Nach Annas Tod: Pflege-Verträge verhindern Kontrollen

Bad Honnef · Es war kein Jugendhilfeausschuss wie jeder andere: Als die Mitglieder am Dienstag zusammenkamen, standen ihre Beratungen unter dem Eindruck der Details, die die Anklage gegen die Pflegeeltern von Anna vier Monate nach dem gewaltsamen Tod der Neunjährigen zutage gefördert hat.

 Amtlich versiegelt wurde die Wohnung an der Austraße nach dem gewaltsamen Tod des Pflegekindes Anna. Politik und Verwaltung diskutieren derzeit über die Konsequenzen.

Amtlich versiegelt wurde die Wohnung an der Austraße nach dem gewaltsamen Tod des Pflegekindes Anna. Politik und Verwaltung diskutieren derzeit über die Konsequenzen.

Foto: Holger Handt

Anklage gegen Pflegeeltern: Schwere Misshandlung Schutzbefohlener in mindestens 55 Fällen, teils in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung sowie im letzten Fall mit Todesfolge, das wirft die Staatsanwaltschaft den Pflegeeltern vor - allesamt Details, die die Menschen "sprachlos und geschockt" zurückließen, ebenso, dass "dieses Kind sich offenbar nirgendwo hin zu wenden wusste", sagte Feiden.

  • Ermittlungen: Wie mehrfach berichtet, wird nach wie vor auch gegen das für Anna zuständige Jugendamt Königswinter sowie gegen das Jugendamt Bad Honnef, wo Anna lebte, ermittelt; Ergebnisse sind laut Staatsanwaltschaft 2010 nicht mehr zu erwarten. Mitteilungen zum Ermittlungsstand seien bisher nicht bekannt, so Feiden. Dasselbe gelte für eine Anzeige, die laut Feiden - das habe sie aus der Presse erfahren - gegen sie als Verwaltungschefin gestellt worden sein soll. Eine Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft indes ergab am Mittwoch: Gegen Feiden persönlich wurde keine Strafanzeige erstattet.
  • Aufträge des Ausschusses: Feiden: "Die ermittelnden Behörden brauchen Zeit, um dieses unglückselige Puzzle zusammenzusetzen." Dazu gehört sicher auch, ob, und wenn ja, an welchen Stellen im Königswinterer, aber auch im Honnefer Jugendamt Fehler gemacht worden sind. Schon bevor es Antworten darauf gibt, hatte der Jugendhilfeausschuss im September in einer Sondersitzung beraten. Gefordert hatte der Ausschuss darin, dass Pflegekinder immer auch dem Jugendamt zu melden sind, in dessen Zuständigkeitsgebiet die Betreuung stattfindet.Feiden: "Wir wussten ja nicht einmal, dass es in dieser Familie ein Pflegekind gab." Zudem schrieb der Ausschuss der Verwaltung Prüfaufträge ins Stammbuch. Ziel: Abläufe im Jugendamt zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren. Feiden: "Diese Prüfung mag nicht immer zufrieden stellen, aber sie ist sehr gewissenhaft erfolgt." Gleichwohl könne sie "nur vorausschauend", da vorbehaltlich der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, erfolgen.
  • 24-Stunden-Bereitschaft: In der Tat ergaben sich nach Vorstellung des laut Jugendamtsleiterin Helga Martini ersten Zwischenberichtes in der Ausschusssitzung Fragen und Kritik, etwa zum Punkt 24-Stunden-Bereitschaft des Jugendamtes, der ebenso wie ehrenamtliche Jugendpaten von der Verwaltung für nicht umsetzbar erachtet wird. Zur Bereitschaft hieß es, Kosten von sicher 20 000 Euro pro Jahr stünden in keinem Verhältnis zu ein bis zwei Notfällen im selben Zeitraum. Martini und Fachbereichsleiterin Marion Kramer sagten, dass Mitarbeiter des Jugendamtes in die allgemeine Rathaus-Bereitschaft eingebunden seien.Dagmar Krull (FWG): "Wir brauchen hier einen Profi am Telefon, nicht das Ordnungsamt. Das darf doch nicht an 20 000 Euro scheitern." Marcelo Peerenboom (Stadtjugendring) hakte nach, ob das Jugendamt jederzeit ansprechbar sei, was Martini bejahte. Auch sei die Zusammenarbeit etwa mit der Polizei sehr gut, Vernetzung auf vielen Ebenen gegeben. Ausschuss-Mitglied Beate Schaaf brach eine Lanze für die Mitarbeiter des Jugendamtes: "Anna hat doch nicht in einem sozialen Vakuum gelebt. Jugendschutz geht uns alle an."
  • Unangemeldete Hausbesuche: Klärungsbedarf ergab sich gleichwohl auch bei der Frage der unangekündigten Hausbesuche in Pflegefamilien. In der Sondersitzung war beschlossen worden, diese künftig in den Pflegeverträgen zu verankern. Ausschuss-Mitglied Hansjörg Tamoj erinnerte daran, dass das auch für bestehende Verträge gefordert worden war - davon finde sich in der Sitzungs-Niederschrift vom 14. September, die erst am Dienstag vorgelegt wurde, aber nichts.Erste Beigeordnete Monika Oestreich: "Wir müssen erst mit den Pflegefamilien sprechen", und es gebe rechtliche Hürden. Die bestehenden Verträge, die vom Kreis übernommen wurden, könnten nur mit Zustimmung der Pflegeeltern geändert werden. Erste Gespräche hätten ergeben, dass die Forderung teils als "Schnellschuss" empfunden werde. Kramer: "Da gibt es die ganze Bandbreite von Reaktionen, von großem Verständnis bis zu Unverständnis." Tamoj pochte darauf, dass es nicht um einen Schnellschuss und nicht um "Misstrauensatmosphäre" (Martini) gehe, sondern um vertrauensbildende Maßnahmen. Tamoj: "Und es gibt eben auch schwarze Schafe, die so abgeschreckt werden." Oestreich sagte zu, man bleibe am Thema dran.

Allgemeiner Sozialer Dienst: In einem Tagesordnungspunkt ging es um 1,5 zusätzliche Stellen für den Allgemeinen Sozialen Dienst im Jugendamt. Mit Verweis auf ihre Gesamtverantwortung für den Bad Honnefer Etat empfahl Feiden - anders als die Verwaltungsvorlage - nicht 1,5, sondern nur eine Stelle aufzustocken. Dies hatte die Gemeindeprüfungsanstalt empfohlen, bestätigte Oestreich: "Die 1,5 Stellen sind zustande gekommen, weil es auch um verbesserte Standards geht." Der Ausschuss sah dies, auch unter dem Eindruck der Diskussion um den Fall Anna, wie das Jugendamt und empfahl dem Stadtrat Aufstockung um 1,5 Stellen.

Meinung Lesen Sie dazu auch den Kommentar " Keine Hexenjagd"

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