Bad Honnef Bad Honneferin hat Netzwerk für Menschen mit intrakranieller Hypertension gegründet

BAD HONNEF · Am Anfang war der Kopfschmerz. Er kam, ohne sich anzukündigen, und ging nicht mehr. Jennifer L. war 27 Jahre alt, als die Odyssee begann. Sie wurde von Facharzt zu Facharzt geschickt, vom Orthopäden zum Radiologen und weiter zum Augenarzt, weil sie plötzlich unter Sehstörungen litt.

 Auch der Sehnerv wird geschädigt: Jennifer L. bei einer speziellen Untersuchung.

Auch der Sehnerv wird geschädigt: Jennifer L. bei einer speziellen Untersuchung.

Foto: Frank Homann

Physiotherapeuten massierten sie, weil Kopfschmerzen doch immer Verspannungen als Ursache haben. Der Apotheker empfahl ein Medikament, um den Kopfschmerz endlich zu vertreiben - und machte es damit noch schlimmer.

All das war im September 2012. Da wusste noch niemand: Die Bad Honneferin leidet unter einer intrakraniellen Hypertension. Eine Erkrankung, die selten ist. Es heißt, nur 800 Menschen erkranken in Deutschland jährlich daran. Frauen sind dabei acht Mal häufiger betroffen als Männer. Weil Jennifer sich nicht nur krank, sondern auch allein fühlte, suchte sie im Internet nach Leidensgenossen, nach Tipps, nach Fachleuten - vergeblich.

Deshalb gründete sie mit ihrem Mann Andreas die erste offizielle Anlaufstelle für Betroffene - den gemeinnützigen Verein Deutsche Gesellschaft für intrakranielle Hypertension. Zum weltweiten Tag der seltenen Krankheiten am kommenden Freitag hat die Vereinigung ihren ersten Flyer herausgebracht, der bundesweit verteilt wird.

Anderthalb Jahre sind seit Jennifers Diagnose vergangen. Aller Voraussicht nach wäre sie heute blind, hätte sie nicht eines Tages bei einem Neurologen in der Bonner Universitätsklinik gesessen. Das war ihre Rettung. Er überprüfte den Hirndruck, entnahm per Lumbalpunktion Nervenwasser aus dem Wirbelkanal und kam zu dem Krankheitsbefund mit dem sperrigen Namen. Der Kopfschmerz verging nach ein paar Tagen, das Augenflimmern blieb deutlich länger.

Der Sehnerv erhole sich nur langsam, erklärten sie. Und je später die Krankheit erkannt werde, desto länger bleibe die Sehminderung. Gerade bei Männern zählt jede Woche: Sie erblinden schneller als Frauen. Doch erkannt wird die Krankheit eben sehr selten.

Der Bad Honnefer Verein leistet seitdem Aufklärungsarbeit, vernetzt zurzeit 200 Betroffene (davon 15 zahlende Mitglieder), baut Kontakte zu Ärzten und Krankenhäusern auf, organisiert bundesweite Treffen, wirbt bei Google. Das ist nur möglich, weil die Internet-Suchmaschine den Verein mit 10.000 Euro Werbebudget unterstützt. Jennifers oberstes Ziel: "Die Krankheit soll bekannter werden, damit die Betroffenen nicht dieselbe Odyssee durchmachen müssen wie ich."

Viele Stunden ihrer freien Zeit investieren sie und ihr Mann für den Verein. "Man fühlt sich bei chronischen Krankheiten machtlos", sagt die 29-Jährige, "aber so können wir gezielt etwas dagegen tun."

Die Krankengeschichte der studierten Bankkauffrau hat sich mittlerweile zum Besseren entwickelt. Neun Monate war sie anfangs krankgeschrieben, heute kann sie wieder arbeiten. Anfangs nahm sie täglich acht Tabletten, heute sind es noch zwei. Anfangs schmerzte ihr Kopf ununterbrochen, heute noch alle drei, vier Tage. Alle drei Monate unterzieht sie sich der schmerzhaften Lumbalpunktion.

Die Vereinsgründer sehen sich auf einem guten Weg. Selbst den Kampf mit der Krankenkasse habe sie vorerst für sich entschieden, sagt Jennifer. Wie bei anderen seltenen Krankheiten werden keine Medikamente explizit für die Behandlung der intrakraniellen Hypertension entwickelt, und die Krankenkasse zahlt keine sogenannten Off-Label-Medikamente, obwohl deren positive Wirkung im Fall vieler Betroffener nachgewiesen werden konnte.

Nun hat die Versicherung eingelenkt: Über sechs Monate hinweg trägt sie die Kosten für Linders Medikamente, die jährlich mit 1000 Euro zu Buche schlagen. "Am besten ist es, in Deutschland gar nicht krank zu werden", resümiert Jennifer bitter.

Weitere Informationen über die Krankheit und die Anlaufstelle für Betroffene: www.ihev.de

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