Abschied vom Hagerhof Schulleiterin Gudula Meisterjahn-Knebel geht in den Ruhestand

Bad Honnef · Als sie vor 22 Jahren zur Privatschule Schloss Hagerhof kam, war das Gymnasium im Umbruch. Gudula Meisterjahn-Knebel prägte die integrative Montessori-Einrichtung. Im Juli verabschiedet sie sich.

Auf dem Weg von Termin zu Termin gibt Gudula Meisterjahn-Knebel schon mal ordentlich Gas. Natürlich nur, wenn's erlaubt ist. „130 fahren, das kann ich nicht,“ sagt die 65-Jährige und lacht. Volldampf voraus. Ein bisschen gilt das für alles, was die Pädagogin anfasst. Wie am Schloss Hagerhof. 1996 wurde ihr dort die Schulleitung übertragen. Und sie hat im Schulterschluss mit Eltern, Gesellschaftern und Kollegen aus dem Hagerhof eine international be- und anerkannte Montessori-Schule mit Internat gemacht. Im Juli wird Meisterjahn-Knebel nach mehr als 40 Jahren im Schuldienst in den Ruhestand verabschiedet.

Volldampf voraus: Termine absolviert Meisterjahn-Knebel, Mitbegründerin der Organisation Montessori Europe und ab 2000 für 14 Jahre deren Präsidentin, als gefragte Expertin zur Reformpädagogik nach Maria Montessori in großer Zahl. Fürs Porträtfoto wählt sie die Bibliothek. Das sei der „schönste Raum“, „und der gehört natürlich den Kindern“. Doch auch für sie hat das Refugium besondere Bedeutung. „Hier haben sie mich bearbeitet.“

Der Schulträgerverein wollte sie unbedingt

„Sie“, das waren Eltern, die den Hagerhof retteten, nachdem die 1960 gegründete Schule ab 1990 von der Abwärtsspirale der vormaligen Betreibergesellschaft erfasst worden war. Die Lösung brachten der 1994 gegründete Schulträgerverein und neue Investoren. Die wollten die Ausrichtung nach Maria Montessori – und diese in den Händen von Meisterjahn-Knebel, eine wichtige Weichenstellung in (noch) schweren Zeiten.

Für Meisterjahn-Knebel waren die Überzeugungen der italienischen Reformpädagogin (1870 bis 1952) da längst feste Überzeugung. „Die Aufgabe der Umgebung ist es nicht, das Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren“ und „Hilf mir, es selbst zu tun“: Montessori meint Bildung und Entfaltung der gesamten Persönlichkeit, in Freiheit – nicht falsch verstanden als Zügellosigkeit, sondern in Verantwortung für sich, für alle Mitmenschen, für die Welt.

Von Summerhill zu Montessori

Die Grundpfeiler Meisterjahn-Knebels waren freilich früher gelegt: im Elternhaus, katholisch und werteorientiert, aber „offen, nie rigide, obwohl ich schon rebelliert habe“. A.S. Neills „Summerhill“ als Schule, die die Freiheit der Schüler ins Zentrum stellt, „war so etwas wie eine Bibel für mich“. Mutter und Vater, letzterer mit „Leib und Seele“ Stadtdirektor in Schleiden, unterstützten die vier Töchter stets nach Kräften.

Studium der Erziehungswissenschaften, Germanistik und Philosophie in Bonn, Referendariat ebenda am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium und vier prägende Jahre Assistenz bei Montessori-Expertin Professor Hildegard Holtstiege an der Universität Münster: Das waren einige der Stationen. Der Familie wegen kehrte die zweifache Mutter in den Köln-Bonner Raum zurück, mit Intermezzo am Hardtberg-Gymnasium. Es folgte die Arbeit an der katholischen Berufsbildenden Schule am Krieler Dom Köln („Von den Erzieherinnen dort habe ich viel gelernt“), 1994 die Promotion zur Montessori-Pädagogik am Beispiel einer weiterführenden Schule.

