Interview mit ATV-Vorsitzenden Uli Hambuch Sportler gegen sexuelle Gewalt

Der ATV Selhof hat in einem Präventionsseminar die Sensibilität seiner Trainer geschult.

 Grenzen setzen: Die Übungsleiter mit dem Kampagnenplakat des Landessportbundes.

Grenzen setzen: Die Übungsleiter mit dem Kampagnenplakat des Landessportbundes.

Foto: Frank Homann

"Du setzt die Grenzen. Wir dulden im Sport keine sexualisierte Gewalt" lautet eine Kampagne des Landessportbundes - eine Aussage, die sich auch der ATV Selhof zu eigen macht. Etwa die Hälfte der rund 700 Mitglieder des Turnvereins ist unter 18 Jahre alt. Um die Übungsleiter nicht nur für das Thema Missbrauch, sondern für Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im weiteren Sinne zu sensibilisieren, hat der Verein jüngst ein Gewaltpräventionsseminar durchgeführt, an dem alle 26 Trainer verpflichtend teilgenommen haben. Am Samstag war das Thema abermals Gegenstand einer internen Übungsleiter-Fortbildung.

Wieso sollte oder besser gesagt muss sich ein Sportverein mit Gewaltprävention beschäftigen?
Uli Hambuch: Ich finde, dass das Thema Gewalt im weitesten Sinne leider nicht überall ausreichend ernst genommen wird. Natürlich ist es ein sensibles Thema, vor allem, wenn es um sexualisierte Gewalt geht. Aber deswegen darf man es nicht ignorieren. Wir sind ein gut geführter Verein, und bei uns ist bisher auch noch nie etwas passiert. Doch wir möchten gar nicht in die Situation kommen, uns irgendwann einmal fragen zu müssen, warum wir nichts getan haben. Wir haben als Verein und als Trainer schließlich einen engen Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen und genießen bei ihnen eine gewisse Vertrauensstellung. Andererseits vertrauen uns auch die Eltern ihre Kinder an, und sie haben ein Recht darauf, dass wir mit den Kindern richtig umgehen.

Wo könnte es im Sportverein zum Beispiel zu Konflikten kommen?
Hambuch: Gerade beim Turnen müssen Kinder auch mal angepackt werden, anders kann man keine Hilfestellung leisten. Beim Handstandüberschlag, beim Rad oder Flickflack muss ich das Kind auch am Rücken und an der Hüfte stützen. Manche Kinder und Eltern können dieses "Anfassen" jedoch nicht richtig einordnen und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Zudem sind daher auch viele Übungsleiter verunsichert und trauen sich nicht mehr, richtig Hilfestellung zu leisten.

Was war Inhalt des Gewaltpräventionsseminars?
Hambuch: Unter anderem das Erkennen von Gewalt. Wo fängt sie an? Man denke sich folgende Situation: Ein Trainer ist gezwungen, durch den Umkleideraum einer Mädchengruppe zu gehen. Wie lange darf er sich dort aufhalten, ab wann fühlen sich Kinder belästigt? Oder wie sieht es bei abendlichen Kontrollgängen durch die Schlafzimmer bei Vereinstouren mit Jugendlichen aus? Es ging darum, die Sensibilität dafür zu wecken, dass Gewalt nicht bei körperlicher Gewalt anfängt. Auch die Frage, woran ich erkenne, ob ein Kind misshandelt wird, stand auf der Tagesordnung. Ziel war es, ein Bewusstsein für die gesamte Thematik zu entwickeln und die Wahrnehmung zu schulen - und durch dieses Wissen auch ein Stück mehr eigene Sicherheit zu erhalten.

Das Seminar soll keine einmalige Veranstaltung gewesen sein, oder?
Hambuch: Nein, hier ist es wie beim Sport: Stetes Training ist wichtig. Auch möchten wir einen Ehrenkodex, vergleichbar dem, den der Deutsche Turnerbund unter anderem für das Turnfest 2013 erarbeitet hat, in unserem Verein einführen. Solch einen Ehrenkodex kann man aber nicht vom Vorstand verordnen, er muss gemeinsam mit den Trainern und Übungsleitern erarbeitet und dann auch gelebt werden. Wir sind da auf einem sehr guten Weg. Alle ziehen an einem Strang. Mit der heutigen internen Fortbildung werden die Teilnehmer diesen Ehrenkodex unterschreiben.

Haben sie schon Resonanz von Eltern bekommen?
Hambuch: Ja, und zwar viele positive. Die Eltern sagen, es sei gut zu wissen, dass wir auf dieses Thema aufpassen. Positive Resonanz gibt es aber auch aus dem Übungsleiterkreis. Viele fühlen sich nach dem Lehrgang ein Stück weit sicherer.

Zur Person:
Uli Hambuch ist seit 18 Jahren Vorsitzender des ATV Selhof. Der Fachberater und Consultant im technischen Management Gesundheitswesen ist 57 Jahre alt. Er selbst ist Trainer für Fitness und Gesundheit und hat jüngst erfolgreich eine noch über den Gewaltpräventionslehrgang hinausgehende Zusatzausbildung zum "Gewaltpräventionstrainer" absolviert.

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