Sandspiel gegen Traumata Therapie in Bad Honnef hilft Flüchtlingskindern

BAD HONNEF · Therapeutinnen und ehrenamtliche Betreuer kümmern sich in einem neuen Projekt an der Honnefer Grundschule Am Reichenberg um „Kinder in innerer Not“. Traumatisierte Flüchtlingskinder verarbeiten ihre Erlebnisse, indem sie sie nachspielen.

 Kriegsszene und Familienidyll: Was Kinder in den Sandboxen aufgebaut haben, betrachten (v.l.) Gundel Graetschel, Beate Schaaf, Nicola Kiwitt, Andrea Wiedekind-Neumann und Felix Trimborn.

Kriegsszene und Familienidyll: Was Kinder in den Sandboxen aufgebaut haben, betrachten (v.l.) Gundel Graetschel, Beate Schaaf, Nicola Kiwitt, Andrea Wiedekind-Neumann und Felix Trimborn.

Foto: Frank Homann

Ein afrikanisches Mädchen ließ immer wieder Menschen im Sand verschwinden. Ein Junge stellte anfangs wilde Kriegsszenen mit Spielfiguren in seinem Sandkasten auf, in einer anderen Box saß der König an exponierter Stelle, umlagert von Soldaten. Mit „Sandarbeit“ verarbeiten Kinder in der Psychotherapie traumatische Erlebnisse.

So auch beim Projekt „Kinder in innerer Not“, das die Kinder- und Jugend-Psychotherapeutinnen Gundel Graetschel und Andrea Wiedekind-Neumann in Bad Honnef ehrenamtlich durchführen und betreuen. Zehn Flüchtlingskinder der Grundschule Am Reichenberg durchliefen die Therapie bislang. Schulleiterin Nicola Kiwitt und Lehrer hatten diese erste Gruppe zusammengestellt.

„Für die Familien steht zunächst die Existenzsicherung im Mittelpunkt. Die Eltern schauen dann nicht so auf die Kinder, deren innere Not nicht so aufgefangen wird, wie es dann hier in der Gruppe passiert“, erläutert Wiedekind-Neumann. Erlebnisse in ihren Heimatländern und auf der Flucht, die sie mit sich herumtragen und die sich auf ihr Wohlbefinden und ihr Verhalten auswirken, sollen so verarbeitet werden.

Spielzeugtiere, Panzer und Soldaten

Die Eltern glaubten im Vorgespräch, es handele sich um Förderunterricht. „Wir haben ihnen gesagt, dass die Bilder vom Herkunftsland verarbeitet werden, damit ihre Kinder wieder besser schlafen können.“

In einem Sandkasten wird mit verschiedenen Materialien und Spielfiguren seelisches Erleben zur Darstellung gebracht. Playmobil-Figuren, Schleich-Tiere, Spielzeugpanzer, Soldaten, Bäume, Feen, Tannenzapfen, Muscheln oder Steine liegen dazu bereit. Das Material hat die Caritas um Beate Schaaf finanziert, Felix Trimborn vom Fachdienst Asyl der Stadt unterstützt die Therapeutinnen organisatorisch.

120 Kinder mit Fluchterfahrung leben in Bad Honnef, 20 besuchen die Schule Am Reichenberg. „Das Angebot der beiden Psychotherapeutinnen kam genau im richtigen Moment. Denn 2017 berichteten immer mehr Flüchtlingspaten von der Traumatisierung ihrer Schützlinge“, berichtet Trimborn.

Dass die Kinder bei der Therapie persönliche Betreuer haben, die zuverlässig für sie da sind, ist 13 Frauen zu verdanken, die sich auf einen Aufruf meldeten. An zwei Wochenenden vermittelten die beiden Psychotherapeutinnen den Ehrenamtlichen zunächst Grundkenntnisse über Traumata sowie über die Selbsterfahrung durch die praktische Arbeit mit Sand.

Manches ist auch für die Betreuer schwer zu ertragen

Nach den Sandstunden besprachen sie mit ihnen die Bilder. Wiedekind-Neumann: „Einige Situationen waren schwer auszuhalten. Die Bilder machten deutlich, was die Kinder erlebt haben.“ Graetschel betont: „Kontiunität ist sehr wichtig.“

Auch der kleine Hase Felix war stets dabei – er wurde jedes Mal in einer Geschichte auf Reisen geschickt. Und jede Sandstunde wurde mit dem Lied „Aramsamsam“ und dazugehörigen Bewegungen begonnen und beendet. Wiedekind-Neumann: „Das ist von Bedeutung, denn bei traumatisierten Menschen spielen die linke und rechte Gehirnhälfte nicht zusammen.“

Schulleiterin Nicola Kiwitt zieht eine positive Bilanz: „Die Kinder kehrten beglückt aus der Therapie in den Unterricht zurück und fragten immer wieder nach dem nächsten Termin.“ Am Sandkasten konnten sie selbst Regisseur sein.

Beim Spielen fühlen sich die Kinder nicht mehr ausgeliefert

Graetschel: „Die Kinder bauten unter dem wertfreien Blick ihrer Assistentinnen Bilder, mit denen sie sich in ihrem Inneren beschäftigten. Dieser Prozess, von der Passivität zur Aktivität, also von dem Gefühl des Ausgeliefertseins hin zur Mitgestaltung, hat eine heilende Wirkung. Es entstanden beeindruckende Bilder, die die Kinder bauten, verwarfen, wieder neu erstellten und manchmal auch beschrieben.“

Im Lauf der Wochen veränderten sich die Bilder in der Sandbox – aus den Kriegsszenen wurden friedlichere Situationen. Am Ende einer Stunde wurden Fotos gemacht und in eine dicke Kladde geklebt. Jedes Kind nahm sein Buch mit nach Hause.

In diesem Schuljahr soll die Sandspieltherapie erneut angeboten werden.

Interessenten an einer Mitarbeit als Assistent bei der Therapie wenden sich an Gundel Graetschel, 0 22 24/9 87 25 43, E-Mail: praxis-graetschel@dlcom.de.

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