Soziales Engagement in Bad Honnef Menschlichkeit in Kisten

Bad Honnef · 900 Kilo Lebensmittelspenden, verpackt in Boxen, holen die Helfer der Bad Honnefer Tafel an einem Tag bei Supermärkten ab. Später verteilen sie die Waren an Bedürftige. GA-Redakteurin Claudia Sülzen hat dabei geholfen - eine Reportage.

 Eingespieltes Team: Die Tafel-Helfer sortieren Lebensmittel. GA-Redakteurin Claudia Sülzen (Mitte) hilft beim Tragen.

Eingespieltes Team: Die Tafel-Helfer sortieren Lebensmittel. GA-Redakteurin Claudia Sülzen (Mitte) hilft beim Tragen.

Foto: Frank Homann

Es gab schon weit schlechtere Tage für die Bad Honnefer Tafel. Kiste für Kiste füllen die Helfer mit Gemüse und Obst, „gerade im Winter ist das doch so wichtig“, sagt Petra Kunau-Goertz. Mehr Kartoffeln könnten sie gebrauchen. „Die sind beliebt. Aber so viele frische Sachen haben wir beileibe nicht immer“, ergänzt Dagmar Neugebauer. Währenddessen hieven Heinz Lemaire, Helmut Hähnlein und Peter Reimers, an diesem Tag die Fahrer, gut gefüllte Boxen durch den Seiteneingang. Es ist Montagmorgen, und die Zeit drängt. In wenigen Stunden werden die Lebensmittel verteilt – an Menschen, die ohne die Tafeln und deren Spender nicht über die Runden kämen.

Bloß nicht im Weg stehen, das ist mein erster Gedanke. Der zweite: Bewundernswert, was hier ohne viel Aufhebens oder jede persönliche Eitelkeit geleistet wird. „Wir tun etwas extrem Sinnvolles, und das sehr gerne“, sagt Friedhelm Staudt, dritter im Tafel-Leitungsteam der Arbeiterwohlfahrt (Awo).

Kurz nach zehn Uhr. Gut ein Dutzend Ehrenamtliche schuften, was das Zeug hält. Jede Tomate oder Banane nimmt das eingespielte Team der Morgenschicht in die Hand, entfernt Umverpackungen, kontrolliert die Qualität. Den „geschulten Hausfrauenblick“ nennt das Lemaire augenzwinkernd, aber es steckt viel Wahres darin. Die Empfänger erhalten nichts, was nicht noch auf den eigenen Tisch käme. Wurst und andere verderbliche Waren, die bis zur Ausgabe im Kühlschrank lagern, werden auf Mindesthaltbarkeit überprüft. Schließlich kann das, was jetzt noch gut und unbedenklich ist, montags darauf verdorben sein.

Acht Geschäfte haben die Fahrer seit acht Uhr angesteuert und den Kühltransporter, der auch von den Königswinterer Tafel-Kollegen genutzt wird, mit 900 Kilogramm Lebensmittelspenden gefüllt. Wird der Wagen nicht gebraucht, steht er bei der Bad Honnef AG. Lemaire: „Die Mitarbeiter verwalten auch den Schlüssel. Das hilft uns sehr, es spart Zeit und Wege.“ Vier weitere Discounter zwischen Beuel und Dollendorf folgen. Da kann ich mit anpacken. Die Fahrer leisten Knochenarbeit, und es ist beileibe nicht immer appetitlich.

„Ist bestimmt nicht mehr alles gut. Ich hatte noch keine Zeit, das durchzusehen“, entschuldigt sich der Mitarbeiter eines Marktes. Die Waren gehen aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr in den Verkauf: Ein fauler Apfel in einem Paket mit ansonsten unbedenklichem Obst oder die begrenzte Haltbarkeit bei Joghurt machen Nahrungsmittel zum Ausschuss der Überflussgesellschaft. Und so landet schon bei der ersten Kontrolle vieles im Müll, zwei große Tonnen füllen sich allein an einem Markt. „Ich verstehe nicht, warum alles in Plastik eingepackt ist. Die Sachen verderben viel schneller“, ärgert sich Hähnlein über Salat, der auf den ersten Blick frisch erscheint, an der Unterseite aber faul ist.

