Fall Anna: Ankläger fordert lebenslänglich

Bad Honnef/Bonn · Die Höchststrafe für Annas Pflegemutter forderte am Donnerstag Oberstaatsanwalt Robin Faßbender. Die Pflegemutter habe Anna heimtückisch ermordet, so der Oberstaatsanwalt in seinem Plädoyer.

 Auf der Anklagebank: Die Pflegeeltern mit ihren Anwälten während des Prozesses im Mai.

Auf der Anklagebank: Die Pflegeeltern mit ihren Anwälten während des Prozesses im Mai.

Foto: Barbara Frommann

Die Höchststrafe für Annas Pflegemutter forderte am Donnerstag Oberstaatsanwalt Robin Faßbender. In seinem Plädoyer vor dem Bonner Landgericht plädierte der Ankläger dafür, die 52-Jährige aus Bad Honnef wegen Mordes, Freiheitsberaubung und Körperverletzung mit Todesfolge sowie Misshandlung einer Schutzbefohlenen zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe zu verurteilen.

Zudem solle die besondere Schwere der Schuld festgestellt werden, so dass eine vorzeitige Haftentlassung auf Bewährung nach 15 Jahren ausgeschlossen wäre.

In den Augen des Staatsanwalts war es die 52-Jährige, die das neunjährige Pflegekind Anna am Abend des 22. Juli 2010 in der Badewanne mindestens drei Minuten unter Wasser getaucht hatte. Ihrem gleichaltrigen Ehemann sei kein Tötungsvorsatz nachzuweisen. Für den Angeklagten, der zuletzt als Angestellter in einem Bundesministerium gearbeitet hatte, forderte Faßbender eine neunjährige Haftstrafe.

Die grausamen Details über Annas Martyrium in der Pflegefamilie, die der Oberstaatsanwalt in drei Stunden - inklusive mehrerer Unterbrechungen - noch einmal vortrug, waren für die zahlreichen Zuhörer kaum zu ertragen. Mindestens seit dem Sommer 2009 wurde das Mädchen schwer misshandelt, so Faßbender. Die strafrechtliche Verfolgung dieser von ihm als "menschenverachtend" bezeichneten Taten war im Prozess eingestellt worden.

Für den Ankläger steht fest, dass die Pflegemutter ein "perfides Geflecht aus Lügen und Intrigen" gesponnen hat, da sie Anna für sich habe behalten wollen. Deshalb habe sie das Mädchen von der leiblichen Mutter entfremdet und "alles in ihrer Macht stehende unternommen, um die leibliche Mutter schlecht zu machen".

Der Beschuldigten attestierte er ein "unstillbares Bedürfnis zur Selbstüberhöhung". Die 52-Jährige habe eine "Kette von Lügen" aufgebaut und so auch erreicht, dass ihr von Ärztinnen Atteste über autoaggressives Verhalten und eine Wasserphobie des Kindes ausgestellt wurden. "Diese stellten einen Freibrief für die folgenden Misshandlungen dar", so Faßbender. Dass der Ehemann - wie von einem Zeugen behauptet - ein "Butler mit Ehering" gewesen sei, hält der Staatsanwalt für "noch recht milde ausgedrückt".

Eine Überforderungssituation in der Pflegefamilie sieht er nicht. Vielmehr habe die Pflegemutter Probleme erfunden, um durch deren Lösung als "tolle Tanti" dazustehen. Anna, so der Staatsanwalt, habe weder ein Problem mit Wasser noch mit dem Essen gehabt: "Wenn jemand Essprobleme hatte, dann allen voran die Angeklagte." Vor Annas Todestag sei es etwa 20 Mal zu Situationen gekommen, bei denen Anna bis zur Atemnot in der Badewanne untergetaucht worden sei. "Man muss schlicht und ergreifend davon ausgehen, dass es ihr Spaß machte, das Kind zu quälen", so Faßbender.

Am Tattag habe die Angeklagte heimtückisch gehandelt, da das Mädchen davon ausgegangen sei, dass sie wieder einmal unter Wasser gedrückt werde und sich deswegen anfangs nicht gewehrt habe. Später habe Anna "nicht mehr die geringste Chance gehabt, sich zu wehren".

Beim zweiten angenommenen Mordmerkmal legte sich der Ankläger nicht fest. Er geht davon aus, dass das Mädchen entweder aus einer Verdeckungsabsicht oder niedrigen Beweggründen ermordet wurde. So habe es frische und massive Gesichtsverletzungen bei der Neunjährigen gegeben, die laut Faßbender "nicht mehr zu erklären gewesen wären".

Zudem habe die Angeklagte die Lüge, dass Anna nach den Sommerferien in einem Heim untergebracht werde, nicht mehr halten können. In der kommenden Woche soll der Prozess mit den Plädoyers der Nebenklägerin, die Annas leibliche Mutter vertritt, sowie denen der insgesamt vier Verteidiger fortgesetzt werden.

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