Staatsanwaltschaft durchsucht Jugendamt in Königswinter

Königswinter · Die Bonner Ermittler sichern auch Beweismaterial im Königswinterer Rathaus, im Bürgermeister-Büro und in Privatwohnungen.

 Die Räume des Königswinterer Jugendamtes durchsuchte gestern die Staatsanwaltschaft.

Die Räume des Königswinterer Jugendamtes durchsuchte gestern die Staatsanwaltschaft.

Foto: Frank Homann

Mittwochvormittag war im Königswinterer Jugendamt alles anders als sonst: Einlass für Besucher gab es erst, nachdem sie über die Gegensprechanlage ihr Anliegen erläutert hatten. Auslöser dafür, dass sich das Jugendamt abzuschotten schien, war ein unangekündigter Besuch der Staatsanwaltschaft Bonn, der um 8.30 Uhr begonnen hatte.

Die Staatsanwaltschaft war mit einem regelrechten Tross angerückt: Wie Jan van Rossum, Vize-Chef der Staatsanwaltschaft, dem General-Anzeiger bestätigte, durchsuchten die Beamten gestern Diensträume im Jugendamt und im Rathaus sowie die Privatwohnungen des bisherigen Jugendamts-Leiters Klaus Plate und einer Mitarbeiterin.

Auch im Büro von Bürgermeister Peter Wirtz und im Büro der Sprecherin des Verwaltungsvorstandes Hildegard Ulmen im Haus Bachem wurden die Ermittler nach GA-Informationen vorstellig und nahmen sowohl Wirtz' als auch Ulmens PC mit.

Gegen die Königswinterer Verwaltung wird nach dem Tod des Pflegekindes Anna wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassung sowie auf Verletzung der Fürsorgepflicht ermittelt. Eingestellt wurden die Ermittlungen gegen das Jugendamt Bad Honnef. Kontakte dorthin gebe es gleichwohl sowie noch Dinge "zu klären. Und das tun wir gerade", so van Rossum.

Kommentar Lesen Sie dazu auch den Kommentar " Überfällige Aktion"Einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichtes Bonn in der Tasche, hatten sich gleich mehrere Staatsanwälte in Begleitung der Polizei gestern Morgen auf den Weg nach Königswinter gemacht. In einer dürren Pressemitteilung bestätigte die Stadtverwaltung den unangekündigten Besuch. Ziel sei "die Sichtung und Sicherstellung aller im Fall Anna existierenden Akten und Datenträger".

Und: "Weitere Stellungnahmen wird die Stadt Königswinter wegen der laufenden Ermittlungen und des laufenden Verfahrens gegen die Pflegeeltern nicht abgeben." Unterdessen wurden aus der Politik gestern neue Rücktrittsforderungen gegen Wirtz laut, vor allem wegen mangelnder Information der Öffentlichkeit.

Die neunjährige Anna war am 22. Juli 2010 in ihrer Pflegefamilie in Bad Honnef in der Badewanne gewaltsam zu Tode gekommen. Zuständig für das Kind und seine Unterbringung war das Königswinterer Jugendamt, gegen das ermittelt wird. Seit Januar müssen sich Annas Pflegeeltern vor dem Bonner Schwurgericht verantworten.

Dem Ehepaar wird schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen in 55 Fällen vorgeworfen, in einem Fall mit Todesfolge.

Zwar handele es sich um zwei unabhängige Verfahren, betonte van Rossum. Getrennt werden können sie aber offenkundig nicht. Immer neue Erkenntnisse aus dem Hauptverfahren waren es, die die Staatsanwaltschaft ihre Schritte ins Jugendamt lenken ließ. Warum erst jetzt? Van Rossum: "Es gab im Hauptverfahren Aussagen, die in dieser Form bisher nicht gemacht worden waren." Um welche Aussagen es sich handelt, wollte er nicht konkretisieren.

Wie berichtet, hatte ein Brief der zuständigen Jugendamts-Mitarbeiterin samt dem Vorwurf, Jugendamtsleiter Plate habe das "Durchgehen" der Akte Anna angeordnet, die Rolle des Jugendamtes und den Verdacht bereits vorgenommener Akten-Manipulationen in ein bedrückendes Licht gerückt.

Zudem hatte der Pflegevater im Prozess ausgesagt, die Pflegeeltern seien mehrfach beim Jugendamt vorstellig geworden, da sie mit der Betreuung überfordert gewesen seien. Fest steht für van Rossum: "Neue Erkenntnisse" seien auch für die Ermittlungen gegen das Jugendamt "nicht auszuschließen". Anhand aller Akten und Datenträger müsse geprüft werden, ob und inwiefern Mitarbeiter "eine mögliche Mitschuld an Annas Tod trifft".

Mit leeren Händen gingen die Ermittler nicht, nachdem sie von 8.30 Uhr bis mittags durchsucht hatten: Es seien "umfangreiche Beweismittel" sichergestellt worden, die es zu sichten und bewerten gelte. Durchsucht wurden auch die Wohnungen von Klaus Plate, der seit einer Woche bis auf Weiteres von seinen Aufgaben als Jugendamtsleiter entbunden ist, sowie die Wohnung jener Mitarbeiterin, die für Anna zuständig war.

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