Ein Landwirt steuert Kartoffeln bei

Die Kluft zwischen Überfluss und Armut wird greifbar in diesem Moment. Nahrungsmittel landen in der Tonne, während weltweit und auch in unserer Nachbarschaft Menschen Not leiden. Zugleich sind die Awo-Helfer dankbar für die Unterstützung der Geschäfte, Bäckereien, Herstellerfirmen oder auch eines Königswinterer Landwirtes, der immer wieder Kartoffeln beisteuert. Vor Weihnachten ist Spenden-Hochzeit. 58 Boxen füllten sich bei der Aktion „Ein Teil mehr“ des Leo Clubs, der Hit-Kunden um Spenden bat. Kindergärten, Schulen, Vereine und Geschäfte füllten an die 300 Kisten mit Öl, Reis, Nudeln, Thunfischkonserven, Tee und Kaffee.

280 Kilogramm Lebensmittel trug eine Frauengruppe bei, die Jahr für Jahr ihre mit den „Weight Watchers“ abgespeckten Pfunde aufwiegt. Für die Tafel ein Segen, so Lemaire: „Haltbares fällt bei den Geschäften, die uns unterstützen, halt kaum an.“ „Wir sind froh, dass wir vor Ort helfen können“, sagt Martin Dix, Aldi-Filialleiter im Mühlenbruch. Den meisten Mitarbeitern sind die Tafel-Teams bekannt, die im Wechsel die Stationen anfahren, je nach Ausgabetag. Nur einmal muss Reimers seinen Ausweis zeigen, „das erste Mal, seit ich dabei bin.“ „Brot haben wir für heute genug, darüber freuen sich morgen die Kollegen der Bonner Tafel“, sagt Lemaire.

Das Ausmaß der Not in Bad Honnef ahne ich spätestens am Nachmittag. Das zweite Tafel-Helferteam des Tages füllt Körbe, gibt die Lebensmittel an die Inhaber der von der Stadt ausgestellten Berechtigungsausweise aus. Alle Einsätze sind für Monate im Voraus geplant, viele der 35 Aktiven sind seit Gründung der Tafel vor acht Jahren dabei. Staudt: „Aber wir können immer Leute gebrauchen, die mit anpacken.“ Viele der Empfänger kennen die Helfer, sie wissen um deren häusliche Situation oder um persönliche Schicksale. Die Zahl der Hilfebedürftigen steigt ständig, bei weitem nicht nur durch die Menschen, die aus Krisengebieten geflüchtet sind.

Die Tafel-Helfer sprechen mit Respekt von "Kunden"

Vor allem Ältere schämten sich nach einem arbeitsreichen Leben, dass sie auf die Nächstenliebe anderer angewiesen sind, wissen die Awo-Mitarbeiter. „Und am Ende des Monats kommen immer mehr“, sagt Kunau-Goertz. Wenn das Geld ausgeht. Die Menschen sind für sie „Kunden“, obwohl die Tafel alles andere ist als ein Geschäft. Die Bezeichnung zeugt von Respekt gegenüber den Bedürftigen. Deren Dankbarkeit zeigt sich in Gesten und Taten. „Einmal wurde für uns gesammelt für eine Tafel Merci. Da habe ich gesagt: 'Das muss nun aber für die nächsten zehn Jahre reichen.' Dafür kommt jetzt das“, sagt Kunau-Goertz und zeigt auf eine Dose mit selbst gemachtem Gebäck.

Träger der Tafeln in Bad Honnef und Königswinter ist der Awo-Kreisverband, der die Kosten für Mieten, Fahrzeug, Versicherungen stemmt. In punkto Lebensmittel ist die Tafel auf Spenden angewiesen – und so gibt es mal mehr, mal weniger. Im Januar und Februar wird es immer besonders knapp. Aber auch dann heißt es: Anpacken für die Mitmenschlichkeit.

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