Bad Honnefer Realschule Sankt Josef Schüler gestalten Gedenkfeier in Verdun

BAD HONNEF/VERDUN · Es ist ganz still. Kein fröhliches Schwatzen, keine freundschaftlichen Rangeleien wie Minuten zuvor beim Aussteigen aus dem Bus nach fast fünfstündiger Anfahrt.

 Auf dem französischen Soldatenfriedhof unterhalb des Beinhauses steht jedes Kreuz für einen Gefallenen.

Auf dem französischen Soldatenfriedhof unterhalb des Beinhauses steht jedes Kreuz für einen Gefallenen.

Foto: Claudia Sülzen

Mit ernsten Mienen und gesenkten Stimmen gehen die Schüler von Fenster zu Fenster. Dahinter: Schädel, Knochen, bergeweise. Deutsche und Franzosen, im Tode vereint: Im Beinhaus von Douaumont (Ossuaire de Douaumont) liegen die Gebeine von mehr als 130 000 Gefallenen, die nach der Schlacht bei Verdun nicht identifiziert werden konnten. Im Inneren dann: Grabplatten für gefallene Franzosen. Namen über Namen, so viele Leben, die zwischen Februar und Dezember 1916 grausam endeten. Und wofür?

Das Beinhaus, in dem einige Schüler spontan Kerzen entzünden, ist die erste Station einer Exkursion der Klasse 9 a der Bad Honnefer Realschule Sankt Josef. Mit Klassenlehrer Ernst Krewel und Geschichtslehrerin Nataly Weinbeer hatte sich die Klasse bereits morgens um sechs Uhr auf den Weg nach Verdun gemacht. Begleitet wird sie unter anderem von Diether Habicht-Benthin, Vorsitzender der Initiative Wirtschaft für Bad Honnef und Organisator der Fahrt, und seinem Vize Konrad Löcherbach.

Die Exkursion ist ein Dankeschön an die Schüler für ein engagiertes Projekt: Am Beispiel des Denkmals "Der schlafende Löwe", das die Initiative Wirtschaft mit Sponsorenhilfe reinigen und versetzen lässt, hatten sie sich mit dem Kriegsgedenken auseinander gesetzt. Ihr Projekt, ein Beitrag zu Friedensarbeit und Gewaltprävention, war der Bundeszentrale für politische Bildung einen ersten Preis in einem bundesweiten Wettbewerb wert. Und die Löwen-Sponsoren, allen voran Renate Westhoven, spendierten dafür diesen ganz besonderen Schultag. Unterstützung gab es vom Aalkönigskomitee, das seinen Fokus auf Projekte zur Gewaltprävention legt und für das Erika und Fabian Ost die Tour nach Verdun ebenfalls begleiteten.

Es soll ein langer Tag werden. Der Mann, der es versteht, die jungen Leute dennoch in den Bann der Geschichte zu ziehen, die so grausam und zugleich so lehrreich für alle nachfolgenden Generationen ist, kommt aus Rheinbach. Seit gut 30 Jahren macht Peter W. Baus, Stabshauptmann a.D., Geschichte lebendig, anfangs vordringlich mit militärgeschichtlicher Weiterbildung für Soldaten, inzwischen längst darüber hinaus, mit Führungen, VHS-Vorträgen und Veröffentlichungen. "Das Gedenken an den Ersten Weltkrieg ist in Deutschland vielfach wie zugedeckt", hatte er den Schülern auf der Hinfahrt erklärt - nicht nur, aber auch, "weil er nicht auf deutschem Boden stattfand".

Ganz anders in Belgien oder in Frankreich: Dort, wo die Schüler stehen, wurden auf einem Schlachtfeld von 22 Kilometern Breite und zwölf Kilometern Tiefe etwa 362 000 französische und 337 000 deutsche Soldaten verwundet oder getötet. Gesicherte Zahlen fehlen, doch Geschichtsforscher gehen sogar von 700 000 Kriegstoten nur in und um Verdun aus. "Wenn ihr so wollt, ist das alles ein großer Friedhof", sagt Baus. Niemand wisse, wie viele Gebeine nie geborgen wurden.

