Wildtierstation in Aegidienberg Helfen und Hoffen auf dem Retscheider Hof

Siebengebirge · GA-Redakteurin Heike Hamann hat im Rahmen der Aktion "Zeit schenken" bei der Wildtierstation Retscheider Hof in Aegidienberg ausgeholfen. Sie kümmert sich um einen verletzten Fuchs und lernt, dass es für die Tiere nicht immer ein Happy End gibt.

 Körperlich anstrengend wird die Arbeit auf dem Retscheider Hof beim Misten.

Körperlich anstrengend wird die Arbeit auf dem Retscheider Hof beim Misten.

Foto: Frank Homann

Nach Besuch steht Henriette an diesem Morgen nicht der Sinn. Die Hängebauchschweindame hatte Melone zum Frühstück, jetzt liegt sie entspannt in ihrer Box auf dem Retscheider Hof in Aegidienberg und döst vor sich hin. Zwergziegenbock Rian hingegen gibt den Charmeur. Zutraulich streckt er seinen Kopf durch das Gitter der Stalltür und lässt sich ausgiebig kraulen. „Ein Satansbraten“, sagt Stefanie Huck. Aber es klingt nicht böse.

„Der hat mich richtig Nerven gekostet.“ Mehr als zwei Monate sind seit meinem ersten Besuch auf der Wildtierstation von Huck und ihrem Lebensgefährten Nils Michael Becker vergangenen. Der heutige steht unter anderen Vorzeichen: „Zeit schenken“ heißt es – und das bedeutet, sich um in Not geratene Wildtiere zu kümmern.

19 Wildtiere leben auf dem Hof

Kalt ist es. Innerlich gratuliere ich mir zu der Entscheidung, ein zweites Paar Socken und lange Unterwäsche anzuziehen. Huck hingegen scheint nicht zu frieren. Vielleicht liegt das daran, dass die 48-Jährige an diesem Morgen bereits um 7.30 Uhr ihren ersten Rundgang über den Hof und die Felder absolviert hat. „Nicht bereits. Erst“, korrigiert sie mich. „Denn wir sind quasi in der Winterpause.“ Die definiert sich im Wesentlichen durch eine ungestörte Nachtruhe: Durchschlafen von etwa 23 Uhr abends bis sieben Uhr morgens, ohne zum Beispiel Wildkatzenjungen alle anderthalb Stunden die Flasche geben zu müssen. Das erwartet Huck erst wieder im Frühjahr.

Insgesamt 19 Wildtiere leben derzeit auf dem Retscheider Hof, darunter acht junge Wildkatzen, die zu spät im Herbst geboren wurden, um sie noch vor dem Winter auszuwildern, ein Iltis, ein Siebenschläfer, der sich bereits in den Winterschlaf verabschiedet hat, Igel und drei Füchse. Nicht zu vergessen die Ponys, Schafe, Ziegen und Gänse, Hunde und Katzen, Marderhund „Nukki“, Henriette und Rian. In Hochzeiten sind es noch viele mehr. Heu, Hähnchenmägen, Mäuse und Lachs hat die 48-Jährige bereits je nach Gusto an alle verteilt. Und ich bin ein Stück weit dankbar, dass mein Einsatz erst im Anschluss beginnt.

Sorge um mögliches Fieber beim Fuchs

Wir gehen in den Stall. In der Nacht hat es einen Neuzugang gegeben. In einem Keller in Troisdorf hatte ein Ehepaar einen kleinen, von Räude befallenen Fuchs entdeckt und sich an den Retscheider Hof gewendet. Die Nacht hat der kleine Kerl in einer mit Tüchern ausgelegten Box verbracht samt Futter, Wasser und einer ersten Dosis Spot-on gegen die Parasiten. Huck hält mir die Einweghandschuhe hin, hebt den Deckel der Box und wirft einen prüfenden Blick auf das geschwächte Tier. Der Großteil seines Körpers ist mit Krusten und Borken bedeckt, das Fell, so noch vorhanden, stumpf und struppig. Doch die Räude macht Huck die wenigsten Sorgen. „Er hat in der Nacht viel Wasser getrunken“, sagt sie. „Das deutet darauf hin, dass er Fieber hat.“

Eine Stuhlprobe soll genauen Aufschluss geben, das Röhrchen geht noch am gleichen Tag zur Untersuchung ins Labor. Auch das gehört für Huck zum Alltag. „Zum einen müssen wir natürlich genau wissen, was mit den Tieren los ist, um sie entsprechend versorgen zu können.“ Zum anderen aber sei das auch Teil der Aufklärungs- und Forschungsarbeit, die sie auf dem Retscheider Hof leisteten. „Es ist wichtig zu wissen, was da draußen los ist.“

"Hier ist nicht Disneyland"

Allein bis zu 1500 Euro Laborkosten pro Monat fallen in der Hauptsaison schon einmal an. Futter, Medizin und vieles mehr kommen hinzu. Finanziert wird das alles größtenteils über Spenden. „Anfang des Jahres machen wir Kassensturz“, sagt Huck. „Dann sehen wir, wie hoch unser Etat für das Jahr ist, wie viele Tiere wir aufnehmen können.“ Eine Rechnung mit „spitzem Bleistift“, wie sie sagt.

Für den Fuchs heißt es jetzt Quartierwechsel in eine neue Box mit frischen Tüchern, Futter und Wasser. Die alten Decken werden entsorgt. Alle drei bis vier Stunden wird Huck diese Prozedur jetzt wiederholen, bis das Tier über den Berg ist. Oder aber nicht. „Hier ist nicht Disneyland“, sagt sie. „Es gibt nicht immer ein Happy End. Wir geben auf der Station für die Tiere das Beste, tun alles für einen guten Neustart in der Natur. Aber wir können nicht alle retten. Das ist hart, dann fließen auch mal Tränen. Aber so ist es.“

Snoopys Problem mit der Hüfte

Auch Snoopy ist noch nicht über dem Berg. Der Fuchs in der Box nebenan war eigentlich ein hoffnungsloser Fall. Irgendwo im Ruhrgebiet hatte ihn jemand in einem Garten gefunden, wo er apathisch, mit stark erweiterten Pupillen lag. Und zerschmettertem Hüftgelenk. „Ein typisches Zeichen dafür, dass das Tier an einem französischen Herzwurm leidet“, sagt Huck. „Die Tiere sind stark verlangsamt in ihren Reaktionen, was wahrscheinlich dazu führte, dass Snoopy von einem Auto angefahren worden ist.“

Den Parasiten hätten sie mittlerweile gut im Griff, bleibt das Problem mit der Hüfte. Huck hat seine Röntgenbilder an einen Tierarzt geschickt, der auf hoffnungslose Fälle spezialisiert ist. „Wenn er sagt: Ich bekomme ihn wieder hin, ist alles gut. Wenn nicht, können wir ihn nicht retten.“ Ich kehre das alte Stroh aus seiner Box, streue neues hinein, verpasse Snoopy mit Hucks Hilfe eine Dosis Spot-on in den Nacken. Das Tier schaut uns an, die schwache Hüfte zittert ein wenig. Und in diesem Moment wünsche ich Snoopy aus ganzem Herzen ein Stückchen Disneyland.

In der Adventszeit besuchen Redaktionsmitarbeiter soziale Einrichtungen und berichten darüber in der Serie „Zeit schenken“. Vorschläge an siebengebirge@ga.de

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