GA-Interview mit Michael Schidelko Geben und Nehmen in Tansania

Bad Honnef · Am Wochenende findet im Kursaal die Jahrestagung von Interplast Germany statt. Alleine im Jahr 2012 entsendete die Hilfsorganisation mit 1800 Mitgliedern 75 Teams in arme Länder rund um den Erdball und half mit gut 5000 Operationen. Mit dem Vize-Vorsitzenden von Interplast Germany und Leiter der Sektion Siebengebirge, dem Bad Honnefer Chirurgen Michael Schidelko, sprach Claudia Sülzen.

 Bei der Arbeit: Der Chirurg Michael Schidelko am Dienstag in seiner Praxis.

Bei der Arbeit: Der Chirurg Michael Schidelko am Dienstag in seiner Praxis.

Foto: Frank Homann

Wie hilft Interplast Germany?
Michael Schidelko: Interplast Germany ist eine Organisation von plastischen Chirurgen, die es sich anfangs zur Aufgabe gemacht haben, ihre speziellen Kenntnisse in Ländern der Dritten Welt einzubringen. Am Anfang stand die Überlegung, Patienten, die eine komplizierte Erkrankung oder eine angeborene Deformität haben, nicht mehr mit großen Kosten nach Europa zu bringen und hier operieren zu lassen. Es stellte sich heraus, dass ein Spezialist für die Summe, für die ein Patient nach Europa geholt würde, etwa 100 Operationen im Land machen kann. Ein Verhältnis von 1:100, das ist realistisch. Das war die Idee, die der Gründer 1980 aus den USA mitgebracht hat. Daraus wurde eine Struktur. Es wurden Teams gebildet, mit einem oder zwei Operateuren, einem Narkosearzt, Schwestern - ein Grundteam hat stets fünf Leute.

Die Teams arbeiten ehrenamtlich, in ihrem Urlaub. Finanziert werden Einsätze aus Spenden.
Schidelko: So ist es. Man muss Tickets bezahlen, Verbrauchsmaterial, Narkosemittel und was man sonst noch braucht. Sie können hochrechnen, bei 75 Einsätzen im Jahr 2012 und pro Einsatz fahren bis zu zehn Leute mit: Das sind schon erhebliche Gelder, die erforderlich sind, um uns arbeiten zu lassen. Übrigens organisiert jede Sektion alles alleine, sucht die Ziele aus, die Mannschaft, die Kontaktleute. Und sie sieht zu, dass sie Spenden bekommt. Das ist wohl das Geheimnis von Interplast mit zwölf Sektionen in Deutschland, dass wir dezentral arbeiten. Es gibt keine Zentrale, die sagt, wann welches Team wo zu sein hat.

Wie erfahren die Teams, wo Hilfe benötigt wird?
Schidelko: Wie gesagt, es braucht einen Kontaktmann. Er regelt alles Wesentliche, findet ein Krankhaus, in dem man operieren kann und das Betten zur Verfügung stellt, akquiriert Patienten. Wenn alles vorbereitet ist, packt das Team die Koffer - und fliegt los.

Ihre Sektion pflegt enge Kontakte nach Puma in Tansania?
Schidelko: Wir haben uns darauf spezialisiert, an ein- und dasselbe Krankenhaus zu fahren in Puma. Wir haben uns den OP eingerichtet, die Narkosegeräte stehen da: Das wurde alles nach und nach durch Spenden ermöglicht, wofür wir sehr dankbar sind. Inzwischen hatten wir in Puma über 30 Einsätze. Das Puma-Projekt besteht schon seit 30 Jahren durch die Kirchengemeinde Selhof. Wir Interplastler sind quasi aufgesprungen vor neun Jahren. Genau genommen waren es meine Frau und ich, wir waren dort auf einer Urlaubsreise. Zu dem Zeitpunkt hatten wir schon zwölf Jahre in anderen Ländern operiert.

Der Einsatz ist nicht nur Geben, sondern Nehmen?
Schidelko: Absolut. Wir nehmen so viel mit, das sage ich immer wieder auch den Gastgebern in Puma. Da sind die Eindrücke von den Patienten, denen die Dankbarkeit ins Gesicht geschrieben ist, die Fürsorge der Gastgeber, die Herzlichkeit, mit der wir empfangen werden. Es gibt so viele Momente. Etwa eine Frau, eine Lehrerin, ihr Gesicht war nach einem Unfall schrecklich entstellt. Und sie wäre binnen weniger Tage gestorben. Wir haben operiert. Ein Jahr später kam sie auf mich zu, eine hübsche, agile Frau. Solche Begegnungen bleiben haften.

Was steht im Jahr 2013 an?
Schidelko: In Puma sind wieder acht oder neun Einsätze geplant. Wir breiten uns auch nach dem Schneeballsystem aus. So hatten wir anfangs eine Gynäkologin mitgenommen. Nun plant sie eigene Einsätze. Ähnliches gilt für einen Augenarzt, einen Allgemeinchirurgen, einen orthopädischen Chirurgen und einen Zahnarzt.

Die Jahrestagung findet statt am Freitag, 8., und Samstag, 9. März. Schwerpunktthema ist Indien. Zum Symposium mit Vorträgen am Samstag ab 9 Uhr sind auch Nichtmitglieder willkommen.

Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.interplast-germany.de.

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