Zeugnisse zum Ende des Schuljahres Sitzenbleiben kann eine Chance sein

Siebengebirge · Das Schuljahr ist so gut wie vorbei. In die Vorfreude auf die Ferien mischen sich allerdings zuweilen Ängste: Schließlich steht noch die Zeugnisvergabe bevor.

 Wie ist das Zeugnis ausgefallen? Schüler tauschen sich über ihre Beurteilungen aus.

Wie ist das Zeugnis ausgefallen? Schüler tauschen sich über ihre Beurteilungen aus.

Foto: picture alliance / dpa

Der Endspurt läuft. Alle Klassenarbeiten sind geschrieben, vielleicht noch ein Test hier und da. Doch eigentlich stehen die Noten fest. In die Vorfreude auf sechs Wochen schulfreie Zeit mischen sich in vielen Familien allerdings Frust und Ängste. „Das Thema Schule wird oft als absolut existenziell angesehen. Wenn es dann mit der Versetzung nicht klappt, ist das eine schwierige Situation für Eltern und Kinder gleichermaßen“, sagt Jürgen Scheidle, Leiter der Familien- und Erziehungsberatungsstelle (FEB) der Städte Bad Honnef und Königswinter.

Scheidle und sein Team bieten darum konkrete Hilfen an. Unter dem Motto „Umwege verbessern die Ortskenntnis“ bieten sie Beratungen, damit Sitzenbleiben nicht zu einer emotionalen Zerreißprobe für Kinder und Eltern wird. Grundsätzlich gelte, so Scheidle: Kaum ein Schüler wiederholt freiwillig eine Klasse. Der Verlust der Klassengemeinschaft, das Gefühl und manchmal auch das Stigma, versagt zu haben, machen Wiederholern sowieso genug zu schaffen.

Zwar kündigten sich schulische Probleme meist an, und spätestens mit dem „Blauen Brief“ sei klar: Das wird eng und klappt vielleicht gar nicht mehr. Trotzdem sei der Tag, an dem das Zeugnis und damit die Noten Schwarz auf Weiß auf dem Tisch lägen, ein Einschnitt. „Da hilft dann auch kein Fluchtreflex mehr und kein Verdrängen“, so Scheidle.

Kinder nicht mit Ängsten alleine lassen

Umso mehr komme es darauf an, wie in der Familie mit dem Thema um gegangen wird, sagt auch Anna Vincent. Die Psychologin, die neu ist im Team der FEB, ergänzt: „Man befindet sich in einer emotionalen Ausnahmesituation. Aber gerade dann ist es gut, sich zu besinnen, bevor gar Strafen verhängt werden, vielleicht auch eine Nacht drüber zu schlafen.“ Gespräche mit hoher emotionaler Erregung seien kontraproduktiv, verhärteten die Fronten und würden noch mehr Frust auf beiden Seiten generieren. Besser sei es im Zweifelsfall, das Gespräch mit dem Kind zu vertagen, in Ruhe zu überlegen, sich mit dem Partner oder Freunden zu unterhalten.

Wichtig sei vor allem, dass das Kind oder der Jugendliche mit seinen Gefühlen und Ängsten, die ganz unzweifelhaft bestehen, nicht allein gelassen werde. Eltern sollten dann die Perspektive wechseln, den Blickwinkel des Kindes einnehmen und mit ihm in Ruhe über seine Gefühle und Gedanken sprechen. Gardinenpredigten nach dem Motto „Du bist immer...“ oder „Du machst ja nie...“ seien jedenfalls keine Lösung. Anstatt sich auf die schlechten Noten zu kaprizieren, sei es ebenso hilfreich, die guten Seiten und Leistungen herauszustreichen.

Das Zeugnis ist vielleicht nicht nur schlecht? Das sollte dann auch ein Lob wert sein, um das Kind aufzubauen. Das Kind glänzt im Sport, als guter Kumpel in der Clique oder als großer Bruder? Denn das kann wichtig sein, wieder zu motivieren, positiver in die Zukunft zu schauen. „Vergessen sie bei all ihrer Sorge nicht die positiven Seiten ihres Kindes, auch außerhalb der Schule. Und unterscheiden sie beim Blick auf ihr Kind zwischen ihrem Kind als Person und seiner Leistung in der Schule“, so der Tipp der Experten.

Ursachen liegen oft woanders

Nicht zuletzt: Schulische Leistungen seien alles andere als nur eine Frage von Intelligenz und Fleiß. Scheidle: „Sie können auch ein Seismograph sein dafür, dass etwas anderes nicht stimmt“, sei es nun im Freundeskreis, in der Familie oder einfach Auswirkungen der Pubertät. „Man muss genau hinschauen: Was hat zu einem Leistungsabfall geführt. Oft liegen die Ursachen ganz woanders“, bestätigt Vincent.

So verbessern Umwege die Ortskenntnis. Von Versetzung um jeden Preis raten die Experten ab. Sprich auch die Frage einer Nachprüfung will sorgsam abgewogen sein. Denn eine Wiederholung könne durchaus auch Chance sein. Endlich bessere Noten, Erfolgserlebnisse. Sollte eine Nachprüfung empfohlen werden, komme es auch dabei auf das richtige Maß an.

Lernzeiten in den Ferien sollten angemessen sein, und Eltern wie Kinder brauchten auch Ferien und Zeit, zur Ruhe zu kommen. „Dabei ist es uns wichtig, weder Eltern noch Kinder aus dem Blick zu verlieren. Lassen sie das Thema Schule nicht allgegenwärtig werden“, rät Scheidle. Nicht zuletzt: Wenn der familiäre Haussegen durch das Thema Schule oder Sitzenbleiben zu sehr schief hänge, könnten externe Moderatoren helfen – wie eben das Team der FEB.

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