Eine Schule mit Standorten in Königswinter und Bornheim "Wir sind keine inklusive Gesellschaft"

Seit den Sommerferien ist die Drachenfelsschule in Niederdollendorf Teilstandort einer Verbundschule mit den Förderschwerpunkten Sprache und Lernen in Bornheim.

Schulleiterin Franziska Föhmer legt beim Tag der offenen Tür in der Niederdollendorfer Drachenfelsschule bei einer Schaufensterpuppenschau ihrer Schüler letzte Hand an die Ausstellungsstücke an.

Schulleiterin Franziska Föhmer legt beim Tag der offenen Tür in der Niederdollendorfer Drachenfelsschule bei einer Schaufensterpuppenschau ihrer Schüler letzte Hand an die Ausstellungsstücke an.

Foto: Frank Homann

Mit Schulleiterin Franziska Föhmer sprach Hansjürgen Melzer.

Frau Föhmer, wie teilt man sich als Leiterin einer Verbundschule auf zwei Standorte auf?
Franziska Föhmer: Montags bin ich eigentlich immer in Bornheim, weil da Konferenztag ist. Anfangs bin ich öfters zweimal am Tag zwischen beiden Schulen hin- und hergefahren. weil auch die Personalsituation in Bornheim sehr angespannt war. Aber das wird jetzt besser. Eigentlich ist vorgesehen, dass ich jeweils zweieinhalb Tage pro Woche in Königswinter und Bornheim bin.

Was bedeutet das für Lehrer und Schüler?
Föhmer: Für die Schüler eigentlich gar nichts, außer wenn wir gemeinsame Projekte, wie zum Beispiel zur Berufsvorbereitung, machen, wobei diese Kooperation von uns auch ausdrücklich gewünscht ist. Auf die Kollegen hat es sich bisher auch noch nicht ausgewirkt. Bis auf gemeinsame Konferenzen zweimal pro Halbjahr. Bei Neueinstellungen müssen sich die Kollegen aber mit dem Gedanken anfreunden, dass sie an beiden Standorten arbeiten müssen. Aber nicht am selben Tag.

Wie viele Schüler haben Sie?
Föhmer: 195, rund die Hälfte in Königswinter. Die Mindestgrößenverordnung, nach der 144 Schüler eine Förderschule besuchen müssen, hätte das Aus für beide Schulen bedeutet. Dabei haben wir ein bisschen Fluktuation durch die häufigen Anfragen von Eltern, für deren Kinder das gemeinsame Lernen in den Inklusionsklassen nicht so läuft. Sie haben die Möglichkeit, bei uns ein in der Regel vierwöchiges diagnostisches Praktikum zu machen. In der Zeit schauen wir sehr individuell, ob wir diese Kinder besser fördern können.

Haben Sie deshalb auch so um den Erhalt der Förderschule gekämpft?
Föhmer: Ja. Die Eltern haben keine andere Wahl mehr, weil die Gesamtschule keine Quereinsteiger aufnehmen kann. Für Kinder mit Förderbedarf wäre es sonst sehr problematisch, weil die nächste Schule in Sankt Augustin wäre. Die Förderschule ist ein geradezu elitäres Schulsystem, aber mit einem hohen Stigma, was ein Anachronismus ist. Wir haben Bedingungen, die sich viele nur wünschen können. Auf nur zehn Schüler kommt eine Lehrerstelle. Viele Kinder mit Förderbedarf sind von großen Schulen hingegen einfach überfordert. Für die Jugendlichen, die zu uns kommen, ist das enge System ganz wichtig.

Aber dennoch geht die Tendenz der Eltern eher zur Gesamtschule?
Föhmer: Vielen Eltern ist nicht klar, dass ihre Kinder mit Förderbedarf auch auf der Gesamtschule den Förderschulabschluss machen. Wir würden ja eine ganz schlechte Arbeit machen, wenn ein Kind, nur weil es auf ein anderes Schulsystem geht, auf einmal keinen Förderbedarf mehr hat. Wir bringen unsere Schüler zu dem für sie höchstmöglichen Abschluss. Das ganz große Plus der Förderschulen ist die Berufsvorbereitung, bei der wir auch stark von Unternehmen unterstützt werden.

Die Drachenfelsschule ist seit einigen Jahren auch Förderschule Sprache im Primarbereich. Wie viele jüngere Kinder haben Sie?
Föhmer: Sie machen ungefähr ein Drittel aller Schüler aus. Für die Kinder mit Förderbedarf Sprache macht es viel Sinn, zwei bis drei Jahre hier bei uns zu sein. Die meisten können wir bis zum dritten Schuljahr wieder in eine normale Grundschule zurückschulen.

Wie stehen Sie zur Inklusion?
Föhmer: Alle Schüler in eine Klasse zu setzen, ist noch keine Inklusion. Gesellschaftliche Teilhabe ist mehr als nur gemeinsam irgendwo zu sein. Es wäre eine große Errungenschaft, wenn wir jedem Kind das anbieten könnten, was es braucht. Es wird schwierig, wenn man nur noch ein System für alle hat. Wir reden zwar viel von Toleranz. Aber wir sind leider keine inklusive Gesellschaft, sondern eine Wettbewerbsgesellschaft, in der viele Kinder diskriminiert werden.

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