Keine klare Ansage der Politik Karnevalisten im Siebengebirge sorgen sich um Session

Siebengebirge · Die folgenreiche Karnevalssitzung in Gangelt im Kreis Heinsberg gilt als „Brandbeschleuniger“ der Pandemie. Verhagelt Corona nun die Session? Gesellschaften im Siebengebirge vermissen eine klare Ansage der Politik.

 Dicht gedrängt feiern die Jecken mit der KG Halt Pol im Kursaal: Ein Bild aus vergangenen Tagen, das es in Corona-Zeiten nicht geben kann.

Dicht gedrängt feiern die Jecken mit der KG Halt Pol im Kursaal: Ein Bild aus vergangenen Tagen, das es in Corona-Zeiten nicht geben kann.

Foto: Frank Homann

Eine Kappensitzung in Gangelt im Kreis Heinsberg gilt als „Brandbeschleuniger“ für die Covid-19-Pandemie, die Region als „deutsches Wuhan“. Die Karnevalisten im Siebengebirge machen sich unter diesem Vorzeichen Sorgen über die Session 2020/2021 und wünschen eine klare Ansage durch die Politik. Die einen sind ratlos, die anderen sagen jetzt schon alles ab.

„Keiner kann sich eine vernünftige Session vorstellen“, sagt Susi Krewinkel, die Vorsitzende der KG Klääv Botz Aegidienberg. „Es wäre schlimm für uns, wenn durch eine Karnevalssitzung eine Erkrankung mit Covid-19 eintreten würde. Wir ziehen die Reißleine: Wir verschieben die Session um ein Jahr – mit einem Programm eins zu eins, wie wir es für 2020/2021 geplant haben. Unsere ausgewählten Tollitäten werden erst in der Session 2021/22 antreten.“

Vereine „hängen völlig in der Luft“

Die KG-Chefin fügt an: „Wir Karnevalsvereine hängen völlig in der Luft. Gerade erst wurde das Verbot von Großveranstaltungen bis zum 31. Oktober verlängert. Und keiner traut sich, eine klare Ansage darüber hinaus zu machen.“

Ludwig Manderscheid, der Vorsitzende der Narrenzunft Oberpleis erklärt: „Eine endgültige Entscheidung haben wir noch nicht getroffen, aber die Tendenz ist, dass bei uns keine Session stattfindet. Ein generelles Verbot durch die Landesregierung wäre die einzig saubere Lösung, aus der prekären Situation herauszukommen.“

Bei einer Mitgliederversammlung des Bad Honnefer Festkomitees wurde bereits einstimmig beschlossen, die Sessionseröffnung am 14. November im Kursaal abzusagen. Vorsitzender Stefan Jungheim: „Wegen der Abstandsregeln geht das nicht im Kurhaus. Aber wir prüfen, den Start als Außenveranstaltung durchzuführen.“

Keine abgespeckte Session

Fritz Pacht, der Präsident des Festausschusses Siebengebirge (FAS), in dem sich Karnevalsvereine von Beuel bis Unkel organisiert haben, weiß: „Es gibt Vereine, die bereits abgesagt haben, andere halten sich zurück, was mit Haftungsfragen zusammenhängt. Wir warten auf die klare Ansage aus der Politik. Die Vereine brauchen Planungssicherheit.“

Für den Festausschuss stehe bereits fest, „dass wir keine Tollitäten küren und auch keinen Vorstellabend durchführen“. Denn: „Siebengebirgsmajestäten sollen eine schöne Session haben. Das ist in einer abgespeckten Session nicht möglich. Wir gehen alle davon aus, dass höchstens sehr kleine Veranstaltungen stattfinden.“

Die Entscheidung darüber liege aber bei den Vereinen. Pacht: „Wir sind nur der Dachverband. Aber wir sind aktiv, um Planungssicherheit durch die Politik zu bekommen.“ Dabei gehe es um Großveranstaltungen. „Die können wir nicht guten Gewissens durchführen, wir wollen nicht der Buhmann sein.“

Große Veranstaltungen im Siebengebirgsraum mit Stars des rheinischen Karnevals führen sonst die Große Königswinterer Karnevalsgesellschaft (GKKG) und die KG Postalia in der CJD-Aula mit jeweils mehr als 700 Besuchern durch.

Auch bei der KG Halt Pol in Bad Honnef wird es eng, wenn Spitzenkräfte aus Köln im Kursaal auftreten, nicht anders ist es bei Ramba-Zamba der Ziepches Jecke am selben Ort oder bei der Großen Selhofer im Saal Kaiser und den vielen kleineren Vereinen.

