20 Jahre Ökumenische Hospizbewegung Bad Honnef Im Alter steigt die Einsamkeit

BAD HONNEF · Franz Müntefering zu Gast in Bad Honnef: Der frühere Bundesminister für Arbeit und Soziales und heutige Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen referierte zum 20-jährigen Bestehen der Ökumenischen Hospizbewegung über "Älter werden in dieser Zeit".

Er spricht nicht nur von Überalterung, sondern auch von Unterjüngung – denn es wird immer mehr alte und immer weniger junge Menschen in unserer Gesellschaft geben. Franz Müntefering, der frühere SPD-Bundesvorsitzende und Bundesminister für Arbeit und Soziales, sprach bei der Ökumenischen Hospizbewegung Bad Honnef. Anlass war deren 20-jähriges Bestehen.

Münteferings Thema im vollbesetzten evangelischen Gemeindezentrum: „Älter werden in dieser Zeit!“ Sehr persönlich beleuchtete der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen das Älterwerden, verglich auch die Ausgangsbasis junger Menschen seiner Zeit mit der Situation junger Leute heute. Müntefering, Jahrgang 1940, konnte kein Abitur machen – der Schulweg war zu weit, der Bus hätte Geld gekostet. Mit 14 begann er seine Lehre. In dem Alter, in dem heute junge Menschen im Praktikum nach dem Studium stehen, hatte er bereits Familie. Heute machen 40 Prozent der Schüler Abitur.

Aber: „60 000 Jugendliche verlassen jedes Jahr die Schule ohne Abschluss. Eine Million zwischen 18 und 30 Jahren haben keinen Schul- und keinen Ausbildungsabschluss.“ Bildung sei aber nicht nur Qualifikation für den Job; Müntefering nannte auch den Begriff „Herzensbildung“ und hob das solidarische Engagement heraus. Er ging auch auf das Ungleichgewicht ein: „2030 haben wir zehn bis elf Millionen über 80-Jährige. Wir leben länger, werden älter. Aber die Menschen haben nicht mehr im Durchschnitt fünf oder sechs Kinder wie früher, sondern höchstens zwei.“

Den Senioren im Publikum legte er ans Herz, sich Bewegung und Begegnung zu verschaffen, um fit zu bleiben, auch als Vorbeugung gegen Demenz. „Einsamkeit ist ein Problem für ältere Menschen. Treffen Sie sich, führen Sie Gespräche. Wandern Sie, organisieren Sie gemeinsame Bewegung.“ Denn: „80 bis 85 Prozent der Älteren tun nichts.“ Müntefering: „Die meisten Menschen wollen zu Hause bleiben, wenn sie pflegebedürftig werden. Aber man muss auch sagen: Pflegen ist ein Beruf. Das mal eben als Angehöriger machen zu wollen, ist falsch.

Dafür gibt es Spezialisten. Die Hälfte der Menschen, die zu Hause gepflegt werden, holen keine Hauptamtlichen.“ Wenn nichts Medizinisches mehr gehe, komme die Hospizbewegung ins Spiel. „Sich einlassen auf den Menschen, mit ihm den Weg gehen, der mehr oder weniger lange dauert, Zeit für ihn zu haben“ – dies sei deren Gebot. 2016 seien 30 000 Menschen in stationären Hospizen gestorben. „Ganz vielen kann man dort deutlich helfen, ihren Schmerz reduzieren.“

Heute sei das Sterben ja ein bisschen ausgelagert worden. Viele hätten auch im Erwachsenenalter noch keinen Toten gesehen, die Berührung mit dem Thema werde vermieden. Müntefering sagte: „Meinen Riesenrespekt den Leuten, die anderen Leuten helfen. Sie helfen denen, die gehen und denen, die bleiben.“

Als vor 20 oder 30 Jahren die Hospizeinrichtungen Fahrt aufgenommen hatten, hieß es, die Menschen gingen ins Hospiz, damit sie sterben. Müntefering, der damals als nordrhein-westfälischer Minister zwei stationäre Hospize mitgegründet hatte, bemerkte: „Nein, sie gehen ins Hospiz, weil sie sterben!“ Er beglückwünschte die Bad Honnefer zu ihrem Jubiläum und betonte: „Ich möchte Sie ermutigen, weiterzumachen.“

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