Alter Buchdruckerbrauch Gautschen für die erfolgreichen Gesellen in Rheinbreitbach

RHEINBREITBACH · Das Rheinbreitbacher Medienhaus Plump lässt mit dem Gautschen einen alten Buchdruckerbrauch aufleben: Gesellen, die ihren Abschluss erfolgreich gemeistert haben, werden mit eiskalten Wasser getauft - und manchmal auch auf einen nassen Schwamm gesetzt.

 Die Dusche von oben lässt sich bei Sommertemperaturen gut aushalten.

Die Dusche von oben lässt sich bei Sommertemperaturen gut aushalten.

Foto: Frank Homann

„Packer, packt an!“ Heinz Thoma, der am Freitag für das Rheinbreitbacher Medienhaus Plump in die Rolle des Gautschmeisters geschlüpft war, gab im Garten des Unternehmens das Kommando. Sein Befehl bezog sich jedoch nicht auf irgendwelche Druckerzeugnisse, sondern auf Timor Ornat und Jannik Loos. Die mussten nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung als sogenannte Kornuten nach altem Buchdruckerbrauch die Freisprechungszeremonie, eben das Gautschen, als feuchtfröhliche „Wassertaufe à la Gutenberg“ über sich ergehen lassen.

„Vor drei Jahren haben wir diese Tradition hier erstmals wieder aufleben lassen, die bedauerlicherweise bei uns über viele Jahre in Vergessenheit geraten war“, sagte Geschäftsführer Bernd Plump, der zahlreiche Gäste bei der Feier begrüßen konnte. Ein Grund sei, dass man seit fünf Jahren intensiv in Ausbildung investiere.

Und das mit Erfolg, da die Rheinbreitbacher Lehrlinge doch vor allem im praktischen Teil der Prüfung überdurchschnittlich gut abschnitten, so Plump. „Die Gautschfeier zeigt einerseits, wie wichtig uns die Werte der handwerklichen Berufe sind und soll andererseits unsere Wertschätzung und Anerkennung für die Auszubildenden zum Ausdruck bringen“, so der Geschäftsführer.

Kontrast zum technisierten Geschäftsleben

Mit der Gautschfeier wolle man gleichzeitig einen Kontrast zum technisierten Geschäftsleben setzen. „Wir bewahren unsere Wurzeln und verweisen darauf, wo wir hergekommen sind, nämlich auf das klassische Druckereigeschäft“, so Plump. Sein Dank galt nicht zuletzt Martina Dreesbach für die Organisation des Festes.

Dreesbach hatte nicht nur die historischen Gewänder für den Gautschmeister, die vier Packer und den Schwammhalter besorgt. Sie hatte auch den ehemaligen Schriftsetzer Thoma als Gautschmeister gewinnen können. Der Freund des Hauses hatte diese Aufgabe bereitwillig übernommen, nachdem das Mitglied der „Jünger Gutenbergs“ aus Mainz, Harro Neuhardt, abgesagt hatte.

„Lasst seinen Corpus posteriorum fallen auf diesen nassen Schwamm bis triefen beide Ballen“, befahl Thoma, nachdem die vier Packer Ornat ergriffen hatten. Nicht genug damit, dass sie ihn auf den pitschnassen Stuhlsitz bugsierten. Dem Gautschspruch entsprechend spendierte der Schwammhalter „der durst'gen Seele ein Sturzbad oben drauf“, indem er dem Gautschling noch einen großen Eimer Wasser über den Kopf schüttete. Damit aber war die Taufe noch nicht abgeschlossen.

Gaudi für die Zuschauer

Um sicher zu gehen, dass der Täufling auch wirklich bis auf die Knochen nass sei, musste Ornat auch noch eine Taufe „ad Podexiorum“ über sich ergehen lassen, bei der er zur Gaudi der Zuschauer von den Packern kopfüber in einen riesigen, mit eiskaltem Wasser gefüllten Holzbottich geworfen wurde. Eine robuste Prozedur, die anschließend, immerhin bei 26 Grad, auch Loos klaglos überstand. „Es sei künftig mein Bestreben, keine Druckfehler mehr zu machen. Den Lehrlingen will ich ein geduldiger Helfer sein. Gott segne die Kunst“, erklärten die neuen Gesellen der „schwarzen Kunst“, bevor sie, „frei von den Sünden der Lehrzeit“ ihren „Gautschbrief“ erhielten.

„Mit dem wird allen unseren Kunstgenossen geboten, den obenbenamsten Jünger Gutenbergs als ehrbaren Schwarzkünstler und rechtmäßigen Gesellen anzuerkennen“, so Thoma. Gut aufbewahren solle man den Gautschbrief auf jeden Fall, denn wenn man ihn nicht vorlegen kann, muss man sich erneut der Zeremonie unterziehen, wie Bernd Plump vor drei Jahren am eigenen Leib erfahren hatte.

Bei einer traditionellen Gautschfeier wurde man früher nicht nur nass, sondern musste gleichzeitig auch noch tief in die Tasche greifen. „Es gehörte ebenfalls zum Brauch, dass die Ausgelernten dies von ihrem ersten Monatsgehalt bestreiten mussten“, berichtete Thoma. So hatte auch Seniorchef Hans-Jürgen Plump vor 53 Jahren seine Gautschfeier in Osnabrück selbst finanziert. „Heute übernehmen wir die Kosten und eröffnen mit der Zeremonie unser Betriebsfest“, so Plump, während vor dem Garten bereits der Burger-Stand aufgebaut wurde.

Papierschöpfen und Buchdruckerbrauch

Ursprünglich bezeichnete das „Gautschen“ eine Fertigungsstufe beim Handschöpfen von Büttenpapier. Indem der feuchte Papierbogen in einem ersten Entwässerungsschritt nach dem Schöpfen unter leichtem Druck vom Sieb auf einen trockenen Filz abgelegt wurde, wurde er gegautscht. Im Anschluss wurde der Papierbogen in der Gautschpresse weiter getrocknet und an der Luft aufgehängt.

Der Buchdruckerbrauch Gautschen, bei dem ein Lehrling nach bestandener Abschlussprüfung in einer Bütte untergetaucht und/oder auf einen nassen Schwamm gesetzt wird, geht bis ins 16. Jahrhundert zurück.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort