Jugendamt in Bad Honnef Immer mehr Eltern und Kinder in Not

BAD HONNEF · Vor nicht ganz zwei Wochen hatte das Jugendamt des Rhein-Sieg-Kreises Alarm geschlagen, dass immer mehr junge Menschen auf Hilfen zur Erziehung angewiesen sind. Bad Honnef hat seit 2008 ein eigenes Jugendamt. Und ähnlich wie in Alfter, Swisttal oder Wachtberg steigen auch hier die Fallzahlen.

Statistik: Insgesamt 122 Hilfefälle weist die Statistik für 2010 aus; nicht erfasst ist laut Verwaltung die Erziehungsberatung, die von der gemeinsamen Familien- und Erziehungsberatungsstelle mit Königswinter in der Nachbarstadt angeboten und in einer eigenen Statistik zusammengefasst werde. 2008 und 2009 lag die Zahl der Fälle, die in Bad Honnef betreut wurden, noch weit geringer als 2010: Sie stieg von 37 auf 74 und nun sogar auf 122.Der Vergleich von 2009 und 2010 im Detail: Die ambulanten Hilfen stiegen von 38 auf 71, die teilstationären Hilfen von zehn auf 15 sowie die stationären Hilfen von 26 auf 36; bekanntlich sind es vor allem die stationären Hilfen, die zugleich die Kosten in die Höhe treiben. Im Vergleich von 2009 und 2010 sind die Fallzahlen insgesamt um 60 Prozent gestiegen, nachdem von 2008 auf 2009 bereits einmal eine Steigerung von 50 Prozent verzeichnet worden war.

Das Fachamt machte darauf aufmerksam, dass 2010 zugleich mehr Hilfen beendet werden konnten als in den Vorjahren. Zudem sei es möglich, dass ein junger Mensch im Laufe eines Jahres mehrere Hilfen, parallel oder auch zeitlich versetzt, in Anspruch nehme. Hinter den 2009 insgesamt bearbeiteten Hilfen verbergen sich 67 junge Menschen, hinter den 2010er Fallzahlen indes schon 96.

Ein weiterer Blick auf die Hilfezahlen zeige, dass ambulante und teilstationäre Hilfen in etwa dreimal so häufig von männlichen jungen Menschen in Anspruch genommen würden wie von Mädchen und jungen Frauen. Bei den stationären Hilfen indes sei das Verhältnis sehr ausgeglichen. In etwa gleich geblieben ist die altersgemäße Verteilung bei der Inanspruchnahme von Hilfen.

Die größte Gruppe bildeten sowohl 2009 als auch 2010 die 14- bis unter 18-Jährigen; allerdings war in dieser Altersgruppe auch der größte Anstieg der Fallzahlen zu verzeichnen. Die Zahlen zur Verteilung der Hilfen zwischen den Geschlechtern und den Altergruppen entsprächen jeweils dem Landesdurchschnitt.

  • Ambulant vor stationär: Das Verhältnis von ambulanten Hilfen zu teilstationären und stationären Hilfen lag 2010 in Bad Honnef bei 58,2 Prozent zu 41,8 Prozent. Dieses Verhältnis bilde ab, dass wie bisher die Maßgabe "ambulant vor stationär" verfolgt werde. Martini wies darauf hin, dass das Bad Honnefer Jugendamt damit gut dastehe, auch im Vergleich zu anderen Städten: "Der präventivere Ansatz erweist sich als richtig."Gleichwohl verhehlte die Jugendamtsleiterin nicht, dass die Fallzahlen Anlass zu "großer Sorge" seien und man Stellschrauben brauche, um auch in Zukunft rechtzeitig reagieren zu können. Wichtig hierbei sei ein Netzwerk von Hilfsangeboten und Institutionen. "Das Jugendamt alleine ist damit überfordert", so Martini.
  • Ursachen: Gefragt nach den Ursachen sagte Martini, dass es sich sicherlich um ein gesamt-gesellschaftliches Problem handele. Zu beobachten sei unter anderem, dass die "Bindungsfähigkeit" nachlasse. Jugendhilfeplaner Julian Schimkowski ergänzte: "Das Modell Familie zerbricht immer mehr." Immer häufiger wüchsen Kinder und Jugendliche in sogenannten Patchworkfamilien auf oder bei allein erziehenden Eltern, "oft fehlt zugleich auch die Anbindung an einen größeren Familienverbund". Dies sei allerdings nur eine von vielen Facetten, die landauf, landab zu beobachten seien.Schimkowski: "Der Druck steigt, auf jeden Menschen." Ausschussmitglied Beate Schaaf verwies darauf, dass sicher auch das Vorhandensein eines örtlichen Jugendamtes selbst zur Steigerung der Fallzahlen beitrage: Durch die Nähe zum "eigenen" Amt würden Schwellen abgebaut, möglicherweise Menschen mit den Hilfen erreicht, die andernfalls nicht erreicht worden sind oder erreicht würden. Zudem sei in den Einrichtungen wie Kindergärten die Sensibilität gestiegen, nicht zuletzt durch Fortbildungen und ähnliches.

Hilfen zur ErziehungJunge Menschen, Eltern und Erziehungsberechtigte haben ein Recht auf Unterstützung durch die Jugendhilfe nach dem Sozialgesetzbuch. Die Hilfen sollen junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern, Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen und Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen.

Erzieherische Hilfen werden in vielen Problemlagen geleistet, so in Belastungs- und Krisensituationen, in denen Eltern alleine die Erziehung nicht mehr bewältigen können. Das Bündel von Hilfeangeboten ist vielfältig, reicht von Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche über Hilfen für junge Volljährige, sozialpädagogische Einzelbetreuung bis zur Erziehung in Vollzeitpflege oder in einer Tagesgruppe, Erziehungsbeistand, sozialpädagogischer Erziehungshilfe, sozialer Gruppenarbeit und vielem mehr.

Für die Beantragung, Hilfegewährung und Fortschreibung des Hilfeplanes gibt es ein verbindliches Verfahren; Entscheidungen werden mit allen am Hilfeplan Beteiligten erarbeitet. Alle Hilfen, so das Jugendamt weiter, werden regelmäßig auf ihre Wirksamkeit und ihre Zielsetzung überprüft und gegebenenfalls angepasst.

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