Interview mit Ursula Egyptien-Gad "Frauen für ihre Leistung anerkennen"

BAD HONNEF · Ursula Egyptien-Gad, neue Vorsitzende der Frauen Union, spricht im GA-Interview über die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere.

Vergangenes Jahr kandidierte sie zum ersten Mal für den Bad Honnefer Stadtrat und holte auf Anhieb das Direktmandat. Seit Kurzem steht Ursula Egyptien-Gad auch der Bad Honnefer Frauen Union vor.

Ein Schwerpunkthema dort ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf; kommende Woche hat die FU zur thematischen Auftaktveranstaltung die Bundestagsabgeordnete Michaela Noll zu Gast. Mit der promovierten Romanistin Egyptien-Gad sprach Claudia Sülzen.

Mit Angela Merkel steht eine Frau an der Spitze der CDU. Trotzdem ist die CDU männlich dominiert. Würden Sie dem zustimmen?
Ursula Egyptien-Gad: Der Eindruck mag entstehen, und es ist sicher immer noch vor allem für berufstätige Mütter, die auch ihren Kindern Zeit widmen wollen, schwer, eine politische Karriere mit einem ausgewogenen Familienleben zu vereinbaren. Andererseits habe ich - auch hier in Bad Honnef und in der hiesigen CDU - so viele engagierte und progressiv denkende Frauen kennen gelernt. Das Bild von der reinen Männerdomäne führt da in die Irre. Dass sich Frauen in meiner Lebenssituation nur selten entschließen, ein Ratsmandat anzustreben, ist zugleich sehr nachvollziehbar. Die Kinder sind noch klein, die eigenen Eltern oft schon alt. Es ist ein ganz schönes Paket, das Frauen da zu schultern haben. Denn es sind ja doch in aller Regel sie, die die Hauptlast der Familienarbeit tragen.

Hochgebildet, berufstätig, drei Kinder, und dann auch noch attraktiv. Was halten Sie von solchen Stereotypen?
Egyptien-Gad: Stereotype sind nie gut. Und die Mehrfachbelastung wird von außen sowieso meist nicht gesehen. Für mich ist das ein Riesenthema, ganz klar, mein Mann und meine Kinder sind für mich das Allerwichtigste. Aber für das Umfeld? Da kommt es dann schon vor, dass man nebenbei gefragt wird: Wie viele Kinder haben Sie noch gleich? Und tatsächlich gilt doch: Man will ja auch nicht auf irgend etwas reduziert werden, egal, ob es nun das Aussehen ist oder eine bestimmte Lebenssituation. Frauen wollen für das anerkannt werden, was sie leisten und zum Gelingen des gesellschaftlichen Miteinanders beitragen.

Sie haben trotz Berufstätigkeit und Familie den Schritt in die Kommunalpolitik getan. Warum?
Egyptien-Gad: Das hat eine Menge mit Idealismus zu tun. Eine familienfreundliche Gesellschaft und Bildung, das waren für mich schon immer zwei ganz große Themen. Und als dreifache Mutter bin ich an genau diesen Themen jetzt noch näher dran. Ich bin überzeugt: Man darf nicht nur meckern, man muss auch etwas tun.

Und das geht, bezogen auf das kommunalpolitische Engagement, am besten in einer Partei?
Egyptien-Gad: Ich glaube, es ist wichtig, eine Basis zu haben, wenn man in der Kommunalpolitik Akzente setzen will. Natürlich gibt es im Stadtrat und selbstredend auch parteiintern unterschiedliche Ansätze, durchaus auch Meinungsverschiedenheiten. Die große Chance aber ist, dass man hier gemeinsam an Lösungen arbeiten kann. Wichtig ist mir, dass diese Lösungen der Gesellschaft gegenüber zu verantworten sind. Ich empfinde mich als Interessenvertreterin der Bürger. Und bei mir sind es eben die Eltern und deren Fragen und Probleme, die ich besonders gut kenne. Dafür trete ich ein, auch wenn es manchmal unbequem sein mag. Dazu gehört die Diskussion, ebenso der Kompromiss. Trotzdem bleibe ich dabei: Familienpolitik ist der Standortfaktor überhaupt. Haushaltskonsolidierung ist zweifellos wichtig und notwendig, aber man darf die Familien und deren Entlastung dabei nicht aus dem Blick verlieren.

Was auch an Sie herangetragen wird?
Egyptien-Gad: Ich werde sehr oft angesprochen, höre, wo Familien der Schuh drückt. Und ich erfahre ja auch jeden Tag selbst, was es etwa heißt, Familie und Beruf zu vereinbaren - eine Erfahrung, die sehr dabei hilft, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für Familienfreundlichkeit in unserer Stadt mitzugestalten. Im Gegenzug verlasse ich mich auf die Expertise der anderen, wenn es um Themen geht, von denen ich weniger verstehe.