Per Zufall stolperte sie über das Gesuch des Hagerhofs. „Da stand: Suchen Leitung für private Montessori-Schule. Ich habe mich eigentlich nur beworben, um denen zu sagen: Das ist gar nicht Montessori.“ Der erste Rundgang „fand im Dunkeln statt, und das war wohl auch gut so. Die Schule war in einem hundsmiserablen Zustand“. Dennoch, sie blieb: „Man hat mir den Freiraum gegeben zu entwickeln, zu gestalten. Dafür bin ich ungeheuer dankbar.“ Ebenso dafür: „Meine Familie hat mich getragen, all die Jahre. Ich konnte meine Energie hier ausbreiten.“

Sie baute das Gymnasium mit Realschulzweig auf

Volldampf voraus: Aus einer Schule mit unter 300 Schülern – davon 33 im Internat, „und das waren solche, die nie aufstanden. Die habe ich morgens erst mal in den Unterricht geholt“ – wurde, parallel zu umfangreichen Investitionen, das Montessori-Gymnasium mit Realschulzweig, eine staatlich anerkannte integrative Schule mit 600 Schülern als „pädagogisch sinnvolles System“: „500 wäre optimal. Ein Schulleiter sollte alle Schüler kennen.“ Nur einer der Vorteile von Montessori: „Montessori ist international. Ihre Ideen können die Gesellschaft zum Positiven verändern.“

Ihre Konzepte für ein durchgehendes Montessori-Angebot vom Parkkindergarten Hagerhof bis zum Abschluss blieben unerfüllt. Als 2017 im Zuge der Schulentwicklungsplanung auch die Idee aufkam, Am Reichenberg eine Montessori-Grundschule zu etablieren, „wurden wir teils schwer angegangen“. In „Unkenntnis, Borniertheit auch“ sei der Eindruck vermittelt worden, „als würden Eltern bei einem privaten Schulangebot finanziell ausgenommen“.

Die Realität sei eine völlig andere. Refinanzierung exakt wie bei staatlichen Schulen, anders als dort echter Ganztag an fünf Tagen, Förderung: Auskömmlich sei das, was die Eltern der Tagesschüler bezahlen, alleine nicht. Dass es dennoch finanziert werden und „Montessori für alle Kinder da“ sein könne, dafür stehe ein solides Unternehmen, die Schulträgerin Schloss Hagerhof GmbH & Co. KG, gerade, das weitere Einnahmen generiere. Meisterjahn-Knebel: „Wir arbeiten durch, von Weihnachten abgesehen. Wir verstehen uns als bürgerschaftliches Engagement. Und wir sind eine Solidargemeinschaft.“ Stipendien inklusive.

Dem Hagerhof bleibt sie verbunden

Ein Scheitern sehe sie in der Ablehnung der Grundschulidee nicht: „Man muss den Weg, den ich aus Überzeugung anbiete, freiwillig mit mir gehen.“ Wo sieht sie den Hagerhof in Zukunft? 48 Neuzugänge 2018 erschienen zunächst wenig. Aber: Die Klassen wüchsen von jeher durch Querreinsteiger, nicht selten dann, „wenn die Kinder woanders leider schon gestolpert sind“. Die Tagesschule habe eine Warteliste, die Nachfrage im Internat sei riesig. Die Weichen seien, auch mit Nachfolger Sven Neufert, gut gestellt.

Meisterjahn-Knebel: „Ich bin ein gnadenloser pädagogischer Optimist. Wir machen weiter in Überzeugung.“ Dem Hagerhof bleibe sie verbunden, etwa als Vorstand der Stiftung „aktion weltkinderhilfe“. Und der Abschied? „Den will ich vor allem mit den Kindern begehen.“ Was folgt? Familie, Reisen, vielleicht eine Beratertätigkeit: „Aber als erstes möchte ich mich mal unsäglich langweilen.“

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