Fund bei Bauarbeiten in Bad Honnef Zeitkapsel gibt 107 Jahre altes Geheimnis der Grafenwerth-Brücke preis

Bad Honnef · Restauratoren haben bei Sanierungsarbeiten in der Bad Honnefer Grafenwerth-Brücke eine Zeitkapsel entdeckt. Am Montag wurde das verlötete Kupferrohr erstmals geöffnet. Darin: unter anderem eine Ausgabe des Bonner General-Anzeigers von 1915.

 Münzen, Zeitungen und eine Urkunde holen Helena Kaldenhoff, Gereon Lindlar und Jutta Schmidt aus dem 107 Jahre alten Rohr aus der Zeit der Grundsteinlegung.

Münzen, Zeitungen und eine Urkunde holen Helena Kaldenhoff, Gereon Lindlar und Jutta Schmidt aus dem 107 Jahre alten Rohr aus der Zeit der Grundsteinlegung.

Foto: Frank Homann

So leicht preisgeben möchte die Grafenwerth-Brücke ihr großes Geheimnis nicht: Erst vor wenigen Tagen haben Restauratoren der 110 Jahre alten Rheinquerung während Sanierungsarbeiten im Brückeninneren eine Zeitkapsel entdeckt, von der niemand weiß, wie lange sie schon darin schlummert. „In der Brücke aus dem Jahr 1911, die letztmals im Jahr 1973 aufwendig saniert worden war, ist eine bislang unbekannte und nicht dokumentierte Zeitkapsel verbaut worden“, berichtet Thomas Heinemann, Sprecher der Stadt Bad Honnef. Mit einem Heißluftföhn und ganz viel Geduld versucht Diplom-Restaurator Gereon Lindlar dem etwa 50 Zentimeter langen, gut verlöteten Kupferrohr sein Geheimnis zu entlocken.

Wasserdampf steigt auf, als der konzentrierte Heizstrahl seine Arbeit beginnt, um den Lötstreifen des Zufallsfunds zum Schmelzen zu bringen. „Gefunden haben wir die Zeitkapsel hinter einer Tafel, die unterhalb eines Brückenbogens angebracht war“, berichtete Jutta Schmidt, Leiterin des Tiefbauamtes der Stadt Bad Honnef. Glücklicherweise hängt die Bronzetafel so hoch, dass sie nur mit einer langen Leiter erreichbar wäre. „Für uns als Stadt ist das etwas Besonderes, solch eine Zeitkapsel zu entdecken. Oft wissen wir gar nicht, wo die bei der Grundsteinlegung verbaut worden ist“, so Schmidt.

 Allerlei Münzen, mit denen sich um das Jahr 1915 bezahlen ließ, sind, in Papier eingewickelt, in dem Kupferrohr zu finden.

Allerlei Münzen, mit denen sich um das Jahr 1915 bezahlen ließ, sind, in Papier eingewickelt, in dem Kupferrohr zu finden.

Foto: Frank Homann

Was könnte in der Kapsel verborgen sein? „Wir wissen es nicht“, räumt Lindlar ein, während sein Heißluftföhn weiterhin mit 600 Grad auf das Kupferrohr einwirkt. Als er winzige Wasserbläschen auf der Oberfläche des Fundstücks entdeckt, ist er sicher, dass sich auch Wasser im Inneren der Kapsel befinden könnte. „Tja, es könnte sich um Rheinhochwasser handeln“, schlussfolgert Schmidt. Wenn der Rheinstrom aus seinem Bett kommt, steht das Wasser nicht selten bis unter die Brückenbögen. „Das dürfte in den vergangenen 111 Jahren recht häufig der Fall gewesen sein“, vermutet Jutta Schmidt.

