Zeitzeugenbericht: Kriegsende in Königswinter Späterer US-Notenbank-Chef suchte Zuflucht in Ofenkaulen

Siebengebirge · Der gebürtige Kölner Robert Heller erlebte das Ende des Zweiten Weltkrieges in Königswinter und wanderte danach in die USA aus. Der ehemalige Chef der US-Notenbank kam nun ins Siebengebirge zurück, um seine Geschichte zu erzählen.

 Unter Präsident Ronald Reagan war Robert Heller Chef der amerikanischen Notenbank.

Unter Präsident Ronald Reagan war Robert Heller Chef der amerikanischen Notenbank.

Foto: Robert Heller

Sein Alter sieht man Robert Heller nicht an. In heller Freizeithose, blau-weiß gestreiftem Hemd, das graue Haar exakt gescheitelt steht der 77-Jährige im Siebengebirgsmuseum und erzählt aus seinem Leben. Und zu erzählen hat Heller einiges. Der gebürtige Kölner gehörte einst als einer der Chefs der US-Notenbank zu den mächtigsten Bankern der Welt. Eine Karriere, die Heller nicht gerade in die Wiege gelegt worden war – und ein Lebensweg, der ihn vor vielen Jahrzehnten auch nach Königswinter führte.

Wenn Robert Heller Deutsch spricht, ist der amerikanische Akzent kaum zu überhören. Wenn er Erinnerungen aus seiner Kinder- und Jugendzeit zum Besten gibt, mischt sich dazu noch etwas rheinischer Dialekt. „Ich wurde 1939 in Köln geboren“, erzählt er. „Meine Familie und ich lebten im Haus meines Großvaters, gleich am Chlodwigplatz.“ Heller erzählt locker, unaufgeregt, man merkt ihm an, dass er gewohnt ist, vor Publikum zu sprechen. Vom Krieg habe die Familie zunächst wenig zu spüren bekommen. Doch das änderte sich schlagartig am 30. Mai 1942, dem Tag, an dem die Alliierten unter dem Decknamen „Operation Millennium“ einen Großangriff auf Köln flogen. Die Hellers wurden evakuiert, kamen zunächst nach Bayern, dann in die Nähe von Dresden und schließlich – auf der Flucht vor der sich nähernden Ostfront – wieder zurück ins Rheinland, genauer: nach Königswinter.

„Wissen Sie, wer den Drachenfels zerstört hat?“, fragt Heller sein Publikum, von denen viele etwa in seinem Alter sind. Das Publikum ist sich uneins: „Die Römer?“, „Ein Feuer?“ Heller klärt auf: „Die Schweden im Dreißigjährigen Krieg.“ Als er als Kind ins Siebengebirge gekommen sei, habe ihm diese Frage niemand beantworten können. Er hat die richtige Antwort bis heute nicht vergessen. Im Gasthaus Giershausen am Hirschberg fand seine Familie für die letzten Kriegsmonate ein Quartier, die Königswinterer Familie war eng mit Hellers Großvater befreundet. Und von dort aus suchten die Bewohner, wie viele andere Königswinterer, in den letzten Kriegstagen Zuflucht in den nahe gelegenen Ofenkaulen. „In meiner Erinnerung waren die Höhlen ein fast romantischer Ort“, sagt Heller und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Dabei hatten wir sogar fließendes Wasser – es lief die Wände hinunter.“ Rund zwei Wochen verbrachten er, seine Mutter und sein zwei Jahre jüngerer Vetter in den Ofenkaulen – gemeinsam mit 30 oder auch 40 anderen Menschen.

Robert Heller: Die letzten Kriegstage im Siebengebirge
30 Bilder

Robert Heller: Die letzten Kriegstage im Siebengebirge

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„Vor etwa sechs Jahren habe ich in Königswinter nach dieser Höhle gesucht“, sagt er. „Ich konnte mich noch genau an den Weg erinnern: vom Gasthaus aus in Richtung Milchhäuschen, an bestimmte Bäume, an einen Pfad.“ Doch den Pfad gab es nicht mehr. Schließlich habe ein Bekannter nach einiger Suche eine Höhle entdeckt, doch die stimmte so gar nicht mit der Höhle aus Hellers Erinnerungen überein. Schließlich hat er „seine“ Ofenkaule dann doch noch gefunden. Verschlossen, natürlich, nur versehen mit einem Einflugschlitz für Fledermäuse. Nach dem Krieg verschlug es Heller in die USA – der Liebe wegen. Die Beziehung zu Annelie ging in die Brüche, dafür machte er Karriere. Heller studierte Wirtschaft an Universitäten in Iowa, Minnesota und Berkeley, lehrte als Professor an der Universität von Los Angeles, wo er auch seine spätere Frau Emily kennenlernte. In den 70er Jahren wechselte Heller nach Washington, arbeitete in mehreren Instituten und schließlich bei der Bank of America. Auf einer Dienstreise erreichte ihn nachts um zwei in Tokio ein Anruf aus dem Weißen Haus: „Wollen Sie den Posten als Governor des Federal Reserve Board?“, fragte eine Stimme am anderen Ende. Heller, verschlafen, glaubte an einen Scherz.

Doch es war keiner. 1986 ernannte ihn der damalige US-Präsident Ronald Reagan zum Vorsitzenden der US-Notenbank, damit stand Heller in einer Reihe mit bekannten Bankern wie Alan Greenspan und Ben Bernanke. Dass er damals beim Amtseid versehentlich die falsche Hand gehoben hatte, war im Übrigen niemandem aufgefallen. Heute lebt Heller mit seiner Frau und den beiden erwachsenen Kindern in San Francisco. „Für mich eine der schönsten Städte auf der Welt“, wie Heller noch sagt. „Neben Köln und Königswinter.“

Seine Erinnerungen und Erlebnisse hat Robert Heller in der Autobiografie „The Unlikely Governor“zusammengefasst, erschienen ist es bei Maybridge Press.

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