Schwarzwild im Siebengebirge Wenn die Wildsau im Garten wühlt

SIEBENGEBIRGE · Die Sau muss nicht durchs Dorf getrieben werden, sie kommt von selbst. Irgendwann in der Nacht auf den 9. September haben Wildschweine den Garten von Bruno Müller am Grünen Weg in Unkel-Scheuren umgegraben und den des Nachbarn gleich mit.

"Als ich nachmittags nach Hause gekommen bin, hat mir die Nachbarin von dem ungebetenen Besuch erzählt", berichtet Bruno Müller. Offenbar auf Nahrungssuche buddelten die Tiere im Rasen herum und zogen anschließend weiter. Der Schaden im Boden ist das eine. Das andere: Bruno Müller traut sich in der Dunkelheit kaum noch in den Garten, weil er Sorge hat, von einem Schwarzkittel umgerannt zu werden.

Problem ist bekannt

Das Problem mit den Wildschweinen ist im Siebengebirge bis in den nördlichen Kreis Neuwied hinein und im gesamten bewaldeten Rhein-Sieg-Kreis durchaus bekannt. Jörg Pape, Jagdberater für den Rhein-Sieg-Kreis und bis zum Ruhestand 24 Jahre lang Bundesforstamtsleiter in der Wahner Heide, erwartet für dieses Jahr nach mildem Winter eine besonders starke Population. "Dass die Tiere jetzt kommen, liegt an der langen Trockenheit in den Sommermonaten", erklärt Pape.

Mit dem Regen kommt nun Leben in den Boden. Wildschweine suchen dort nach tierischem Eiweiß. Sprich: nach Würmern und Engerlingen. Die Nahrungsgrundlage ist auch an anderer Stelle optimal. Das milde Klima führe dazu, dass Bäume in diesem Jahr enorm viele Eicheln und Kastanien produzierten, so Pape. Die Wildschweine und ihr Nachwuchs brauchen pflanzliche und tierische Nährstoffe im Wechsel.

Bernd Zimmermann, Sprecher des Hegerings Siebengebirge, geht davon aus, dass die Situation sich noch verschärfen wird: "Die Landwirte bauen immer mehr Mais an, eine perfekte Nahrungsquelle für ganze Rotten." Alt- und Jungtiere können sich in den Feldern satt fressen und haben zugleich gute Deckung. Die Energiepflanze Mais nimmt deutschlandweit immer mehr Raum in der Landwirtschaft ein: 2011 waren es bundesweit schon 15 Prozent aller Ackerflächen.

"Dauerproblem" für die Bauern

Für die Bauern sind die Rotten "ein Dauerproblem". Christoph Könen, Geschäftsführer der Kreisbauernschaft Bonn/Rhein-Sieg, spricht von Schäden auf den Feldern, deren Beseitigung und Folgen bis zu 10.000 Euro kosten können. Die Jagdpächter haben sie zu tragen, nur selten kommt es laut Könen nach einer Begutachtung zu einem Rechtsstreit zwischen Landwirten und Jägern über die Höhe von Ausgleichzahlungen. "Alles in allem pflegen wir ein gutes Verhältnis zu den Jägern", sagt Könen. Oft werden auf deren Empfehlung Elektrozäune installiert oder Schneisen durch die Felder geschnitten, um jagen zu können. Denn die Jagd ist in milden Zeiten die einzig verlässliche Möglichkeit der Selektion. Ausgewachsene Bachen können mehrmals im Jahr bis zu zehn Frischlinge zur Welt bringen, die ein Jahr später geschlechtsreif sind.

"Man muss sie konsequent und scharf jagen, auch wenn es ein schweres Handwerk ist", erklärt Pape. Die Population nehme in Wellen ab und zu. 2014 erlegten die Jäger im Kreis nach einem kalten Winter etwa 2000 Wildschweine. Pape geht davon aus, dass es in diesem Jahr die doppelte Anzahl werden wird, ähnlich wie im Jahr 2013.

Hegering-Sprecher Bernd Zimmermann sieht für Bürger, die am Waldrand leben, nur eine effektive Möglichkeit, sich die Allesfresser vom Hals zu halten. "Fest im Boden verankerte Zäune. Da kommen sie nicht durch und ziehen weiter."

KURZ GEFRAGT

Über die Jagd auf Wildschweine sprach Philipp Königs mit dem Jagdberater des Rhein-Sieg-Kreises, Jörg Pape.

Herr Pape, wenn Wildschweine schon bis in die Gärten kommen, wie würden sie auf Menschen reagieren?
Jörg Pape: Man braucht sich nicht vor ihnen zu fürchten. Sie sind schreckhafte Tiere, die bei einer Begegnung in der Regel sofort die Flucht ergreifen. Es kann in Ausnahmefällen passieren, dass sie sich etwas aufspielen, wenn sie gerade Frischlinge bekommen haben und sie einem an Wanderwegen begegnen. Sie würden aber nicht auf die Idee kommen, jemanden anzugreifen.

Wie werden Wildscheine gejagt?
Pape: Die Tiere sind sehr schlau und kommen unter extremen Bedingungen gut zurecht. Sie merken sich, wo sie sicher sind und wo auf sie geschossen wird. Sie ziehen sich beispielsweise in die Nähe von viel befahrenen Straßen zurück. Die Drückjagd eignet sich deshalb besser als die Einzeljagd.

Zielen die Jäger auf alle Tiere, auch auf die Frischlinge?
Pape: Bevorzugt legen sie auf noch nicht ausgewachsene, aber geschlechtsreife Jungtiere an, um die Population möglichst effektiv einzudämmen. Die jungen Wildsauen können schon nach weniger als einem Jahr zwei bis drei Jungtiere auf die Welt bringen. Auf Frischlinge darf sogar das ganze Jahr geschossen werden. Das macht auch Sinn. Natürlich kann ich nachvollziehen, dass ein Jäger ungern auf solch ein kleines Tier schießt. Aber nur wenn wir die Schwarzkittel konsequent jagen, schaffen wir es, ihren Bestand auf einem erträglichen Niveau zu halten.