Einsatz gegen Antisemitismus Neues Projekt erinnert an jüdisches Leben in Bad Honnef

Bad Honnef · Bad Honnef will mit einem neuen Projekt an jüdisches Leben in der Stadt erinnern. Zum Start war Sylvia Löhrmann zu Gast. Die frühere NRW-Vize-Ministerpräsidentin ist Generalsekretärin des Vereins „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.

Engagement gegen Antisemitismus: Sylvia Löhrmann, Generalsekretärin des Vereins „321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, und Bad Honnefs Bürgermeister Otto Neuhoff am Rathaus

Engagement gegen Antisemitismus: Sylvia Löhrmann, Generalsekretärin des Vereins „321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, und Bad Honnefs Bürgermeister Otto Neuhoff am Rathaus

Foto: Frank Homann

Gerahmt wurde der Termin im Rathaus von einem Gespräch mit einer jüdischen Familie sowie einem weiteren mit Schülern. Dazwischen erfuhr Staatsministerin a.D. Sylvia Löhrmann, Generalsekretärin des Vereins „321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, mehr über ein Projekt, in dem sich ein engagierter Kreis mit Vergangenheit und Gegenwart jüdischen Lebens und jüdischer Kultur in Bad Honnef beschäftigt – und das, so hieß es mehrfach, „als integrativem, bereicherndem Bestandteil“ der Stadtgesellschaft, die Antisemitismus und jede Form von Ausgrenzung verurteilt.

Die Veranstaltung, bei der sich die ehemalige Ministerin für Schule und Weiterbildung sowie stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen ins Goldene Buch der Stadt eintrug und hernach noch im Adenauerhaus Station machte, war der erste öffentliche Aufschlag des Projekts „Erinnerung und Gegenwart jüdischen Lebens in Bad Honnef“, das 2022 auch Bestandteil des Jubiläums „1100 Jahre Honnef“ sein wird.

Solidarität mit der Synagogengemeinde

Bürgermeister Otto Neuhoff zitierte eingangs aus der Resolution, die der Stadtrat als Reaktion auf den Anschlag auf die Bonner Synagoge im Mai verfasst und darin seine Solidarität mit der Synagogengemeinde und allen jüdischen Mitbürgern bekundet hatte. Die einstimmige Verurteilung des Übergriffes sei „der Beginn einer Suche“ gewesen, wie diese Solidarität auch darüber hinaus in das tägliche Leben wirken könne. Und eben dabei sei man auf das Engagement des Vereins gestoßen, dem Löhrmann vorsteht.

Dessen Generalsekretärin kam „gerne nach Bad Honnef“. Und dessen Logo ziert in Form einer Fahne nun das Rathaus – als Sinnbild auch dafür, dass Juden nicht mehr nur aus ihrer Opferrolle gesehen werden, sondern jüdisches Leben und jüdische Kultur ohne Wenn und Aber dazugehören, ohne dabei die Shoah jemals zu vergessen, so Löhrmann. Ziel des Vereins sei beides: Ein Zeichen setzen gegen Antisemitismus – denn leider gebe es auch heute wieder „viele Anlässe, genau dies tun zu müssen“ – und jüdisches Leben gestern und heute zeigen. Ein Zitat von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Schirmherr des Jubiläumsjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, mache dies überdeutlich: „Nur wenn Juden sich vollkommen sicher fühlen, ist Deutschland ganz bei sich.“

Zusätzliche Informationen an der Gedenktafel über QR-Codes

„Sie sind Teil einer großen Familie“, sagte Löhrmann. Schließlich gebe es mehr als 2000 Veranstaltungen, so Löhrmann an die Adresse von Bad Honnefern wie Professor Rolf D. Cremer, der zu den Initiatoren des Honnefer Projekts gehört. Cremers Onkel Richard Vreden hatte Ende der 1970er-Jahre die Initiative zur Synagogengedenktafel ergriffen und nicht locker gelassen, bis mit Unterstützern sowie rund 80 Geldspendern das Werk vollendet war – 40 Jahre, nachdem das jüdische Gotteshaus an der Linzer Straße während der Novemberpogrome 1938 ein Raub der Flammen geworden war. „Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist ein Verbrechen gegen uns alle“ – diese Erkenntnis habe Vreden dabei angespornt, so Cremer.

Vredens Tun wird posthum fortgesetzt, nicht alleine dadurch, dass Cremer mithilfe unter anderem von Thomas Kollritsch eine Ausstellung über die Entstehung der Gedenktafel zusammenstellte. Geplant etwa ist, an der Gedenktafel zusätzliche Informationen über jüdisches Leben einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Stichwort lautet „Zeittafel“. Eine solche und Stelen, die zusätzliche Informationen auch über QR-Codes zugänglich machen, sind einer von drei Schwerpunkten im Projekt in Bad Honnef, das Michael Lingenthal als einer der Motoren skizzierte.

Stolpersteine sind Bestandteil des Projekts

Ein weiterer Schwerpunkt, zu dem analog ebenfalls ein Arbeitskreis initiiert ist, trägt den Titel Stolpersteine. Diese und die Menschen dahinter sollen, auch digital, in den historischen Stadtrundgang eingebunden werden. Interviews mit Bürgern sollen zusätzlich den Gegenwartsbezug herstellen. Der dritte Arbeitskreis betrifft Kunst und Kultur. Neben historischen Betrachtungen sind Lesungen, Ausstellungen jüdischer und nicht jüdischer Autoren und Künstler möglich sowie Aktionen mit Bürgern.

Sich nicht zu erinnern, so Lingenthal, würde schlimmstenfalls bedeuten, Hitler und seinen Schergen zu einem „späten Triumph“ zu verhelfen. Nicht mit uns, dieses Signal ging schon von der ersten Veranstaltung aus. Was Lingenthal wichtig ist: Jeder kann mitmachen – wie die Schüler, die Löhrmann traf. Lingenthal: „Wir haben festgestellt, dass jüdische Orte und jüdische Menschen in Bad Honnef vielen nicht bekannt sind. Das soll sich ändern. Wir müssen Menschen vor dem Vergessen retten.“ Jede Erinnerung, jede Alltagsgeschichte, „derer wir habhaft werden können“, und die Gegenwart jüdischen Lebens in der Mitte der Gesellschaft sei von Bedeutung – und mehr als 1700 Jahre jüdisches Leben hinaus eine Brücke in die gemeinsame Zukunft.

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