Interview "Frauen im Stress" „Nein sagen funktioniert nicht auf Knopfdruck“

BAD HONNEF · Die Diplompsychologin Bettina Eschrig bietet in Königswinter das Seminar "Mal runterkommen" für Frauen an.

 Bettina Eschrig leitet das Seminar „Mal runterkommen“ für Frauen.

Bettina Eschrig leitet das Seminar „Mal runterkommen“ für Frauen.

Foto: Margit Warken-Dieke

Zwischen Job, Kinderbetreuung und Kita-Terminen rät Bettina Eschrig Frauen, sich nicht allzu sehr stressen zu lassen. Wie das gehen könnte, darüber sprach die 54-Jährige im Interview mit Margit Warken-Dieke.

Warum fällt es Frauen schwer, mal „runterzukommen“, mal ein bisschen langsamer zu machen?
Bettina Eschrig: Das hat verschiedene Gründe. Zum einen hat sich unser Lebenstempo insgesamt erhöht – verglichen zum Beispiel mit der Generation unserer Eltern. Zum anderen sind es immer noch meistens die Frauen, die die Doppelbelastung – Beruf auf der einen Seite, Familie auf der anderen – zu schultern haben. Dann jonglieren sie ganz schön mit den Terminen und Verpflichtungen.

Was unterscheidet die Frauen in diesem Punkt von den Männern?
Eschrig: Für die Männer ändert sich nach der Geburt der Kinder in der Regel weniger. Sie gehen weiterhin Vollzeit arbeiten und sind meist nur abends zu Hause bei der Familie. Viele Frauen kehren aber nach der Babypause in Teilzeit in den Job zurück und teilen ihre Zeit zwischen den Bereichen Familie und Job auf. Das wird dann anstrengend. Familien, in denen beide Partner in Teilzeit arbeiten und sich zu gleichen Teilen um die Kinder kümmern, sind die Ausnahme.

Ist es auch eine Typsache, ob die Frau sich allzu sehr stressen lässt, oder nicht?
Eschrig: Ja, das ist es. Frauen, die sich besonders stark mit anderen Frauen vergleichen, fühlen sich auch besonders stark unter Druck. Das gilt nicht nur für den Job, sondern besonders in Sachen Kindererziehung – und sogar beim Haushalt. Mütter schauen auf andere und machen sich Sorgen, dass sie das Kind im Vergleich zu wenig fördern, dass sie sich zu wenig in der Kita oder der Schule engagieren. Hinzu kommen noch die Wünsche und Ansprüche anderer.

Wie läuft das?
Eschrig: Die Mütter werden zum Beispiel in der Kita gefragt, ob sie nicht auch mal einen Kuchen fürs Fest backen können. Oder die Lehrerin merkt an, dass es schön wäre, wenn jede Mutter mal zu einem Ausflug mitkäme. Diesen Ansprüchen versuchen die Mütter dann zu genügen. So kommt ein Termin zum anderen, und manchmal wird es einfach zu viel.

Gibt es einen Ausweg?
Eschrig: Den gibt es. Viele Frauen müssen lernen, Nein zu sagen. Am Anfang fällt es schwer. Aber je häufiger es praktiziert wird, desto leichter wird es auch.

Wie lernt frau das?
Eschrig: Das geht nicht auf Knopfdruck. Zunächst einmal muss sich die Frau bewusst werden, was ihr Problem ist und was sie ändern möchte. Wenn sie sieht, dass sie Schwierigkeiten mit dem Neinsagen hat, dann kann sie auch daran arbeiten und es üben. Für die Frauen ist wichtig zu wissen: Irgendwas lässt sich immer verändern, wenn ich es wirklich will.

Was hilft sonst noch beim „Runterkommen“ und der überall herbeigesehnten Entschleunigung?
Eschrig: Nach dem lange als effektiv propagierten Multitasking empfehlen viele Fachleute aufgrund von neuen Ergebnissen der Hirnforschung heute eher das Monotasking. Studien haben ergeben, dass wir – von unserem Gehirn her – nicht gleichzeitig verschiedene Dinge tun können, die geistige Tätigkeiten erfordern. Wir springen dann mit unserer Gehirntätigkeit nämlich eigentlich ganz schnell hin und her zwischen den verschiedenen Tätigkeiten. Das erhöht zum Beispiel die Fehlerhäufigkeit und ermüdet den Betroffenen schneller als üblich. Wer ständig gestresst ist und „unter Strom“ steht, ist natürlich auch kein gutes Vorbild für seine Kinder. Besser ist es, sich auf eine Sache zu konzentrieren, diese zügig, aber nicht gehetzt, abzuschließen und dann gegebenenfalls die nächste anzugehen. Natürlich lässt es sich nicht immer vermeiden, zwei Dinge auf einmal zu tun, wie auf das Kind aufzupassen und zu telefonieren.

Wie bekommen Sie selbst Familie und Beruf unter einen Hut?
Eschrig: Meine Töchter sind inzwischen 20 und 22 Jahre alt und studieren beide auswärts. Unsere „heiße Familienphase“ ist also schon vorbei. Früher, als sie noch bei meinem Mann und mir gewohnt haben, war eine meiner Strategien zum Beispiel das Prioritäten setzen. Das heißt, ich habe mir und manchmal auch meinen Töchtern gesagt, dass nicht alles zur gleichen Zeit geht.

Das haben die Töchter verstanden?
Eschrig: Ja, ich habe ihnen erklärt: „Schwimmen gehen schaffen wir heute nicht mehr, aber wir schauen, wann wir es hinbekommen, zum Beispiel morgen.“ Wenn Kinder daran gewöhnt sind, das nicht immer alles sofort geht, kommen sie besser damit klar. Inzwischen wenden sie diese Strategie auch selbst an und kommen so mit Studium, Nebenjobs und so weiter gut zurecht.

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