Ausstellung im Kunstraum Bad Honnef Naturinspirierte Traumbilder von Angela Kiersch

BAD HONNEF · Die auflösende Ordnung der Dinge, der Verfall und das Vergehen – um nichts Geringeres kreist das Werk der Naturbildhauerin Angela Kiersch. Die Natur, den Ausgangspunkt ihres kreativen Schaffens, begreift sie jedoch nicht als ästhetischen Selbstzweck, sondern als Material, dessen Vielseitigkeit sie sich stets aufs Neue bedient.

 Ein Panoptikum naturinspirierter Traumbilder: Angela Kiersch nennt ihre Arbeiten „Aufgehoben“.

Ein Panoptikum naturinspirierter Traumbilder: Angela Kiersch nennt ihre Arbeiten „Aufgehoben“.

Foto: Frank Homann

„Es geht mir mehr um die Prozesse des Vergehens, an die ich anknüpfe, als der Natur selbst eine Bühne zu geben", so die Künstlerin. Verwelktes, im Verfall Begriffenes zeichnet daher ihre plastischen Konstruktionen aus: Kiefernnadeln zählen zu ihren Lieblings-Versatzstücken, aber auch Efeubeeren, Äste und Dornenranken finden sich in ihren Werken wieder. Unter dem Titel „Aufgehoben“ stellt die 58-Jährige nun im Kunstraum am Rathausplatz einen Querschnitt ihres Œuvres aus. Zu sehen gibt es dabei nicht, wie ihr oft fälschlich unterstellt wird, die Poesie der Natur, sondern Kierschs ganz eigene, filigrane Poesie über die Natur.

Wie die gespenstischen Skelette vorbeihuschender Luft-Fische wirken die acht „Riggs“, die, aus Dornengestrüpp und feinem Metalldraht zusammengebaut, von der Decke des Kunstraums herabhängen, der Schwerkraft scheinbar trotzend. In einer anderen Ecke des Raumes schwebt der „Parasol“ auf Brusthöhe, der ursprünglich nur aus sorgsam verflochtenen Nadelholzästen bestand, die sich gegenseitig stabilisierten, bis aufgrund der Luftfeuchtigkeit ein wenig Draht dazukam.

Völlig ohne Hilfsmittel kommen hingegen noch immer die „Fraktale“ aus – chemischen Molekülen ähnelnde Gebilde aus Nadeln und Beeren. „Es ist nichts verfremdet, sondern die Beeren wirken wie ein natürlicher Klebstoff“, erklärt Kiersch das Prinzip hinter der selbsttragenden Struktur. „Ich versuche, den Punkt auszureizen, an dem das Ganze kurz davor ist, zusammenzuklappen.“

Wer durch Kierschs Panoptikum naturinspirierter Traumbilder wandelt, dem mag das ein oder andere Kunstwerk auf kuriose Weise bekannt vorkommen. Kein Zufall: Ihre Werke stellen oft „biomorphe Formen in Anlehnung an aus der Natur Bekanntes“ dar, so die Künstlerin – „fremdartige Vertrautheit“ nennt sie das. Das Kiefernnadel-Trio „Mom“, „Dad“ und „Good Boy“ erinnert an Anemonen oder Vogelnester, die „Druse“ aus Wolle und Nadeln sieht ihrem echten Kristall-Pendant verwunderlich ähnlich. In ihrem „Laboratorium“, so hat Kiersch ihr Atelier in Neukirchen-Vluyn scherzhaft getauft, experimentiert und kombiniert sie so lange, bis sie dem Bedeutungslosen, Verfallenen wieder eine völlig neue Bedeutung gegeben hat.

Der Titel der Ausstellung, „Aufgehoben“, ist daher in doppelter Hinsicht Programm. Nicht nur, erklärte Kunsthistorikerin Heidrun Wirth in ihrer Einführungsrede, arbeite Kiersch mit Materialien, die sie am Wegesrand oder um ihre Ferienhütte in Kernten herum auflese, sondern sie hebe zudem den Verfall der Materialien auf, indem sie sie zu einer neuen Form zusammenfüge.

Interpretationsspielraum ist dabei nicht nur erwünscht, sondern beabsichtigt: Ob die Dornen-und-Draht-Gebilde wie Geisterfische oder doch eher wie die Takelage eines Segelschiffes, nach der sie benannt sind, erscheinen, bleibt dem Betrachter stets selbst überlassen. Denn gute Poesie gibt ihrem Leser nicht eindeutig vor, wie sie zu verstehen ist. Ohne Zweifel: Kunst- und Naturfreunde gleichermaßen sind in dieser Ausstellung der besonderen Art bestens aufgehoben.

Die Werke von Angela Kiersch sind noch bis Sonntag, 6. November, im Kunstraum am Rathausplatz zu sehen. Geöffnet hat die Galerie donnerstags und freitags von 16 bis 19 Uhr sowie an Samstagen und Sonntagen von 10 bis 13 Uhr.

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