Baus versteht es, die Schüler zu packen. Er zeigt Granatsplitter - "Stellt euch vor, so etwas fliegt pfeilschnell um euch herum" -, berichtet von Krankheiten wie dem "Grabenfuß", den sich Soldaten in den kalten und feuchten Schützengräben zuzogen, vom heißen Sommer und kalten Winter unter Dauerbeschuss. "Es ist ein Wunder, dass nicht alle, die wenigstens überlebt haben, verrückt geworden sind." Baus schildert die hygienischen Zustände, in denen selbst kleinere Schussverletzungen zum Tod führten, weil sich Wunden infizierten. Er berichtet von der Perversion eines Krieges, in der die Deutschen den Stahlhelm erfanden, den Flammenwerfer - und der erste Giftgasangriff stattfand. Er erinnert daran, dass 16 Ortschaften um Verdun geplündert, die Brunnen vergiftet, die Erde kontaminiert und die Dörfer schließlich zerstört wurden. Und daran, dass zwölf Orte wie Fleury-devant Douaumont nie wieder aufgebaut wurden. Auch dies ist eine Mahnung, dass so etwas nie wieder geschehen darf.

Das Fort Douaumont war ursprünglich Teil der äußeren Verteidigungslinie der Festung Verdun aus dem 19. Jahrhundert mit elf Forts und 23 Zwischenwerken und 1916 besonders schwer umkämpft. Hier zucken alle zusammen: Als Baus in den katakombenähnlichen Gängen auf eine Metallplatte tritt, scheint der Schall bis in die Eingeweide zu dringen. "So in etwa hat es sich angehört, wenn die Granaten fielen. Und das Fort stand unter Dauerbeschuss, zehn Monate lang", so Baus.

Drinnen herrscht bedrückende Enge, draußen dazu der Kontrast: Grüne Wiesen, quakende Frösche , blühende Orchideen. Doch nicht Sedimentablagerungen oder Vulkanismus formte diese sanfte Hügellandschaft, sondern Bomben und Granaten. Unvorstellbar sei diese Wucht, finden die Schüler Thomas Klinkenberg, Fabian Oehlke und Yannik Paffhausen. Hier ist die zerstörerische Kraft reell, kein Knalleffekt wie in einem Kinostreifen. "Man darf das alles einfach nicht vergessen", betonen Luise Arndt und Linda Klaric - auch dann nicht, wenn "keine Angehörigen mehr da sind, um zu trauern", und die Zeit das Vergessen fördert. "Dann müssen wir es sein, die die Erinnerung wach halten und auch weitergeben an die nächste Generation", meint Luise.

Im Fort Douaumont feiern alle eine würdevolle Gedenkfeier, mitgestaltet unter anderem von Nataly Weinbeer und den Schülerinnen Linda Klaric und Janine Hommerich. Alle legen Rosen nieder - jeder eine für einen französischen, eine für einen deutschen Soldaten.

Verdun

Verdun ist eine Stadt an der Maas (französisch Meuse) im Nordosten Frankreichs. Verdun hat heute rund 19 000 Einwohner. Die Stadt gehört zur Region Lothringen.

Der Name Verdun ist zugleich Synonym für die Grausamkeit des Ersten Weltkrieges und die tragische Ergebnislosigkeit des Stellungskriegs, der dort zwischen Franzosen und Deutschen stattgefunden hat - und das, obwohl andere Schlachten mehr Opfer forderten. Die Schlacht um Verdun begann am 21. Februar 1916 mit einem Angriff deutscher Truppen. Sie endete am 19. Dezember 1916 ohne wesentliche Verschiebung der Front.

KURZ GEFRAGT

Mit Stabshauptmann a.D. Peter W. Baus sprach Claudia Sülzen.

Was ist für Sie das Beeindruckendste in Verdun?
Peter W. Baus: Ich kann kaum noch zählen, wie oft ich in Verdun war. Trotzdem, es ist immer wieder bedrückend, das Schicksal all dieser Opfer, gleich welcher Nationalität. Jean-Claude Juncker hat es perfekt in Worte gekleidet: Wer an Europa zweifelt oder verzweifelt, der sollte auf die Soldatenfriedhöfe gehen. Persönlich beeindruckt mich die Gedenkstätte in Fort Douaumont mit der Rheinbacher Stiftung, der Bronzeskulptur "Der Abschied" des Künstlers und Pallottinerpaters Franz-Josef Ludwig. Ich war dabei, als sie 2013 unter Beteiligung der Rheinbacher Bürger eingesegnet wurde. Es war mir ein Herzensanliegen und übrigens eine ganz große Geste unserer französischen Freunde, dass das ermöglicht wurde.

Was ist Ihre Intention für Ihre Bildungsarbeit?
Baus: Die Tragödie der deutschen Soldaten der Weltkriege war doch, dass sie überwiegend in gutem Glauben, aber nicht für eine gute Sache in den Krieg zogen. Die Kriegsgräberstätten sind eine Mahnung. Wenn niemand mehr all dieser Opfer gedenkt, dann ist es für mich fast, als würden sie ein zweites Mal sinnlos ihr Leben lassen. Nur wenn wir sie nicht vergessen, ist uns ihr Opfer auch Mahnung, für den Frieden in der Welt einzutreten.

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