Traditionelles Fußballspiel Nur ein Kicker vertritt das Rhöndorfer Unterdorf

RHÖNDORF · Ja, Moment mal, haben die Muschelsucher aus dem Rhöndorfer Unterdorf Weihnachten verpennt? Da herrscht am traditionellen Spieltag frühlingshaftes Fußball-Wetter wie nie zuvor - und gerade mal ein Spieler verirrt sich auf den Sportplatz von Haus Rheinfrieden.

 Eine überschaubare, dafür aber umso motiviertere Fußballer-Truppe trug das 47. Match in Rhöndorf zwischen Ober- und Unterdorf aus.

Eine überschaubare, dafür aber umso motiviertere Fußballer-Truppe trug das 47. Match in Rhöndorf zwischen Ober- und Unterdorf aus.

Foto: Frank Homann

Seit 1948 findet dort stets am zweiten Weihnachtsfeiertag das Duell zwischen Ober- und Unterdorf statt. Nach der Klatsche vom vergangenen Jahr wurde in den letzten Wochen spekuliert, in der Rheinniederung würden Neulinge rekrutiert und verdiente Fußballer reaktiviert, um die Schmach von 2014 auszubügeln. Dem Bergvolk aus dem Oberdorf sollen die Knie schon geschlottert haben.

Unterdorf-"Zeugwartin", Spielermutter Gabi Syrbe-Hornoff, deren Sohn mit Kreuzbandriss entschuldigt war, karrte zwar die feinen Trikots herbei. Aber es fand sich keiner, der sie tragen wollte. Lediglich Lucas Diegmann (17), Schüler vom Gymnasium Nonnenwerth, zeigte Kämpferherz. Er spielt gern Fußball, normalerweise Rechtsaußen. In dieser Partie hätte er jedoch elf Mann auf einmal ersetzen müssen. Die Spieler fanden eine Lösung für das Dilemma. Einige Oberdörfler entledigten sich ihrer orangefarbenen Trikots und wurden so zu Unterdörflern.

Die Partie konnte beginnen, erstmals wurde sie von Bernd Baumgarten gepfiffen. 44 Jahre war er Spielführer des Oberdorfs. Diese Position vererbte er nun an Sohn Patrick, der sich mächtig ins Zeug legte - ebenso wie sein Pendant Lucas Diegmann.

Aber schon stand es 1:0 für das Unterdorf. Wie bitte? Es ging munter weiter: 2:0, 3:0. Und dann ein 3:1: Endlich gelang dem Oberdorf ein Gegentreffer. Schon wurde im Publikum gejuxt: "Ein Mann allein besiegt das Oberdorf." 8:2, 8:3 waren Zwischenstationen, bis am Ende das Unterdorf mit 9:6 sogar gewonnen hätte. Spionage?

Ursprünglich hatte Schiedsrichter Baumgarten in Erwägung gezogen, die Tore beider Parteien zusammenzuziehen und daraus ein "Zu-Null-Ergebnis" für das Oberdorf zu machen. Strafe muss sein. Aber schließlich verkündete er laut das Endresultat: "5:5 Unentschieden!" Auch das ist nie zuvor da gewesen. Udo Krahe: "Ein Elfmeterschießen brachte bei Gleichstand immer die Entscheidung."

Das 67. Spiel war nur kurios. Droht da etwa das Ende einer Tradition? Udo Krahe, der selbst 30 Jahre mitgespielt und danach lange als "Schiri" gepfiffen hat: "Das wäre furchtbar." Er berichtete, wie anfangs der Pfarrer gegen diesen Termin an Weihnachten war, wie sich die Spieler auf der Schotterpiste verletzten oder die Finger im Eisendraht einklemmten. Auch das Rhöndorfer Regelwerk (RRW), das Schnäpse als Strafe für undiszipliniertes Verhalten vorsieht, wurde noch einmal genauestens beleuchtet an diesem Tag.

Und diese Gaudi soll vorbei sein? Udo Krahe: "Nein, das muss Motivation sein, im nächsten Jahr wieder in Mannschaftsstärke anzutreten." Die dritte Halbzeit fand dann im "Krug" statt. Wenigstens das war wie immer.

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