Holocaust-Zeitzeugin besucht Bad Honnefer Schule „Ihr müsst mir alle versprechen, dass ihr den Holocaust nicht vergesst“

Bad Honnef · Die 92-Jährige Penina Katsir wurde während des Zweiten Weltkriegs als Jüdin verfolgt und aus ihrer Heimat Rumänien vertrieben. 65 Jahre brauchte sie, bevor sie darüber sprechen konnte. Am Freitag, dem internationalen Holocaust-Gedenktag, hat sie ihre Geschichte 200 Schülern und Schülerinnen der Sankt-Josef-Gesamtschule in Bad Honnef erzählt.

Stefan Rost (li.), Schulleiter der Sankt-Josef-Gesamtschule mit Holocaust-Zeitzeugin Penina Katsir und dem Historiker Friedhelm Boll, der das Gespräch mit den Schülern und Schülerinnen begleitet und moderiert hat.

Stefan Rost (li.), Schulleiter der Sankt-Josef-Gesamtschule mit Holocaust-Zeitzeugin Penina Katsir und dem Historiker Friedhelm Boll, der das Gespräch mit den Schülern und Schülerinnen begleitet und moderiert hat.

Foto: Frank Homann

Penina Katsir wurde als junges Mädchen im Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat in Rumänien vertrieben und in ein ukrainisches Getto gebracht. Die ersten Jahre ihres Lebens in der Region Bukowina seien schön gewesen. Mit dem Überfall auf Polen 1939 habe sich über Nacht alles geändert. Die einstigen Freunde, deutsche Christen, hätten sie plötzlich mit Steinen beworfen und beschimpft, erzählt Penina Katsir am Freitag vor den Schülern und Schülerinnen der Bad Honnefer Sankt Josef Gesamtschule.

1941, nach dem Überfall der Deutschen auf die Sowjetunion, wurde Katsir mit ihrer Familie und 3000 weiteren Juden im Zug zur ukrainischen Grenze gebracht. Von dort aus mussten sie bis zum Fluss Dnister laufen. „Ich höre das Weinen und Schreien der Menschen bis heute in meinen Ohren“, sagt Katsir. Auf der anderen Flussseite, der ukrainischen Seite, kamen sie in ein Getto. Dort lebten sie und ihre Familie dreieinhalb Jahre lang. Es blieb keine Zeit, Kind zu sein, da Penina bei ukrainischen Bauern arbeiten musste. Im Gegenzug gab es zum Essen verschimmeltes, hartes Brot. Das Leben war von Hunger, Krankheiten und Temperaturen bis zu minus 38 Grad Celsius geprägt. Nach der Befreiung durch die Sowjetunion wanderte Penina Katsir nach Israel aus; der einzige Ort, an dem sie sich wohlfühlt, sagt sie.

Narben seien ihr von der Zeit geblieben: Zuhause muss es stets hell und warm sein. Weinen kann Penina Katsir bis heute nicht – auf dem Weg ins Getto durfte nicht geweint und nicht geschrien werden. Sie beneide Menschen, die weinen können.

Trotz ihrer traumatischen Erinnerung an die Deutschen steht die heute 92-Jährige mittlerweile regelmäßig auf deutschen Bühnen, um Jugendliche an den Holocaust zu erinnern. „Ich bin Überlebende. Ihr habt mich nicht getötet“, das seien die Gedanken von Penina Katsir gewesen, als sie das erste Mal wieder Deutschland betritt. Die Jugendlichen sollen lernen, keine Gleichgültigkeit bezüglich des Leidens anderer zu verspüren. Sie habe während des Vortrags das Mitgefühl der Jugendlichen gespürt. Das habe ihr gut getan. In Bezug auf den Ukraine-Krieg sagt sie dem GA: „Ich sehe mich dort mit den Menschen. Ich kenne das Leid.“

Seit mehreren Jahren ist Katsir Mitglied in der israelischen Organisation „Amcha“, die Überlebenden des Holocaust hilft. Erst durch jahrelange Therapie und die Unterstützung ihrer Tochter wurde möglich, dass sie mit 80 Jahren beginnt, von ihrer Vergangenheit zu erzählen.

Appell von Holocaust-Zeitzeugin an Bad Honnefer Schüler

„Manche haben mir erzählt, dass sie eine Träne wegwischen mussten“, sagt Tim Gretenkord, Geschichtslehrer an der Gesamtschule und Koordinator der Veranstaltung im Anschluss. Die Schüler seien von der Erzählung ergriffen gewesen, für viele sei es das erste Mal, dass sie mit einer Zeitzeugin in Berührung kommen. „Das Thema wird im Unterricht aufgegriffen, aber noch nicht genug“, sagt Frieda (15). Marie (15) hält es für wichtig, die Geschichten weiterzuerzählen, damit sie nicht vergessen werden und, dass man zu schätzen lernt, was man hat. Die Sankt Josef Gesamtschule will die Auseinandersetzung mit dem Thema künftig vertiefen. Laut Gretenkord werde momentan ein Verein gegründet, der sich mit der Bad Honnefer Geschichte im Holocaust auseinandersetzen soll. Dafür konnten bereits erste Zeitzeugen gewonnen werden.

Die Gründung des Vereins dürfte auch dazu beitragen die Bitte, die Penina Katsir am Schluss des Gesprächs an die Bad Honnefer Schüler richtete, zu erfüllen: „Ihr müsst mir alle versprechen, dass ihr den Holocaust nicht vergesst. Das darf nicht vergessen werden, damit es nicht noch mal passiert“.

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