Leidenschaftliche Plädoyers für Pro und Contra SPD-Ortsvereine diskutieren über Große Koalition

AEGIDIENBERG · 100 Mitglieder aus den SPD-Ortsvereinen Bad Honnef, Königswinter und Sankt Augustin diskutierten in Aegidienberg über Für und Wider einer Großen Koalition im Bund. Leidenschaftliche Plädoyers wurden gehalten. Die Parteiführung erntete viel Kritik.

Groko oder Nogroko? Rund 100 Mitglieder der SPD-Ortsvereine Bad Honnef, Königswinter und Sankt Augustin diskutierten in Aegidienberg gemeinsam ihre Haltung zur Großen Koalition im Bund. Mit teils leidenschaftlichen Plädoyers legten Kritiker und Befürworter ihre Sicht auf einen Koalitionsvertrag ihrer Partei mit der CDU/CSU dar. Ob pro oder contra Groko – bei den Wortmeldungen hielten sich Zustimmung und Skepsis nahezu die Waage. Und: Es gab viel Kritik an der Parteiführung.

„Es ging heute nicht darum, Einstimmigkeit herzustellen. Wir müssen unterschiedliche Meinungen aushalten“, sagte Bundestagsabgeordneter und SPD-Kreisvorsitzender Sebastian Hartmann nach dreistündiger Diskussion. Einige Teilnehmer erhofften sich davon Entscheidungshilfe, andere hatten ihre Stimmzettel schon ausgefüllt. Rund 850 Mitglieder haben diese drei Ortsvereine zusammen; in den letzten Wochen zählten sie jeweils knapp 20 Neueintritte.

"Haben die Wahl zwischen Pest und Cholera"

Königswinters Ortsvereinsvorsitzende Karin Klink outete sich als „absolute Befürworterin der Groko“. Denn: „Wir brauchen eine gute Regierung – wir haben sehr gute Inhalte verhandelt.“ Auch Sankt Augustins SPD-Chef Denis Waldästl lobte „als leidenschaftlicher Kommunalpolitiker“ den Koalitionsvertrag, etwa wegen des Punktes sozialer Wohnungsbau. Sein Appell: „Egal, was am 4. März rauskommt, lasst uns die Energie beibehalten.“ Nämlich für die Erneuerung des SPD-Programms. Die Partei müsse klären, wie sie etwa mit Themen wie Bürgerversicherung oder Abgeltungsteuer überhaupt umgehen wolle. Sein Kollege aus Bad Honnef, Tobias Karsten, bekannte indes noch unschlüssig: „Wir haben die Wahl zwischen Pest und Cholera.“

"Personelles Hickhack"

Nur die Begrenzung der Redezeit auf drei Minuten konnte Kerstin Salchow aus Bad Honnef stoppen. Wer das Vertrauen von Menschen gewinnen wolle, müsse glaubhaft sein. Aber am Wahlabend sofort eine Groko abzulehnen und jetzt dafür zu werben. . . 8000 mehr Pflegekräfte im Koalitionsprogramm stünden 30 000 derzeit unbesetzte Stellen gegenüber. Auch Ulla Studthoff (Bad Honnef) kritisierte: „Wir sind mit einem hervorragenden Themenkatalog in den Wahlkampf gezogen, aber nicht mit einem hervorragenden Koalitions-Vertrag rausgekommen.“ Jutta Bergmann-Gries aus Sankt Augustin bemängelte, dass sich die SPD in ein „schamloses personelles Hickhack verstrickt“ hätte. Und: „Natürlich wollen Sozialdemokraten regieren, aber nicht, um unkenntlich zu werden.“ Michael Richter aus ihrem Ortsverein heimste Beifall ein, als er feststellte: „Mir fehlt das Vertrauen, dass man nicht die Fehler der Vergangenheit macht.“ Auch der Bad Honnefer Thorsten Brodeßer schimpfte: „Wir machen uns unglaubwürdig mit der Groko.“

"Nicht kneifen"

Lia Kirsch vom Königswinterer Nachwuchs: „Mit dem Bauch bin ich dafür, mit dem Kopf nicht. Lasst es uns nicht machen, damit wir später noch stark sind.“ Und eine weitere Stimme aus dem jugendlichen Lager: „Ich habe keinen Wahlkampf für die Groko gemacht. Danke, nicht mit mir.“ Ein weiterer Kritiker aus Königswinter bemängelte die unkonkreten Absichtserklärungen in dem Papier. „Ich bin für eine Minderheitsregierung, wenn es knallt, gibt es Neuwahlen.“ Annette Hirzler indes: „Wir werden nur dann glaubwürdig, wenn wir heute nicht kneifen.“ Und Hannelore Sander: „Wir haben den Spatz in der Hand und könnten für einige Menschen ganz gute Politik machen.“ Etliche Honnefer sprachen sich für die Groko aus. Wally Feiden: „Ein Grummeln hat jeder. Ich habe mich zu einem positiven Votum durchgerungen.“ Statt auf „die da oben“ zu schimpfen, sollte die Basis nach einem Jahr die Situation evaluieren. „Daran müssen wir die Leute messen.“ Hartmut Nitsch: „Wir sollten die Chance ergreifen.“ Hartmann: „Ich rechne mit einer Zustimmung. Die SPD ist eine lebendige Partei und ringt mit sich – das erkennt man an der Qualität der Debatte.“

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