Globalisierung Untiefe Internet
Jedes Jahr wählt die Gesellschaft für deutsche Sprache so genannte Wörter des Jahres. Sie erinnern sich: In diesem Jahr rangiert der Begriff "Flüchtlinge" ganz oben auf der Liste, gefolgt von "Je suis Charlie" und "Grexit".
Nicht auf Rang eins, immerhin auf Rang vier, schaffte es 1996 das Wort "Globalisierung". Was es damit auf sich hat, kann auch heute am eigenen Leib erfahren, wer sich in die (Un-)Tiefen des Internethandels verirrt.
So geschehen, als meine Tochter eine Handy-Hülle kaufte. Genau die eine musste es sein. Und wo, wenn nicht im Internet, findet der Teenager das modische Accessoire, das der Fachhandel vor Ort nicht vorrätig hat. Auf Zuruf quer durch die Wohnung das Ja der Mutter zum Kauf von sechs (!) Euro eingeholt - schon ist das gute Stück auf dem Weg von... Ja, von wo eigentlich?
Die Bestellbestätigung wirft erste Fragen auf: Lieferzeit vier bis sechs Wochen. Der nähere Blick belegt: Das Teil kommt keineswegs aus europäischen, geschweige denn aus deutschen Landen, sondern legt an die 9000 Kilometer Luftlinie zurück. Da die Storno-Frist zur Bestellung blöderweise just abgelaufen ist, bleibt trotzdem nur, das Unvermeidliche abzuwarten.
Bei Ankunft des Päckchens stellt sich heraus: Die Hülle ist die falsche. Von Neugier getrieben, beginnen wir die Korrespondenz mit dem Zwischenhändler. Zurückschicken, kein Problem, heißt es da. Kulanz ist eben Kulanz, und so leitet der Zwischenhändler unsere E-Mail weiter - nach Asien. "Warum du wollen zurückkommen?", fragt der Hersteller einige Tage später. "Hülle zu groß", so unsere verbbefreite Antwort. Und schon ist das Rücksendeticket - zollbefreit, versteht sich - auf dem PC.
Zurückgeschickt haben wir die Hülle übrigens nicht. Denn deren Öko- und möglicherweise auch Sozial-Bilanz ist schon jetzt derart verheerend, dass es einem die Schamesröte ins Gesicht treibt. Womit wir wieder bei der Globalisierung wären: Global handeln heißt auch, derlei Unsinn zu vermeiden. Das nächste Mal schauen wir ganz gewiss genauer hin.
