Streuobstwiesen Ehrenamtliche kümmern sich um Obstbäume im Siebengebirge

OBERDOLLENDORF · Ehrenamtliche Obstbaumwarte schreckt auch Dauerregen nicht ab: Auf einem rund 5000 Quadratmeter großen Gelände des Naturschutzprojektes „Chance 7“ bringen sie Obstbäume in Form. Der Erhalt alter Arten steht dabei im Fokus.

 Gut 5000 Quadratmeter groß ist das „Chance 7“-Areal, auf dem die Obstbaumwarte für Luft in den Kronen der Obstbäume sorgen.

Gut 5000 Quadratmeter groß ist das „Chance 7“-Areal, auf dem die Obstbaumwarte für Luft in den Kronen der Obstbäume sorgen.

Foto: Frank Homann

Weit über 1000 Apfelsorten gibt es – nur einen Bruchteil davon kann man in den Supermärkten kaufen. Der Kaiser-Wilhelm-Apfel gehört nicht dazu, obwohl die Majestät seinerzeit die Namensgebung für „diesen wahrhaft majestätischen Apfel“ selbst genehmigt haben soll. Finden kann man das edle Obst allerdings auf den Streuobstwiesen in der Region, wie zum Beispiel unterhalb des Jufa-Hotels in Oberdollendorf. In sonniger Hanglage gedeiht „Kaiser Wilhelm“ dort neben anderen alten, heimischen Apfelsorten ganz prächtig.

Damit das auch so bleibt, sorgten am Samstag die Mitglieder des Vereins „Natürlich Streuobst!“ für den richtigen Schnitt. 20 Obstbaumwarte waren trotz Dauerregens zu der Pflegeaktion angerückt, an den Füßen Gummistiefel, auf dem Kopf den Regenhut und um die Hüften den Gürtel mit dem obligatorischen Werkzeug wie Baumsägen und Astscheren. „Auch wenn es heute natürlich nicht so optimal ist – wir freuen uns über den Regen“, sagt Vereinsvorsitzender Wolf Mende. „Oberflächlich ist der Boden zwar matschig, aber in der Tiefe braucht es dringend noch viel mehr Wasser.“

Die Trockenheit der letzten beiden Jahre habe den Obstbäumen stark zugesetzt: „Das Holz ist extrem spröde.“ Umso wichtiger sei ein guter Schnitt. „Um gesund zu bleiben und gutes Obst zu bringen, muss die Krone luftig und licht sein“, so Mende. „Die Äste dürfen sich nicht gegenseitig beschatten.“ Wie so oft gelte es, das richtige Maß zu finden: „Zu viel Rückschnitt ist auch nicht gut, da sich dann die Wasserreiser bilden“, ergänzt Ralf Badtke vom Amt für Natur und Umweltschutz des Rhein-Sieg-Kreises. Die Triebe, die meist senkrecht in die Höhe stehen „wie die Rückenhaare beim Hund“, klauten dem Baum den Saft.

Badtke weiß, wovon er spricht: Er ist nicht nur Vorstandsmitglied im Verein, sondern hat einst über das Naturschutzprojekt „Chance 7“ die Ausbildung der Obstbaumwarte angestoßen. Denn werden Obstbäume nicht gepflegt, überaltern sie und drohen abzusterben. Wird dann bei Verlust nicht nachgepflanzt, besteht die Gefahr, dass Jahrhunderte alte Sorten verschwinden. Das möchten die Obstbaumwarte verhindern. Mit ihrer Arbeit leisten sie im Kreis also einen wichtigen Beitrag zum Erhalt von Streuobstwiesen.

„Ein bisschen Eigennutz war auch dabei“, berichtet Mende, weshalb er sich zum Obstbaumwart hat ausbilden lassen. „Wir haben eigene Obstbäume und ich habe mich da, was das Schneiden angeht, nie so richtig rangetraut.“ Auch wolle man alten Sorten wieder eine Chance geben. „Von den über 1000 Apfelsorten, die es gibt, findet man vielleicht zwölf im Handel. Und die schmecken irgendwie alle gleich.“

Mittlerweile hält bereits die dritte Generation fachkundig die Astsäge in der Hand. „Rund 100 Obstbaumwarte haben wir in den vergangenen drei Jahren bereits ausgebildet“, berichtet Badtke stolz. Um ihnen eine Plattform zu bieten und das ehrenamtliche Engagement besser steuern und ausbauen zu können, wurde im Mai 2019 in Siegburg der Verein „Natürlich Streuobst!“ gegründet, der derzeit rund 50 Mitglieder zählt. Erklärtes Ziel ist neben Pflege und Erhalt alter Streuobstwiesen auch die Beratung interessierter Bürger, die ihre Apfelbäume im Garten selber schneiden oder neu pflanzen möchten. Schnittkurse bietet der Verein ebenfalls an. Im Februar und März – also vor Beginn der Wachstumsphase – gibt es sowohl links- als auch rechtsrheinisch noch viele Termine.

Die Pflegeaktion auf der Obstwiese in Oberdollendorf war für die Vereinsmitglieder eine willkommene Gelegenheit, Schnittpraxis zu sammeln und aufzufrischen und Erfahrungen auszutauschen. Die 5000 Quadratmeter große Streuobstwiese unterhalb des Jufa-Hotels, auf der viele alte, erhaltenswerte Obstbäume wachsen, ist im Besitz von „Chance 7“. Der Verein indes hat selbst noch keine eigenen Wiesen, hofft aber, dass sich das ändert. „Wir sind auf der Suche nach Wiesen, die wir längerfristig zur Verfügung gestellt bekommen oder pachten können“, so Mende. Schließlich möchten die Obstbaumwarte nicht nur „warten“, sondern auch die Früchte ihrer Arbeit ernten. Ob sich die Wiesen nun in Alfter oder Windeck befinden, spielt keine Rolle, da der Verein im gesamten Kreis aktiv ist. Die klimatischen Veränderungen sind nach Ansicht der Fachleute übrigens auch eine Chance für die alten Obstbaum-Sorten. Badtke: „Vorteil ist, dass es hier genetisch eine unheimlich breite Palette gibt. Man muss abwarten und schauen, was sich auf Dauer durchsetzt.“

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