Inklusives Zirkus-Projekt in Hennef Das Mondmädchen zaubert am Ende alle in den Schlaf

Bad Honnef / Hennef · Der Verein „Mutathe“ ist für sein inklusives Zirkusprojekt Mutando bekannt. Das Pandemiejahr voller Proben wollen die Teilnehmerinnen jetzt mit einem Filmprojekt zur Gender-Thematik abschließen.

 Die Teilnehmer des inklusiven Zirkus Mutando präsentieren ihre Übungen. 

Die Teilnehmer des inklusiven Zirkus Mutando präsentieren ihre Übungen. 

Foto: Susanne Haase-Mühlbauer

Die Web-Seite „Bedeutung online“ erklärt das Wort „Tussi“ oder „Tusse“ als abwertende Bezeichnung für eine attraktive, modisch gekleidete, affektierte und eingebildete Frau. Zu den Synonymen zähle das Wort „Trulla“ oder „Zicke“ und der Plural sei „Tussis“ bzw. „Tussen“.

Demnach standen am vergangenen Samstag zwölf Tussen im Alter von 11 bis 17 Jahren in Hennef vor der Kamera. Sie genossen das scheinbare „Blitzlichtgewitter“, das sich in den heißen Nachmittagsstunden auf dem Spielplatz an der Selma Lagerlöf-Straße aus den mitten im Grünen aufgebauten Kameras vor ihnen abspielte. Sie turnten an und in den Luftringen, die während der Dreharbeiten der Wuppertaler Filmfirma die Schaukeln auf dem Spielplatz ersetzten. Mal simultan und mal solo überzeichneten die Turnerinnen im Tutu ihre Posen, zeigten sich mal hochnäsig und eingebildet, mal körperbetont und gelenkig und waren vor allem eines: eine Gruppe voller konzentrierter, bestens vorbereiteter junger Tänzerinnen, die die Choreographie auch unter den kritischen Blicken und steuernden Worten ihrer Projektleiterin Regine Held und ihrer beiden Artistik- und Tanz-Dozenten bestens verinnerlicht hatten.

Der Grund für die tatsächlichen Filmaufnahmen durch ein Kamerateam der Wuppertaler Film-Produktionsfirma Siegersbusch: Der Verein „Mutathe“ (dessen Name sich zurückführt auf die drei Künste „Musik, Tanz und Theater“) feiert das Ende seines diesjährigen Zirkusprojekts „MuTando“ diesmal nicht mit einer Aufführung im Zelt und mit Artistik und Tanz am Vertikaltuch, sondern mit Corona konformen Übungen am Luftring.

 Der inklusive Zirkus probte ein ganzes Jahr lang aufgrund der Pandemie.

Der inklusive Zirkus probte ein ganzes Jahr lang aufgrund der Pandemie.

Foto: Susanne Haase-Mühlbauer

Grenzen im Bühnenspiel aufbrechen

Das Zirkusprojekt MuTando ist ein inklusives Projekt zur Vermittlung kultureller Bildung im Rhein-Sieg-Kreis. Die Teilnehmer besitzen einen unterschiedlichen Herkunft- und Bildungshintergrund. In gemeinsamen Zirkus-Projekten werden sie zusammengebracht. Mögliche Grenzen werden im gemeinsamen Bühnenspiel aufgebrochen und so das Ziel der besseren Intergration verfolgt.

Auch das diesjährige Film-Projekt „Switch – was ihr wollt!“ wird von dem Verein „MuTaThe“ aus Bad Honnef in Kooperation mit dem Amt für Kinder, Jugend und Familie der Stadt Hennef, dem DRK-Nordrhein-soziale Dienste und weiteren Kooperationspartnern durchgeführt. Der Hauptfördergeber ist der Verein „Aktion Mensch“.

Insgesamt 40 Kinder und Jugendliche erhielten in fünf Gruppen aus drei Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises (Hennef, Oberkassel und Königswinter) im Corona-Jahr durch den Verein MuTaThe ein artistisch-tänzerisches Angebot. „Durch die Pandemie mussten wir entweder online oder draußen proben“, erklärt Regine Held, die die Verwirrung des vergangenen Jahres zu einem Film-Projekt bündelte, das sich mit der Gender-Thematik auseinandersetzen will. „Bei Shakespeare ist das auch schon thematisiert“, erklärt Held den Bezug zur Shakespeare-Komödie. Ob Mann oder Frau – diese Frage stellt sich bei Shakespeare auch den Verehrern und Verehrerinnen des Zwillingspaares Viola und Sebastian in seinen Verkleidungsrollen. Die Beschäftigung mit dem Klischee-Bild der Tusse erinnere dann im Neuen Zirkus an die Hofdamen der Shakespeare-Komödie.

Mädchen waren motiviert bei der Sache

Der spanische Artistik-Pädagoge Adrian Castello zeigte sich von der Leistung seiner Eleven bei den Filmaufnahmen begeistert: „Die Mädchen haben einfach große Lust zu gestalten. Sie möchten raus auf die Bühne und zeigen, was sie gelernt haben.“ Und Tanzlehrerin Veronika Kolosova fügt hinzu, dass die Mädchen auch jede Menge eigene Ideen eingebracht haben und dann gemeinsam diskutiert wurde, was dann davon szenisch vorführbar sei.

„Manches haben wir uns von den Top Models abgeguckt“, sagt die elfjährige Evelyn Schmidt, die im Zirkus MuTando bereits seit 2018 dabei ist. Sie liebt es, artistisch zu turnen, aber auch, mit ihren Freundinnen aus der Gruppe etwas gemeinsam zu gestalten. In der aktuellen Zirkus-Inszenierung fügt Evelyn am Ende der Geschichte als „Mondmädchen im Luftring“ alle Szenen magisch zusammen, indem sie die Akteure in einen Schlaf „zaubert“. Ihr Mondmädchen-Tanz am Luftreifen gelang mit bezaubernder Leichtigkeit und großer Anmut. Mutter Irina Schmidt, die den Dreh vom Spielplatz-Rand verfolgte, erinnert sich gerne an die Präsenz-Auftritte der vergangenen Jahre zurück. „Das hat den Kindern immer Spaß gemacht“, sagt sie und ist schon sehr gespannt, wie der Kompromiss einer filmischen Abschlussveranstaltung gelingt.

Die soll aus mehreren Einzelszenen aller fünf Gruppen zusammengeschnitten werden und am Ende die moderne, tänzerisch-artistische Interpretation von Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“ darstellten. Bei Regine Held erhält der Shakespeare-Titel eine wesenhafte Ergänzung: „Switch – was Ihr wollt!“.

„Das Genre des Neuen Zirkus eignet sich gut für eine szenische Bearbeitung des Themas“, sagt Held.

Als Projektleiterin und Ideengeberin des Vereins hat sie auch im Lockdown mit den Kindern und Jugendlichen weitergearbeitet und in den vergangenen vier Wochen auf den Wochenend-Dreh in ihren fünf Gruppen hingearbeitet.

Die Musik muss nun noch eingespielt werden, die Szenen geschnitten und zu einem „Gesamtkunstwerk“ aus Theater, Tanz und Artistik zusammengefügt. Der fertige Film wird dann in Kürze über die Homepage des Vereins „www.mutathe.de“ zu sehen sein können und wird dann auch auf facebook hochgeladen.

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