In engem Kontakt mit Künstlern und Agenturen

GKKG-Präsident Guido Hoffmann sagt: „Wir planen noch ganz normal, weil wir bindende Verträge haben, es sei denn, die Verfügungen über das Verbot von Großveranstaltungen würde verlängert.“ Auch er mahnt: „Es muss eine zeitnahe Entscheidung der Politik geben, spätestens Ende August, Anfang September.“ Für die GKKG steht fest: „Wir können keine halben Sachen machen.“

Hoffmann steht in engem Kontakt mit Künstlern und Agenturen. Natürlich könnten Konventionalstrafen von den Vereinen verlangt werden. „Aber dazu“, ist sich Guido Hoffmann sicher, „wird es nicht kommen. Die Gesprächsbereitschaft bei unseren Agenturen und Künstlern ist sensationell gut. Das ist ein Wahnsinnsausfall für sie. Aber die lassen uns nicht den Bach runtergehen. Müssten wir Strafe zahlen, müsste der Verein Insolvenz anmelden. Dann gäbe es auch keinen Karneval mehr.“ Und: „Im Vorstand denken wir über Alternativen nach.“ Etwa eine Open-Air-Veranstaltung im Sommer 2021.

Auch Jens Wilke, Literat der KG Halt Pol Bad Honnef, steht im direkten Kontakt mit den Agenturen und Künstlern. „Sie zeigen alle großes Verständnis.“

An der Kölschen Weihnacht mit den Paveiern wollen die Halt Pöler festhalten. Der zweite Vorsitzender Dirk Schneider sagt: „Wir haben auf unserer letzten Vorstandssitzung beschlossen, dass wir die Entscheidung der Politik abwarten. Und wir hoffen, dass die Landesregierung auch auf die kleinen Gesellschaften, wie die in Bad Honnef, schaut und sagt, besser nicht. Karneval im Saal, wie wir ihn kennen, kann ich mir nicht vorstellen, eine Mädchensitzung im Januar draußen im Schnee auch nicht. Und ein Auto-Kino haben wir nicht.“

„Wir hängen in der Luft“

Auch Alfred Höhler, Geschäftsführer der Rhöndorfer Ziepches, bedauert: „Wir hängen in der Luft. Unser Ramba-Zamba geht unter den Bedingungen nicht.“ Marion Kock, die Vorsitzende der KG Löstige Geselle aus Bad Honnef: „Wir haben unseren Künstlern signalisiert, dass alles verschoben wird.“

Arno Wichelhoven, Präsident und Vorsitzender der KG Fidele Freunde Postalia: „Die Hygienekonzepte lassen die Besucherzahlen einer für 750 Gäste konzipierten Halle auf gerade mal 100 herabsinken. Damit können wir noch nicht mal einen Bruchteil unserer Kosten decken. Zwar bieten die Agenturen ihre Gesprächsbereitschaft an – eine Rechtssicherheit haben die Vereine jedoch nur, wenn die Landesregierung diese Sicherheit durch zumindest das Verbot des Sitzungskarnevals schafft.“

Auch der Straßenkarneval sei problematisch. „Je mehr man darüber nachdenkt, umso mehr reift die Überzeugung, dass es besser ist, ein Jahr komplett auszusetzen.“ Anno Wichelhoven: „Keiner der Vereine möchte den ,abgespeckten‘ Karneval! Hierzu fehlt jedoch die ganz klare Aussage der Landesregierung! Diese eiert nur rum und hangelt sich lieber von Monat zu Monat mit vagen Aussagen durch, als hoffe sie auf den ,großen Zaubertrunk‘, der das Virus auf der Stelle vernichtet! Krisenmanagement geht anders.“

Keine konkrete Vorgabe für den Straßenkarneval

Das Land NRW hat das Verbot für Großveranstaltungen bis mindestens zum 31. Oktober verlängert. In der neuen Coronaschutzverordnung, die am Dienstag veröffentlicht wurde, werden Volksfeste, Stadt-, Dorf- und Straßenfeste, Schützenfeste und Weinfeste genannt. Andere Veranstaltungen mit mehr als 100 Menschen können unter Hygiene- und Abstandsvorgaben erlaubt werden. Ministerpräsident Armin Laschet hat sich gegen Straßenveranstaltungen zur Sessionseröffnung am 11.11. ausgesprochen: „Draußen, Straßenkarneval, Infektionsübertragungszeit, Alkohol, Enge – das passt nicht in diese Zeit.“

Etwas zum Straßenkarneval im Frühjahr zu sagen, sei noch zu früh. Man müsse das Infektionsgeschehen im Herbst abwarten. Das sei für die Aktiven, die langfristig planen wollen, „nicht schön“, so Laschet. „Aber es müssen sich zurzeit andere mit größeren Problemen umstellen in ihren Lebensplanungen.“ (dpa)

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