Interview zum Abschied Schulleiterteam am Sibi Bad Honnef geht in Rente

Bad Honnef · Schulleiter Joachim Nowak und sein Stellvertreter Armin Ritter verabschieden sich vom Siebengebirgsgymnasium. Mit dem GA sprechen sie über die Schulzeit, Zukunftspläne und den lustigsten Streich, der ihnen gespielt wurde.

Was werden Sie vermissen?

Joachim Nowak: Die vielen Gespräche, die man hier hat, und dass man vielleicht so ein bisschen 'kopflos' ist. Die Frage wird sein: Womit beschäftige ich mich, wenn ich zu Hause auf der Terrasse zwischen den drei Hunden sitze? Da kann ich ja höchstens meine Frau verrückt machen (lacht). Gerade jetzt antizipiert man ganz viel für die letzten Tage: Mit wem muss ich reden, was muss ich noch klären?

Armin Ritter: Den Wecker um viertel vor sechs und ein wuseliges Kollegium. Man ist ja mehrfach am Tag im Lehrerzimmer. Und das ist auf der einen Seite wuselig, auf der anderen Seite ein tolles Kollegium. Und natürlich auch die Schülerinnen und Schüler. Man bleibt mit ihnen tatsächlich jung, weil man sich immer mit deren Dingen auseinandersetzen muss und weil man deren Begeisterung mitbekommt.

Was werden Sie nicht vermissen?

Ritter: Den Vertretungsplan zu machen oder auch den Stundenplan in den Ferien.

Nowak: Die Dokumentationspflicht, die Widerspruchsfreiheit, die vielen, vielen Vorlagen und Erlasse, die, wenn man nach deren Sinn fragt, selbst die Bezirksregierung nicht immer erläutern kann. Der Papierkram hat in einer Art und Weise zugenommen, das ist erschreckend. Und es schränkt Handlungsfreiheit ein.

Welches war der lustigste Streich, der Ihnen gespielt wurde?

Nowak: Den hat mir mein Auto gespielt, als es sagte: Ich brenne für dich. Klassischer Burnout.

Ritter: (lacht) Während einer Lehrerkonferenz.

Nowak: Genauer: kurz vor der Konferenz. Die Lehrer waren alle schon da, ich habe noch ein Pfeifchen geraucht, und dann ging das Auto in Flammen auf. Die Lehrerkonferenz begann verzögert. Vier, fünf Feuerlöscher wurden verbraucht. Erschwerend kam hinzu, dass die Haube nicht aufging, es war halt ein altes Auto. Nachdem alles gelöscht war, kam die Feuerwehr und löschte eine halbe Stunde nach. Aber Schülerstreich, nein, da kann ich mich nicht erinnern.

Ritter: Nein, ich auch nicht. Welche, die wir selber gespielt haben, das schon. Die Schüler werden sich erinnern, was sie gemacht haben. Aber ich verdränge solche Dinge.

Nowak: Es ist ganz einfach so: Wenn Schüler heute auffallen, dann weniger mit Streichen als mit Schwierigkeiten, ob in der Familie oder in der Schule. Aber Auffälligkeiten, dass man sagen könnte: Das war jetzt ein fantasievoller Streich, dafür sind die meisten viel zu angepasst. In meiner Schülerzeit, da war richtig was los.

Ritter: Tatsächlich sind die Schüler auch mir zu brav geworden.

Nowak: Ich frage schon mal: Wo ist Eure Pubertät? Ihr seid mittendrin, warum merkt das keiner?

Gab es etwas, von dem Sie sagen, das war gar nicht lustig?

Ritter: Tatsächlich, vor ein paar Jahren an Halloween. Da wurde mein Haus heftig mit Eiern beworfen. Zum Glück ein Einzelfall.

Nowak: Es gab auch bei mir einen Fall, der wurde auch außerschulisch weiterverfolgt. Aber das ist ein absoluter Einzelfall in 18 Jahren.

Was sagen Sie Ihren Schülern? Dass sie nicht so brav sein sollen?

Nowak: Natürlich nur im guten Sinne 'nicht so brav' (lacht). Vor allem mache ich den Schülern Mut, dass sie auch etwas tun sollen, das nicht nur die Schule betrifft. Ich sage ihnen immer wieder, was Musik für mich bedeutet. Und wenn man so etwas hat, mit dem man sich wirklich identifizieren kann, für das man sich begeistert – von mir aus Briefmarken, Tiere, was auch immer –, so etwas braucht man, um all das, was man eben auch an Frust mit sich rumschleppt, auf vernünftige Art rauszulassen. Das zweite Wichtige ist, dass man immer jemanden hat, mit dem man reden kann. Wirklich reden, nicht nur über die nächste Fete.

Ritter: Ich sage den Schülern zum einen, seid wie ihr seid, seid authentisch, passt euch nicht einfach an, macht nicht einfach irgendwelche Dinge mit. Dann: Habt keine Angst vor Fehlern und traut euch was zu. Dieser Mainstream – 'Ich muss so sein wie die anderen, weil das gerade die Norm ist' –, ist fatal. Klar, die sozialen Medien tragen ihren Teil dazu bei. Aber man muss doch auch mal etwas ausprobieren. Und auch mal scheitern und sagen: Okay, das war jetzt der falsche Weg, ich probiere einen anderen.

Nowak: Aber zu Ihrer Frage: Ungesagtes gibt es bei uns nicht. Wir sagen alles, wir sind Lehrer, machen Sie sich da mal keine Sorgen.

Gilt das auch für die Kollegen?

