Eine Entschuldigung vom Bürgermeister

Königswinter · In der Sondersitzung des Königswinterer Stadtrats zur Aufarbeitung des Falles Anna räumte Peter Wirtz erneut Fehler ein.

Kritische Fragen, hitzige Dispute, eine Entschuldigung und versöhnliche Töne - in der Sondersitzung des Königswinterer Stadtrates zur Aufarbeitung des Falles Anna am Montagabend wurde so ziemlich die gesamte Klaviatur menschlicher Kommunikation gespielt.

Gleich zu Beginn gab Bürgermeister Peter Wirtz eine persönliche Erklärung ab, die sich stark an frühere Äußerungen anlehnte. "Zurückblickend wäre es sicherlich besser gewesen, die örtliche Politik zeitnah über die Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Aktenveränderung zu informieren", sagte er in Anspielung auf die Aktenmanipulationen in der Jugendamts-Fallakte Anna wenige Tage nach dem gewaltsamen Tod des Mädchens in einer Pflegefamilie.

Er entschuldigte sich für diesen Fehler und versprach: "Ich werde alles daran setzen, das Geschehene mit Hilfe externer Sachverständiger und unter Einbeziehung der politischen Gremien vollständig aufzuarbeiten und dafür zu sorgen, dass ein solcher Fall nie wieder vorkommen kann. Das bin ich, das ist die Stadt allen Kindern, besonders aber Anna und ihrer Familie schuldig."

Der Fraktion Freie und Linke reichte diese Erklärung offenbar nicht aus: Jörg Pauly forderte in der Ratssitzung erneut den Rücktritt des Bürgermeisters. "Sie geben in einer Pressemitteilung an, Sie unterstützen die Staatsanwaltschaft. Gleichwohl lassen Sie die Sachbearbeiterin zunächst an ihrem Arbeitsplatz, lassen sie an ihre Akten, lassen die Mitarbeiterin sogar noch sieben Monate lang unter dem Vorgesetzten arbeiten, dem sie vorwirft, er habe sie zur Aktenmanipulation aufgefordert."

Die Fehlentscheidungen des Bürgermeisters setzten sich immer weiter fort, so Pauly. Kritik an der Kritik gab es von anderer Seite, auch von CDU-Fraktionschef Josef Griese, der dem Bürgermeister sein Vertrauen aussprach. "Wir erkennen nicht, dass der Bürgermeister falsch gehandelt hat", sagte er. "Wer das unterstellt, ist hier nicht ganz richtig."

Zahlreiche Anfragen hatten Freie und Linke sowie die SPD-Fraktion für die Sondersitzung eingereicht. Erster Beigeordneter Ashok Sridharan wartete zu vielen mit einer Standard-Antwort auf: Wegen der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen das Königswinterer Jugendamt und des laufenden Strafverfahrens gegen die Pflegeeltern könne er keine Angaben machen.

Zudem seien inzwischen die Akten von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Gleichwohl, das sagten er und Wirtz zu, werde die Verwaltung einen Fahrplan erstellen, wann die Politiker mit welchen Informationen zu rechnen haben. Der Bürgermeister sagte zudem zu, in Zusammenarbeit mit dem externen Gutachter, den die Stadt engagiert hat, zu prüfen, welche Akten dem Jugendhilfeausschuss im nichtöffentlichen Teil mit geschwärzten Teilen vorgelegt werden können. "Das Problem in der Vergangenheit war, dass wir eine glasklare fachanwaltliche Anweisung hatten, das nicht zu tun."

Auf einige Fragen antwortete die Stadtverwaltung allerdings schon: So erfuhren die Ratsmitglieder, dass die innerdienstlichen Vorschriften zum Umgang mit Akten derzeit konkretisiert werden. Auf Antrag der SPD-Fraktion wird die Verwaltung zudem ein Konzept zur Akten- und Datensicherung vorlegen.

Wirtz regte ein Dokumentenmanagement-System an, das größere Sicherheit bringen könne. Auch die Nebentätigkeiten der Jugendamtsmitarbeiter waren Thema: Zwölf der 20 Mitarbeiter arbeiten fachbezogen als Dozenten oder üben eine geringfügige Beschäftigung aus, so Sridharan. Interessenkollisionen seien nicht festzustellen.

Die Jugendamtsmitarbeiterin, die für Anna zuständig war, unterhält eine Internetseite, auf der sie sich als Diplom-Pädagogin, Psychotherapeutin und NLP-Trainerin ausweist. "Beratung - Seminare - Weiterbildung" ist dort zu lesen und: "Die Seite wird gerade überarbeitet."

Ein Fazit des Abends zog unter anderem Lutz Wagner (Köwi): "Es ist nachzuvollziehen, dass Fragen nicht beantwortet werden können, aber die Außenwirkung wird wieder fatal sein", sagte er. Und Fraktionskollege Jürgen Klute war sich sicher: "Es wird ein langer Weg sein, das Jugendamt Königswinter zu rehabilitieren."

Rücktritt oder Entfernung aus dem Amt - die rechtlichen GrundlagenDie Freie und Linke in Königswinter fordert den Rücktritt von Bürgermeister Peter Wirtz und erfragte in der Sondersitzung des Rates den rechtlichen Hintergrund. Erster Beigeordneter Ashok Sridharan gab dazu Auskunft:

  • Freiwilliger Rücktritt: Einen freiwilligen Rücktritt regelt Paragraf 27 des Landesbeamtengesetzes.
  • Abwahl: Der Bürgermeister kann von den Bürgern der Kommune vor Ablauf seiner Amtszeit abgewählt werden. Wie Paragraf 66 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen regelt, bedarf es zur Einleitung eines Abwahlverfahrens eines von mindestens der Hälfte der Ratsmitglieder gestellten Antrags und eines mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Ratsmitglieder zu fassenden Beschlusses. Wenn dann eine Mehrheit der wahlberechtigten Bürger und mindestens 25 Prozent für die Abwahl stimmen, ist der Bürgermeister abgewählt. Dieses Verfahren hat zuletzt die Meckenheimer Bürgermeisterin Yvonne Kempen über sich ergehen lassen.
  • Verlust der Beamtenrechte: Paragraf 24 des Beamtenstatusgesetzes besagt: Ein Beamter verliert seine Beamtenrechte, wenn er wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird oder wenn er wegen einer vorsätzlichen Tat wie Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird.
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