Gespräch am Wochenende Gegen den Teufelskreis

Der erste Dienstag im Juni ist stets der "Aktionstag gegen den Schmerz". Im Cura-Krankenhaus in Bad Honnef führt Chefarzt Stefan Wirz (51) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Schmerzgesellschaft am kommenden Dienstag ein Patientenforum durch.

 Rückenprobleme gehören in Deutschland zu den häufigsten Schmerzursachen.

Rückenprobleme gehören in Deutschland zu den häufigsten Schmerzursachen.

Foto: dpa-Zentralbild

Mit dem Privat-Dozenten und Facharzt für Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Palliativmedizin sprach Roswitha Oschmann.

Die Bläck Fööss sangen zu ihrem 40-jährigen Bühnenjubiläum "He deit et wih un do deit et wih" und erinnerten sich jener Zeiten, als sie noch nicht die Molesten des Alters kannten. Wen sprechen Sie mit dem Aktionstag an? Die Bläck Fööss, denen es mal hier und da wehtut?

Stefan Wirz: Warum eigentlich nicht? Nein, Spaß beiseite. Wir sprechen Menschen an, bei denen der Schmerz seine Schutz- und Warnfunktion verloren hat und einen eigenen Krankheitswert eingenommen hat. Bei lang dauernden oder unzureichend behandelten Schmerzen besteht die Gefahr einer sogenannten Schmerzkrankheit. Mediziner nennen diesen Prozess "Chronifizierung". Diese kann bei verschiedenen Schmerzarten eintreten. Beispiele sind Wirbelsäulenschmerzen, chronischer Schmerz nach Operationen, Schmerzen bei Nervschädigungen oder die Fibromyalgieerkrankung. Dabei geraten Menschen in einen Teufelskreislauf aus Schmerz, Vermeidung von Bewegung, Schlaflosigkeit und Rückzug aus vielen Bereichen des Lebens. Viele können sich aus diesem Kreislauf nicht befreien und münden in Hoffnungslosigkeit und Depression, welche schlussendlich zur Aufrechterhaltung des Schmerzes beitragen.

Steigt die Zahl der Patienten? War das Thema "Schmerz" lange ein Stiefkind der Medizin?

Wirz: Menschen mit chronischem Schmerz gab es sicherlich schon immer. Lange Zeit gab es einfach keine Wahrnehmung dazu, bei Ärzten, Pflegenden oder im Gesundheitssystem überhaupt. Daten zur Häufigkeit dieser Erkrankung gab es praktisch nicht. So wurde erst im vergangenen Jahr die Zahl von 2,2 Millionen Schmerzkranken in der Bundesrepublik veröffentlicht, der nur ein unzureichendes Angebot von Schmerzmedizinern, geschweige denn Schmerzabteilungen in Krankenhäusern, entgegensteht. So wird nur ein Drittel dieser Patienten überhaupt ärztlich behandelt. Das Thema Schmerzmedizin war also lange Zeit vernachlässigt, wird aber seit Kurzem verstärkt wahrgenommen. So ist beispielsweise nun Schmerzmedizin ein Pflichtfach in der studentischen Ausbildung, was Hoffnung gibt.

Welche neuen Behandlungsmethoden stehen zur Verfügung?

Wirz: In den vergangenen Jahren hat sich das sogenannte "Multimodale Konzept" zur Behandlung schmerzkranker Patienten entwickelt. Es sieht vor, dass verschiedene Fachrichtungen jeweils aus ihrem Blickwinkel heraus eine gemeinsame Behandlung planen und durchführen. Ziel ist, die Schmerzen zu vermindern, die Beweglichkeit wiederherzustellen und den Patienten eine Hilfe anzubieten, mit der er wieder in sein soziales System zurückfinden kann.

Was erwartet die Teilnehmer am Dienstag im Cura-Krankenhaus?

Wirz: Das Team der Schmerzabteilung stellt sich mit seinen verschiedenen Therapieansätzen vor. Wir wollen die Besucher bewegen - mit Vorträgen, aber auch mit Übungen. Außerdem wollen wir erklären, wie es zu chronischem Schmerz kommt. Es wird sich nicht um Fachchinesisch handeln, sondern eine praktische Vermittlung des multimodalen Konzeptes, welches in unserer Klinik durchgeführt wird.

Aktionstag gegen den Schmerz, Dienstag, 2. Juni, 16 bis 18 Uhr, im Cura-Krankenhaus, Schülgenstraße 15. Anmeldungen unter Tel. 0 22 24/7 72 11 76, die Teilnahme ist aber auch ohne Anmeldung möglich.

Zur Person

Stefan Wirz (51) ist seit 2008 Chefarzt der Abteilung für Anästhesie, Interdisziplinäre Intensivmedizin, Schmerztherapie und Palliativmedizin des Cura-Krankenhauses in Bad Honnef. Der international anerkannte Fachmann machte 1983 am Sibi das Abitur und studierte Medizin in Bonn. Nach vier Jahren als Assistenzarzt am Honnefer Krankenhaus war Wirz an der Uni-Klinik Bonn und für ein Jahr auf der Palliativstation des Malteser-Krankenhauses tätig, ehe er als Chefarzt in seine Heimatstadt zurückkehrte. Seit 1999 ist er Lehrbeauftragter an der Uni Bonn. Der Autor zahlreicher Fach- und Buchveröffentlichungen zum Thema Schmerz ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Seine Hobbys sind Laufen, Tennis, Literatur und Musik.

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