schluss: Während es bei der Sachgebietsleiterin um die "unmittelbare Verpflichtung" gegangen sei, Anna durch fachgerechtes Handeln zu schützen, sei es bei dem Diakonie-Mitarbeiter "nur" darum gegangen, ob er dem Amt korrekt über die Verhältnisse in der Pflegefamilie berichtet habe.

Während das Gutachten den Diakonie-Mitarbeiter entlastet, wirft es der Sachgebietsleiterin vor, ihren Beruf in vielen Punkten nicht fachgerecht ausgeübt zu haben. Schon die Entscheidung für die Honnefer Pflegefamilie sieht das Gutachten kritisch, schließlich war eine Fachpflegefamilie empfohlen worden. Eine Veränderung wegen der nicht sachgerechten Unterbringung - die Wohnverhältnisse waren äußerst schwierig - wäre spätestens dann notwendig gewesen, als klar war, dass Anna länger in der Familie bleiben würde. Zumindest hätte die Situation laut Gutachten engmaschiger kontrolliert werden müssen. Doch die Kontrolle soll nach GA-Informationen völlig gefehlt haben. Spätestens nach dem Polizeieinsatz im November 2009, nach dem eine sogenannte 8 a-Akte (bei Kindesmisshandlungen) angelegt worden sei, hätte die Mitarbeiterin einschreiten müssen.

Laut Paragraf 8 a Sozialgesetzbuch VIII komme die Hauptverantwortung bei Fällen von Kindesmisshandlung, Vernachlässigung und sexuellem Missbrauch dem Jugendamt zu - und hier immer einem Team von Mitarbeitern. Die Polizei habe ihren Einsatzbericht an das Jugendamt geschickt, dort aber soll er nach GA-Informationen ohne weitere Würdigung zu den Akten genommen worden sein. Fazit: Noch bevor der Polizeibericht eingegangen war, stellte das Jugendamt fest, dass es sich nicht um einen Fall von Kindeswohlgefährdung handelt. Und so scheinen nicht alle Informationen eingeholt worden zu sein, die nötig gewesen wären.

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