Aufräumen nach dem Hochwasser beginnt Der Rheinpegel im Siebengebirge ist gesunken

Siebengebirge · Schon am Samstag begann das Aufräumen: Der Rheinpegel sank am Wochenende kontinuierlich, die ersten Gastronomen in Königswinter öffneten bereits am Sonntag wieder die Terrassen an der Promenade. Viele waren in Gedanken bei den Menschen auf der anderen Seite des Rheins.

 Das Großreinemachen begann am Wochenende am Rhein wie hier in Unkel.

Das Großreinemachen begann am Wochenende am Rhein wie hier in Unkel.

Foto: Frank Homann

Die Hochwasserprognose hielt, was sie versprach. Schon am Sonntagmorgen war die Rheinallee wieder wie geleckt. Die Baukolonne der Stadt Königswinter hatte noch am Samstag und dann am Sonntagfrüh „geputzt“ und die Hinterlassenschaften des Besuches von Vater Rhein beseitigt.

Lediglich rund um das Eselsdenkmal schmatzte die braune Brühe noch leicht übers Ufer. Erleichterung überall, aber auch sehr viel Mitgefühl für all die Opfer der Unwetterkatastrophe rundum war zu verspüren, denen mehr als ein Großreinemachen bevorsteht.

Aktion für Flutopfer an der Ahr

„Das ist jetzt mein zweites Hochwasser seit Eröffnung. Wir haben die Nacht durchgemacht und alles eingeräumt“, sagte Adel Alouini vom Café Bonjour am Rhein am Sonntagmorgen. Schon gab es wieder den ersten Kaffee bei ihm. Ein Schild machte auf die Aktion für die Flutopfer von der Ahr aufmerksam.

„Die Einnahmen von heute spenden wir komplett, auch die von unserer Filiale in Köln. Wir werden auch heute noch mit Geräten rüberfahren, um zu helfen. Und“, so Alouini, „heute früh waren ältere Damen hier, die aus Bad Neuenahr evakuiert wurden. Sie kommen wieder und bekommen selbstverständlich alles umsonst.“ Auch die beiden Gäste Yücetepe Sultan und Mahjoub Nejmedeine unterstrichen: „Wir müssen zusammenhalten.“

Auch der Eissalon Cordella war gestern schon zeitig für die Gäste da. Chef Devid Cordella rückte noch eine große Pflanze auf die Terrasse. „Bis auf die letzte Stufe war das Wasser vorgedrungen. Wir hatten alles ausgeräumt, hatten mit Schlimmerem gerechnet.“

Zweites Hochwasser in diesem Jahr

Juliana Cordella füllte derweil bereits die ersten Eistüten, strahlte ihre Kunden an, „obwohl wir das Jahr 2021 abhaken können: Corona, zweimal Hochwasser, schlechtes Wetter. Aber wenn ich an die Opfer der Unwetterkatastrophe denke, dann können wir uns glücklich schätzen“.

Zwar liegt das Bistro & Café Berzen an der Rheinallee von Königswinter direkt am Wasser – aber Wirt Karl Berzen konnte noch am Samstag öffnen, als erster an der Rheinfront Königswinters, nachdem sich das Wasser von seiner Terrasse wieder zurückgezogen hatte, während die südlicher gelegenen Lokale noch dicht bleiben mussten.

Berzen machte mit seiner Mannschaft sein Café und die kleine Terrasse startklar. „Ich muss gleich mal den Bäcker anrufen, ob er mich vergessen hat mit der Lieferung“, meinte Berzen, der gar nicht erst ausgeräumt hatte. „Beim Hochwasser im Januar stand das Wasser 50 Zentimeter hoch im Café, aber jetzt habe ich nicht mit so viel gerechnet. Ich mache das seit 30 Jahren, habe schon Erfahrung.“

Wirte machten die Luken dicht

Hochwassertouristen, die über die Tomberger Straße an den Rhein drängten, konnten hier schon Kaffee trinken. Anders bei Berzens Kollegen, die noch Land unter hatten. Gerade war das Geschäft in den Gaststätten an der Rheinpromenade nach den Corona-Schließungen wieder angelaufen, da mussten die Wirte vergangene Woche ja erneut „die Luken dichtmachen“. Heinz Kremer und Heike Ottersbach standen am Samstag deshalb nicht am Tresen und in der Küche ihrer Wein- & Bierwirtschaft H & H, sondern warteten auf den Bus hoch zur Margarethenhöhe.

„Wir besuchen heute unsere Kollegen auf dem Oelberg.“ Kremer und Ottersbach hatten ihr Lokal an der Rheinpromenade am Donnerstag verbarrikadiert und von einem Umzugsunternehmen das Mobiliar, einschließlich der Theke, abbauen und einlagern lassen.

„Das ist aber nicht stand by, so dass wir unsere Sachen erst am Mittwoch zurückbekommen und erst am nächsten Donnerstag öffnen können“, bedauerten die beiden. „Das Wasser ist bis zur vorletzten Stufe gekommen. Wir sind noch glimpflich davongekommen, uns geht es gut – wir bedauern die armen Menschen in den Unwettergebieten …“

Geschäft mit Postkarten läuft besonders gut

Touristen pilgerten am Samstag zum Marktplatz und saßen auf den Stufen des Sea Life, um den Fluten zuzusehen. Der Esel am Rheinufer hatte nasse Füße, Briefkasten und Leihfahrräder standen zur Hälfte im Wasser. Kinder planschten am Rand der noch völlig überspülten Straße. Da hatten Mitarbeiter des Ordnungsamtes ein Auge drauf und klärten Eltern auf: „Es reicht schon eine kleine Welle, um ein Kind wegzureißen.“

Claudia Fiest vom Andenkengeschäft auf dem Marktplatz meinte: „Die Leute kommen auch von weiter her, um sich das hier anzusehen. Heute gehen besonders Souvenir-Artikel. Und seit Corona laufen Postkarten wie geschnitten Brot, deutlich mehr als vor Corona. Aber wir haben Hochwasser mit Ankündigung. Ich muss an die Menschen an der Ahr und den anderen Katastrophengebieten denken.“

Tote Hose auf Grafenwerth

„Hier ist tote Hose“, sagte Vladimir Benjak, der auch am Samstag mit Irene Umschlag am Aufgang der Brücke zur Insel Grafenwerth seinen Eis und Crêpes-Stand aufgebaut hatte. Der Nordteil des Eilands war wegen Hochwasser abgesperrt, dennoch tummelten sich einige Kinder auf dem Spielplatz, die sich neben den Sperrzäunen durchgezwängt hatten.

Erwachsene schauten von der Brücke auf den Rhein. Es schepperte laut, als ein Baum, der schnell durch den Toten Arm angeschwemmt wurde, mit dem Wurzelballen gegen die Anlegestelle am Wassersportverein und eine Yacht krachte und sich dort verhakte. Vielleicht ein Relikt von der Ahr. Ein Mann: „Was hier alles vorbeigeschwommen ist in den letzten Tagen ...“ Aufatmen am Rhein, aber in Gedanken bei den gebeutelten Nachbarn jenseits des Rheins.

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