Fall Anna: Ärzte widersprechen Verteidigern

BAD HONNEF/BONN · Nach mehr als sechs Monaten Verhandlung steht der Prozess gegen die Pflegeeltern der neunjährigen Anna aus Bad Honnef nun unmittelbar vor dem Abschluss. Am kommenden Donnerstag soll das Urteil verkündet werden.

Zuvor waren die Richter noch einem so genannten Hilfsbeweisantrag der Verteidigung der 52 Jahre alten Pflegemutter nachgegangen. In seinem Plädoyer in der vergangenen Woche hatte einer der Anwälte unter anderem behauptet, dass seine Mandantin aufgrund eines angeblichen Bauchdeckendurchbruchs drei Monate vor der Tat am 22. Juli 2010 körperlich gar nicht in der Lage war, das Mädchen in der Badewanne zu ertränken.

Doch die daraufhin vom Gericht in den Zeugenstand gerufenen Mediziner konnten dies gestern nicht bestätigen. Gehört wurden die Hausärztin der Angeklagten, ein leitender Oberarzt der Landesklinik - der auch das psychiatrische Gutachten über die 52-Jährige erstellt hatte - sowie zwei Anstaltsärzte aus der Kölner Justizvollzugsanstalt.

Keiner der Ärzte konnte sich an besondere aktuelle Beschwerden bei der Angeklagten im Bauchbereich kurz vor der Tat, bei der Einlieferung einen Tag nach Annas Tod in die Landesklinik oder bei Beginn der Untersuchungshaft erinnern. Die Pflegemutter habe stets nur von einer Gallenblasenoperation und einer Folgeoperation - beides im Jahr 2008 - berichtet.

Anhand dieser Angaben kam der rechtsmedizinische Gutachter zu dem Schluss, dass eine solche Bewegungseinschränkung nicht vorgelegen habe. Da die Verteidigung der Angeklagten behauptete, dass der Gefängnisarzt, der die Erstuntersuchung vorgenommen habe, sehr wohl entsprechende Beschwerden festgestellt, diese aber nicht dokumentiert habe, wurde der Arzt kurzerhand von der Schwurgerichtskammer nach Bonn gebeten. Doch auch er konnte sich nicht an entsprechende Beschwerden erinnern.

Daraufhin kam es zur Wiederholung der Plädoyers. Vom Staatsanwalt und der Nebenklägerin - der Anwältin von Annas leiblicher Mutter - wurde eine Verurteilung der 52-Jährigen wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe gefordert. Zudem soll bei der Angeklagten die besondere Schwere der Schuld festgestellt werden.

Der Verteidiger des Pflegevaters forderte für seinen Mandanten wie gehabt eine Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren. Der Angestellte in einem Bundesministerium soll an der Fesselung Annas und ihrer Beförderung in die Badewanne beteiligt gewesen sein. Unter Wasser gedrückt habe die Neunjährige allerdings die Pflegemutter. Deren Anwälte beschuldigten hingegen den Pflegevater, der wahre Täter zu sein.

Ihre Mandantin sei lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Misshandlung einer Schutzbefohlenen zu einer milden Strafe zu verurteilen. In seinem letzten Wort entschuldigte sich der Pflegevater dafür, "dass das mit Anna überhaupt passiert ist". Seine Ehefrau sagte lediglich: "Ich habe nichts zu sagen, ich schließe mich meinen Anwälten an."

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