Ritter: Da gilt dasselbe. Wenn mir etwas nicht passt, sage ich das.

Nowak: Die Dinge müssen immer auf den Tisch. Auch da gilt: Konflikte sind die absolute Ausnahme. Wir haben ein super Kollegium.

Ritter: Das zeigt sich auch im Beratungsteam, der erweiterten Schulleitung. Unterschiedliche Interessen, Sichtweisen sind da vertreten. Und wir kommen synergetisch zu guten Ergebnissen.

Was würden Sie Politik und Stadt ins Stammbuch schreiben wollen?

Nowak: Ganz klar, die Stadt soll sich das Sibi mehr Wert sein lassen. Und zwar in vielfältiger, nicht nur in materieller Hinsicht. Es geht um Wertschätzung gegenüber dem, was hier geleistet wird. Von den Leuten für die Schüler. Das hat mir auch im Ausschuss manchmal gefehlt, vorsichtig ausgedrückt.

Ritter: Ich bin ja Honnefer Bürger. Und wenn man für Honnef etwas tun will, dann muss man etwas tun für die Familien und die Kinder. Und wenn man für die Kinder etwas tut, darf da nicht nur das Lippenbekenntnis sein: Wir stärken den Schulstandort. Es muss auch umgesetzt werden, da müssen Prioritäten verschoben werden hin zur Schule. Das muss finanziell, das muss aber vor allen Dingen, wie Herr Nowak sagt, emotional, empathisch sein. Und da habe ich schon das Empfinden, dass das etwas nachgelassen hat.

Was wünschen Sie dem Sibi?

Nowak: Genau das, den Fortbestand als städtisches Gymnasium mit Wertschätzung.

Ritter: Als eine Schule, die Kindern mit Gymnasialempfehlung wirklich die Chance gibt, sich zu entwickeln. In einer Breite und in Verbindung mit dem, was am Nachmittag etwa über Sportvereine, Musikschule und dergleichen zusätzlich angeboten wird.

Wie empfinden die Schüler das Sibi?

Ritter: Das ist wirklich 'ihre' Schule. Als wir gerade dieses alte Logo fürs Foto getragen haben, fiel es mir wieder ein. Als wir vor zwei Jahren das neue Logo bekommen haben, haben die Schüler darauf bestanden, dass in dem neuen Logo der Schriftzug des alten ein Stückchen erhalten bleibt. Das ist Identifikation. Oder nehmen Sie die Veranstaltungen zum 100-Jährigen oder die Sibi-Sommernacht: Wie viel mehr Ehemalige jedes Jahr wiederkommen, das ist klasse. Identifikation ist auch wichtig für die Kollegen. Zeitgleich mit unserem Einstieg wurde über die Landesgesetzgebung schulscharfe Ausschreibungen ermöglicht. Wir suchen die Kollegen aus, auch in der Einschätzung mit Blick auf das Team. Es ist für keine Seite gut, wenn man jemanden vorgesetzt bekommt. Ich fände es wichtig, wenn das bliebe.

Nowak: Ich mache ja seit 18 Jahren Befragungen der Abiturienten. Und die Note eins bis zwei lag noch nie unter 80 Prozent bei Atmosphäre und Lebensgefühl am Sibi. Und auch das, was da zusätzlich draufsteht – „Es war eine tolle Zeit“ –, das ist ein bisschen auch der Euphorie geschuldet. Aber unterm Strich...

Ist es auch für Sie ein gutes Gefühl?

Nowak: Ja klar. Es kann nicht alles verkehrt gewesen sein.

Ritter: Insofern bin ich auch stolz über das Ergebnis der externen Qualitätsanalyse, dass genau diese Dinge auch gesehen worden sind. Und die Dinge, die nicht positiv bewertet worden sind, da können wir gut mit leben.

Nowak: Und wenn im Kollegium nicht auch mal gelacht wird, dann können sie nicht in die Klasse gehen. Stress im Lehrerzimmer nimmt man mit in die Klasse.

Was wünschen Sie sich persönlich?

Ritter: Das, was man sich üblicherweise wünscht. Gesundheit, Frohsinn. Konkret freue ich mich auf mehr Familie, die über 40 Jahre sehr gelitten hat darunter, dass ich engagierter Lehrer war, ebenso Bekanntschaften, Freundschaften. Es war schon oft so, dass ich so platt war, wenn ich abends nach Hause kam, dass ich keinen Antrieb hatte, irgendwo hinzugehen.

Nowak: Familie, klar, das wird intensiver. Dann werde ich mehr machen auf der Reitsportanlage meiner Frau – nicht zu viel, das lässt sie sicher nicht zu. Und dann will ich schauen, was kabarettmäßig drin ist, mache vielleicht ein bisschen Blödsinn am Klavier. Aber keine Schule mehr. Keine Schule.

Ritter: Ich bin auch froh, dass ich mein Engagement etwa in der Kirche wieder verstärken kann. Auch dafür fehlte die Zeit.

Aber es reut Sie nicht?

Ritter: Nein, keine Minute. Aber jetzt ist die Zeit da. In meinem Arbeitszimmer zu Hause hängt ein Spruch, ich finde, der passt gut zu uns beiden: Versuche immer nützlich zu sein, aber nie, unentbehrlich zu sein. Wir sind alle entbehrlich, und das ist gut so.

Nowak: Man hat eine Rolle, und mit der Rolle fallen einerseits Drucksituationen weg und andererseits dieses 'Ich habe da etwas zu sagen'. Der Beruf definiert einen nicht mehr. Genau so muss es sein.

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