Leuscheider Rudel im Kreis Neuwied Wölfe schießen oder laufen lassen?

Kreis Neuwied · Die Wölfe des Leuscheider Rudels reißen weiterhin Tiere. Politiker im betroffenen Kreis fordern den Abschuss. Ein Wolf steht besonders im Fokus.

 Regulierende Eingriffe in die Wolfspopulation im Kreis Neuwied fordern Landrat Achim Hallerbach und der Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel – als Ultima Ratio auch den Abschuss.

Regulierende Eingriffe in die Wolfspopulation im Kreis Neuwied fordern Landrat Achim Hallerbach und der Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel – als Ultima Ratio auch den Abschuss.

Foto: picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte

Diese Kunde aus dem fernen Brüssel hören die Befürworter einer sogenannten Regulierung der Wolfsbestände im Kreis Neuwied nur zu gerne: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in einem Schreiben an die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament darauf hingewiesen, dass die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) grundsätzlich aus Sicht der EU-Kommission Spielräume für die Mitgliedsstaaten eröffne, um auf wachsende Wolfsbestände zu reagieren. Heißt: Politiker wie Landrat Achim Hallerbach und der hiesige Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel (beide CDU) sehen sich durch den von der Leyen-Vorstoß bestätigt, der zunehmenden Population des Wolfes – falls nötig – gegebenenfalls mit der sogenannten Entnahme Herr zu werden.

Mit dem Begriff Entnahme ist sowohl das Fangen als auch die Tötung des Tieres nach dem Bundesnaturschutzgesetz gemeint. Insbesondere der Grauwolf mit der Kennung GW1896m aus dem Leuscheider Rudel, der laut Zahlen des Landes alleine im Frühjahr dieses Jahres für mehr als 30 Nutztierrisse im Rhein-Sieg-Kreis, im Kreis Neuwied und im Kreis Altenkirchen verantwortlich zeichnet, ist manchem Wolfsgegner ein Dorn im Auge. Und: An einigen Vorfällen war auch die ihn begleitende Wölfin mit der Kennung GW1415f beteiligt, wie DNA-Untersuchungen an den Bisswunden der getöteten Schafe und Ziegen zeigten. Die Wölfin aus dem Leuscheider Rudel hatte im Frühjahr vergangenen Jahres mehrere Welpen zur Welt gebracht, die im Windecker Ortsteil Leuscheid an der Grenze zu Rheinland-Pfalz beim Herumtollen gefilmt worden waren.

Zahlreiche Nutztierrisse durch Grauwolf GW1896m

Der in Windhagen, wo es auch schon Wolfssichtungen gegeben hat, lebende Rüddel fordert nun eine klare Regulierung der Wolfsbestände. „Der Wolf ist da. Das muss man akzeptieren, aber wir müssen eine Höchstgrenze festlegen, die für ein Miteinander von Nutztieren und Menschen als akzeptabel eingestuft wird“, erklärt der Christdemokrat. Schließlich zeigten die Zahlen von mittlerweile fast 2000 Wölfen in Deutschland deutlich, dass es weiterhin erforderlich sei, in flächendecken wolfsabweisenden Herdenschutz zu investieren. „Doch selbst diese Investitionen haben bereits gezeigt, dass auch sie nicht der Weisheit letzter Schluss sind, den durch den Wolf verursachenden Problemen gerecht zu werden“, so Rüddel.

Deshalb, so seine Forderung, müsse eine Regulierung der Wolfsbestände nicht nur dringend erörtert werden, sondern erfolgen. Auch unter Berücksichtigung der EU-Mitteilung, dass die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) Spielräume für die Mitgliedsstaaten eröffnet, um auf wachsende Wolfsbestände zu reagieren, gebe es dazu ein starkes Signal aus Brüssel. „Der Ball liegt damit im Feld der Ampel-Regierung. Die Zahl der Wölfe nimmt deutlich zu. Die Menschen in bestimmten ländlichen Regionen in Deutschland fühlen sich nicht mehr sicher, weil zunehmend häufiger Wölfe ihre natürliche Scheu vor den Menschen verlieren und sich immer näher an Siedlungen herantrauen“, berichtet der Bundestagsabgeordnete, der davor warnt, weiter die Augen zu verschließen, auch von eigenen Erfahrungen: „Auch hier darf man die Menschen in ländlichen Regionen nicht im Stich lassen. Ohne natürliche Feinde kann der Wolf sich immer mehr ausbreiten. Daher wäre es sachgerecht, dessen Schutzstatus anzupassen.“

Regulierung der Wolfsbestände nach schwedischem Vorbild

Mit Verweis auf andere EU-Länder liege „die Lösung auf der Hand“, so Rüddel: „Wenn ein günstiger Erhaltungszustand erreicht ist, werden Wölfe dort unter bestimmten Voraussetzungen bejagt.“ So gebe es in Schweden, Norwegen und Finnland jährliche Jagdquoten mit dem Effekt, dass der Bestand überschaubar gering gehalten werde. In Schweden, dem gegenüber Deutschland wesentlich größeren Land bei deutlich weniger Einwohnern, ist eine Untergrenze von 300 Wölfen definiert, unter die der Bestand nicht sinken soll. !Aber sie ist Grundlage dafür, dass Wölfe in Schweden überhaupt gejagt werden dürfen“, erklärt der Windhagener. Eine Weidetierhaltung werde im Kreis Neuwied „ohne eine wirksame Regulierung des Wolfes nicht funktionieren“. Die Haltung von Schafen, Ziegen oder anderen Nutztieren sei bereits jetzt vielerorts bedroht.

Diese Gefahr sieht auch Landrat Achim Hallerbach. Der Wolf bediene sich „gern am ‚Büfett‘ einer Weidetierkoppel“, so Hallerbach bei einer Veranstaltung der Reihe „LANDreisen“ mit dem Titel „Wolf bleibt Wolf“. Diese regelmäßige Zusammenkunft ist 2015 vom damaligen Ersten Kreisbeigeordneten und heutigen Landrat Hallerbach ins Leben gerufen worden und bringt Landwirte, kommunale Entscheider und Fachbehörden zusammen. „Wölfe, die Probleme bereiten, müssen entnommen werden dürfen. Es kann nicht das Ergebnis der Landespolitik sein, dass sich die Weidetierhalter zurückdrängen lassen“, erklärt Hallerbach. Wenn die Gesellschaft den Wolf wolle, dann müsse sie auch für den Herdenschutz und die Entschädigung aufkommen, fordert der Landrat.

Hintergrund: Bereits im Oktober vergangenen Jahres hatte Hallerbach die „Entnahme“ des Wolfsrüden GW1896m gefordert – also dessen Abschuss. „Wolf ja, aber wenn einzelne Wölfe große Probleme bereiten, müssen sie entnommen werden dürfen“, hatte Hallerbach gefordert und betont, dass an dieser Frage nicht nur Existenzen von Landwirten hängen, sondern dass gerade Schafshalter auch wichtig für die Landschaftspflege der Region sind.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort