Fachwerkhäuser in Rheinbreitbach Schätze hinter hässlichen Fassaden

RHEINBREITBACH · Als Philipp Messingfeld 1995 das rund 400 Jahre alte Fachwerkhaus an der Westerwaldstraße kaufte, ahnte er nicht, welche Arbeit auf ihn zukommen würde. Sieben Jahre steckte er in die Sanierung, die im Grunde einer Kernsanierung entsprach: "Ohne meinen Nachbarn wäre ich wahrscheinlich immer noch nicht fertig", sagt Messingfeld heute.

 Das Haus der Familie Messingfeld an der Westerwaldstraße vor 20 Jahren.

Das Haus der Familie Messingfeld an der Westerwaldstraße vor 20 Jahren.

Foto: Messingfeld

Aus dem "Trümmerhaufen" mit Vorder- und Mittelhaus und Anbau aus den 60er Jahren entstand Schritt für Schritt ein liebevoll restauriertes Schmuckkästchen. "Nichts Gerades, nichts Perfektes, eben weit entfernt vom 08/15-Haus", beschreibt es Messingfeld. Und der gelernte Kaufmann, der dem Vorstand des Heimatvereins Rheinbreitbach angehört, hat nebenbei handwerklich einiges dazugelernt.

Die Lehren aus diesem Beispiel zog der Heimatverein unter der Überschrift "Im Dornröschenschlaf". Nicht nur altes, sondern auch junges Publikum zog es zur Veranstaltung im Burghotel Ad Sion, was Vereinsarchivar Thomas Napp mit Freude zur Kenntnis nahm: "Wir haben mit diesem großen Interesse nicht gerechnet." Das Thema deutet an: So ganz erwacht sind noch nicht alle Besitzer von Fachwerkhäusern im Ort. Nach Schätzungen von Thomas Napp könnten bis zu 50 Objekte - teilweise auch im Jugendstil erbaut - eine Restaurierung vertragen. "Manche wissen wahrscheinlich gar nicht, dass sie in einem Fachwerkhaus wohnen", glaubt Napp. Erkennbar sei die typische Architektur oft nur noch an den kleinen Fenstern und den Dachschrägen. Die hölzerne Balkenkonstruktion ist in vielen Fällen hinter Putz verborgen.

"Gerade nach dem Zweiten Weltkrieg standen diese ursprünglichen Arme-Leute-Häuser für das typisch Deutsche und waren eine Zeit lang verpönt", erklärt Napp. Sie hätten im bürgerlichen Milieu der Nachkriegszeit auch nicht im ästhetischen Trend gelegen. Später sei der Gedanke dazu gekommen, das Eigenheim durch eine verputzte Fassade zusätzlich zu isolieren.

Der Unkeler Architekt Volker Jagau zeigte im Ad Sion die häufigsten Fehler bei der Aufarbeitung der verborgenen Schönheiten auf, die vornehmlich auf das schwindende Wissen über Baustoffe in der Bevölkerung zurückzuführen seien. Die aus Holzständern und Lehmgefachen hergestellten Bauten seien einst mit eigenen Händen errichtet worden. Die Gefachfüllungen müssen mit den Holzbalken eine ebene Fläche bilden, um das Eindringen von Regenwasser zu verhindern. Auch seien, so der Architekt, farbig abgesetzte Fensterumrandungen ungünstig, weil sie das Eindringen von Wasser verstärken; bei unsachgemäßen Abdichtungen könne dieses Wasser nicht mehr austreten.

Mit Vorurteilen räumte Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher auf. Was die Innendämmung in den alten Häusern anbelangt, sei das Fachwerk nicht empfindlicher als andere Häuser und eine energetische Verbesserung auch in Eigenregie mit Dämmplatten ohne Weiteres möglich. Man benötige für solche Eingriffe entgegen der landläufigen Meinung keine Sondergenehmigungen. Eine Außendämmung dagegen, erklärte Peters, vertrage sich mit solchen Altbauten nicht, denn die brauchen "Licht und Luft".

Wenn es nach Thomas Napp geht, könnte in Rheinbreitbach mehr "Licht und Luft" nach außen gekehrt werden: "Es sind schon zu viele markante Gebäude verschwunden wie der ehemalige Margarethenhof, an dessen Stelle heute der Neubau mit der Sparkasse steht." Ein paar "Breitbacher Perlen" könnten schon noch aufpoliert werden, um dem Ort neuen Glanz zu verleihen.

Förderprogramm

Der Landkreis Neuwied fördert die ortsgerechte Gestaltung von Gebäuden und die Bepflanzung von Grundstücken. Dazu zählen beispielsweise die Sanierung von Türen, Fenstern, Klappläden, Fassaden und Balkonen, Dächern wie Gauben.

Finanziell unterstützt wird auch der Erhalt von Fachwerk (nicht aufgesetztes Fachwerk). Zu den geförderten Maßnahmen zählen ebenso das Verschönern durch Hof- und Dachbegrünung, Pflasterarbeiten und Zäune. Für eine Unterstützung muss ein Förderbescheid vor dem Beginn der Baumaßnahme vorliegen.

Informationen und Beratung gibt es bei Margit Rödder-Rasbach, Tel. 0 26 31/80 32 35, E-Mail: margit.roedderrasbach@kreis-neuwied.de.

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