Seit dem 22. November vergangenen Jahres arbeiten Fachleute an der von 1911 bis 1912 erbauten Rheinbrücke, die die einzige Zufahrtsmöglichkeit über den Altarm zur Insel Grafenwerth darstellt. Die weiter südlich liegende Berck-Sur-Mer-Brücke entstand anno 1976 – als Stahlbrücke. Zur architektonischen Besonderheit macht die Grafenwerth-Brücke, dass sie als eine der ersten Stahlbetonbrücken überhaupt in Deutschland gehört, die in dieser, wie selbst Baufachleute sagen, schlanken Bauweise entstanden ist und deshalb 1993 als besonderes Baudenkmal in die Denkmalliste aufgenommen wurde. Wie ein Fingerzeig auf die Diskussionen heutiger Zeit gilt der Grund, warum 1911 mit den Bauarbeiten zwischen der Rheininsel Grafenwerth und dem Rheinufer begonnen wurde. „Die Brücke Grafenwerth wurde zur Erschließung der Insel Grafenwerth für die Naherholung und den Fremdenverkehr nach dem Entwurf des Bad Honnefer Architekten Ottomar Stein errichtet“, erklärt Fabiano Pinto, Geschäftsbereichsleiter Städtebau der Stadt Bad Honnef. „Bei allen Diskussionen, die wir heute um die Nutzung von Grafenwerth haben, finde ich es interessant, dass die Nutzung vor 111 Jahren schon so intensiv war, dass die Brücke gebaut werden musste“, sagt Bürgermeister Otto Neuhoff.

Als nach 20 Minuten die Schweißnähte dem konzentrierten Heißluftstrahl noch immer zu widerstehen scheinen, greift Gereon Lindlar eigenhändig zu seinem Plan B: „Ich brauche bitte eine Zange“, sagt der Diplom-Restaurator. Keine Minuten später öffnet er den Deckel der Kupferkapsel und blickt hinein.

General-Anzeiger von 1915 als erstes Fundstück aus dem Kupferrohr

Da er nicht viel erkennen kann, legt Lindlar die Arbeitshandschuhe beiseite und legt weiße Handschuhe an, damit die möglichen Fundstücke keinen Schaden nehmen. Der erste Gegenstand, den er behutsam aus dem Dunklen des Kupferrohres holt, lässt schon nach kurzer Inaugenscheinnahme keinen Zweifel an seinem Alter: Es ist eine Ausgabe des Bonner General-Anzeigers, die von Freitag, 1. Oktober 1915, datiert. „Das ist interessant: Das sind etwa drei Jahre nach der eigentlichen Fertigstellung“, sagt der Restaurator mit einem Glänzen in den Augen. Ebenfalls von diesem Tag, respektive einem Tag später, stammen die Exemplare der Deutschen Reichszeitung und der Kölnischen Zeitung, die ebenso mit Landlars behandschuhter Hand ans Tageslicht gelangen.

Das Glänzen in Lindlars Augen nimmt aber wenig später noch zu, als etwas herausholt, was in Papier eingewickelt ist. „Das hört sich nach Metall an“, sagt er und irrt nicht: In dem feuchten Papier eingewickelt, sind eine Reihe von – zwischenzeitlich erkennbar oxidierten – Geldmünzen aus dieser Zeit, unter anderem ein Dreimarkstück. „Nur die Goldmark haben sie damals nicht reingelegt“, berichtet der Fachmann vom Bonner Büro für Restaurationsberatung.

Restauratoren öffnen 107 Jahre alte Zeitkapsel in Bad Honnef
24 Bilder

Restauratoren öffnen 107 Jahre alte Zeitkapsel in Bad Honnef

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Schon eins geworden mit der Innenseite des Rohrs ist ein weiteres Fundstück: eine in Pappe eingewickelte Urkunde, in der nachzulesen ist, dass Wilhelm II., damals König von Preußen und Kaiser des Deutschen Reiches, den Bau der Grafenwerth-Brücke gutgeheißen hatte. Ebenso ist aufgeführt, welche Architekten und Baumeister an dessen Entstehung mitgewirkt haben. „Tolle Dokumente für das Archiv“, findet Neuhoff. Restauratoren werden jetzt die Fundstücke restaurieren. Ob sie dann allerdings wieder zurück ins Kupferrohr und hinter die Bronzetafel kommen, ist fraglich. Denn: „Wir können froh sein, dass diese Metalle bislang noch nicht gestohlen worden sind. Das soll auch so bleiben“, findet Jutta Schmidt.

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