Zum Ratsmandat kam jüngst noch der FU-Vorsitz?
Egyptien-Gad: Zum einen ist es nicht einfach, eine Frau zu finden, die die Verantwortung übernimmt. Vor allem aber ist mir wichtig, dass diese Vereinigung stark bleibt, als Stimme der Frauen - und übrigens nicht nur der CDU-Frauen. Jede Frau kann Mitglied werden, und wir haben Mitglieder, die nicht in der CDU sind. Stolz bin ich auch darauf, wie breit der Vorstand aufgestellt ist. Vertreten sind Frauen von Anfang 20 bis Mitte 70, von unterschiedlichster nationaler Herkunft, aus komplett unterschiedlichen Berufssparten und mit unterschiedlichsten Lebenserfahrungen. Einige haben noch kleine Kinder, andere haben ihre Eltern zu betreuen, einige Frauen sogar beides. Einige sind alteingesessen in Bad Honnef, haben sehr gute Netzwerke. Andere sind zugezogen, haben teils langjährige Auslandserfahrung, bringen den Blick von außen mit. Es ist eine große Freude, in dieser Gruppe mitzuwirken.

Das Schwerpunkthema der FU für die kommenden zwei Jahre lautet "Vereinbarkeit von Familie und Beruf". Hat sich die Situation nicht schon verbessert?
Egyptien-Gad: Natürlich ist schon viel passiert. Unsere Mütter-Generation hatte es mit ganz anderen Voraussetzungen zu tun. Trotzdem bleibt noch viel zu tun. Es ist immer noch schwer, Familie und Karriere zu vereinbaren. Ich habe lange in Frankreich gelebt, dort ist es eine Selbstverständlichkeit. Es geht generell um Chancengleichheit. Und das in beide Richtungen: Männer brauchen mehr Zeit für Familie, und immer mehr Männer wollen das auch. Und das wiederum entlastet Frauen. Das Thema ist komplex.

Also ist Familienpolitik, wie auch Bildungspolitik, alles andere als "nur" ein Frauenthema?
Egyptien-Gad: Familienpolitik, das ist meine feste Überzeugung, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und sie fängt in der Kommune an. Meine persönliche Meinung ist, wir müssen darüber reden, wie Familien in all ihren Konstellationen als Keimzelle der Gesellschaft entlastet werden können. Das gilt übrigens nicht nur finanziell. Es geht auch um ein besseres, verständnisvolleres Miteinander. Frauen haben auch hier eine Schlüsselfunktion.

Das alles sind Themen, die auch Michaela Noll kennt?
Egyptien-Gad: Wir freuen uns sehr, dass es gelungen ist, Michaela Noll für den 26. Mai zu gewinnen. Nicht nur ist sie eine ausgewiesene Expertin für Familienpolitik. Sie hat das Thema auch selbst stark durchlebt. Ihr Sohn war noch klein, als sie nach Studium und Staatsexamen in den Beruf startete. Vor allem aber wünschen wir uns für den Abend, dass man ins Gespräch kommt, dass sich ein Dialog entwickelt. Das Thema richtet sich dabei nicht nur an Frauen oder Mütter von kleinen Kindern, sondern ist weit gefasst, es betrifft Männer ebenso und alle Generationen. Es war uns als FU wichtig, dass sich sozusagen die ganze Gesellschaft eingeladen fühlt und dass es kein Vortrags-, sondern ein Gesprächsabend ist.

Zur Person

Ursula Egyptien-Gad (47) stammt gebürtig aus Wesseling. Sie studierte Romanistik, Germanistik und Theater- und Filmwissenschaft in Köln und Genf und promovierte in Romanistik. Für den Deutschen Akademischen Austauschdienst war sie viele Jahre in Frankreich und Indien tätig; heute ist sie als Referatsleiterin zuständig für das Bildungsmarketing für internationale Studierende.

Egyptien-Gad lebt seit 2009 mit ihrer Familie in Bad Honnef. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder (10, 7 und 4 Jahre) und war unter anderem in Schulgremien und Stadtelternrat aktiv. 2009 trat sie in die CDU ein. Bei der Kommunalwahl 2014 wurde sie in den Stadtrat gewählt. Seit Dezember ist sie auch FU-Vorsitzende.

Der Gesprächsabend

Für Dienstag, 26. Mai, 18.30 Uhr, lädt die Bad Honnefer Frauen Union zu einem Gesprächsabend ins Rhöndorfer "Haus im Turm", Drachenfelsstraße 4, ein. Referentin ist die Bundestagsabgeordnete Michaela Noll. Ebenfalls sein Kommen zugesagt hat der heimische Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen.

Der Abend beginnt mit dem Impulsreferat von Michaela Noll, gefolgt von einer für alle Bad Honnefer offenen Frage- und Dialogrunde. Zur Sprache kommen können alle Fragen rund um Familienpolitik, Politik für alle Generationen, Betreuung in jeder Lebensphase und mehr.

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