Fall Anna: Verwirrung um eine gelöschte Datei

Königswinter/Bonn · Gab es im Jugendamt Königswinter im Fall des bei seinen Pflegeeltern gewaltsam zu Tode gekommenen Kindes Anna mehr Manipulationsversuche als bisher bekannt? Und warum unternimmt die Staatsanwaltschaft nichts, um vor Ort zu sichern?

Fall Anna: Verwirrung um eine gelöschte Datei
Foto: Holger Handt

Diese Fragen werden immer drängender, nachdem nun bekannt wurde: Die für den Fall zuständige Mitarbeiterin soll nicht nur selbst Unterlagen aus der Akte Anna manipuliert und vernichtet, sondern auch einen Kollegen beauftragt haben, eine Computerdatei zu dem Fall zu löschen. Das geht nach GA-Informationen aus einer E-Mail dieses Kollegen an die nach wie vor im Jugendamt tätige Sachgebietsleiterin hervor, die bei der Stadt im Herbst entdeckt wurde.

Die Unterlagen seien nach den Manipulationen der Mitarbeiterin, die im August bekannt wurden, vollständig rekonstruiert worden, zumindest so gut wie möglich, so Königswinters Bürgermeister Peter Wirtz in bisherigen Stellungnahmen. Tatsächlich weiß man aber auch bei der Justiz nicht, ob alles vollständig ist. Das weiß nur derjenige, der vernichtet hat.

Dass sich die Staatsanwaltschaft damit bisher zufrieden gab, stößt auch in Justizkreisen auf Befremden. "Wir tun alles, um den Fall rückhaltlos aufzuklären. Alle Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Stadt Königswinter werden akribisch geprüft", so Jan van Rossum, Vize-Chef der Staatsanwaltschaft, gestern.

Die jetzt bekannt gewordene Löschung einer Datei, die ein Mitarbeiter auf Wunsch der für Anna zuständigen Jugendamtsmitarbeiterin vorgenommen haben soll, hält der Bürgermeister für keineswegs brisant. Es habe sich nicht um eine Datenvernichtung gehandelt, ließ er durch seinen Ersten Beigeordneten Ashok Sridharan wissen.

"Richtig ist, dass im Rahmen der Datensicherung eine Mail gefunden wurde, der zufolge eine Datei mit personenbezogenen Inhalten gelöscht worden ist", teilte er gestern mit. "Allerdings erfolgte das Löschen lediglich aus einem allgemein zugänglichen Ordner. Die Datei wurde an anderer Stelle - einem gesicherten Ordner - abgespeichert."

Es habe sich, so muss man das verstehen, bei der Löschung also um einen Akt des Datenschutzes gehandelt. "Das war kein Versuch, die Datei ganz zu vernichten", so Wirtz. "Sonst wären wir aktiv geworden und hätten ein Verfahren eingeleitet."

Derweil wurde bekannt, dass Anna, die aufgrund ihrer frühkindlichen Erfahrungen als schwer traumatisiert galt, als Vollzeitpflegekind ursprünglich nicht bei dem angeklagten Ehepaar untergebracht werden sollte. Vielmehr sollte sie bei einer anderen dafür qualifizierten Familie in Fachpflege kommen.

Warum dies nicht geschah, ist ebenfalls Gegenstand der Ermittlungen. Am 28. Februar soll die Jugendamtsmitarbeiterin vor dem Schwurgericht aussagen. Heute wird dort Annas leibliche Mutter als Zeugin erwartet.

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