Kasalla auf Schloss Drachenburg Alle zusammen: Kopfhörer auf
KÖNIGSWINTER · Es wird dunkel, es wird kalt auf dem Plateau hinter Schloss Drachenburg. Ein Pärchen kuschelt, in rote Plüschdecken gehüllt, gegen den Temperatursturz. Die anderen sind mit Jacken gewappnet oder trotzen nur im T-Shirt der abendlichen Kühle.
Ein Accessoire ist jedoch bei allen gleich: Den 250 Gästen hängt ein Paar kabellose Kopfhörer um den Hals. Noch gibt es nichts zu hören, man deckt sich am Essensstand emsig mit Leckereien ein und plauscht. Dann ist der Umbau fertig, das Set steht, Kasalla stürmen die Bühne. Alle zusammen - Kopfhörer auf. "Schloss Drachenburg, wie geht's?" Die Menge jubelt. Fetzige Feel-Good-Riffs, kraftvoller Party-Sound, der typisch kölsche Gesang - das Publikum wippt zu den Eröffnungsklängen von "Home es wo d'r Dom es" auf und ab.
Zwischendrin spontan die Kopfhörer abgesetzt - nanu, wo sind Kasalla hin? Die Musiker hauen in die Saiten, singen und spielen sich die Seele aus dem Leib, doch es ist kaum etwas zu hören. Kein Wunder, so ganz ohne Verstärkung - denn der perfekte Sound schallt an diesem Abend nicht aus großen Standboxen, sondern geht direkt ins Ohr. Wer den Konzertgenuss voll auskosten will, kommt um die Technikaccessoires nicht herum. Ein Kopfhörerkonzert eben, oder besser: 250 kleine Privatkonzerte zum Mitnehmen.
Außergewöhnlich und exklusiv, das sind die Stichworte des Abends. Genau 250 Eintrittskarten zu seinem Event "Laut un leis mit Kasalla" hat der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) auf seiner Facebook-Seite verlost. Das Interesse war riesig: Ganze 4.000 Teilnehmer hofften darauf, Karten zu dem bislang im Siebengebirge einmaligen Open-Air-Konzert zu ergattern. Die Kopfhörer sind weit mehr als ausgefallenes Zubehör, sondern für eine Poprock-Party auf Schloss Drachenburg zwingend erforderlich. Schließlich befindet sich das märchenhafte Gemäuer mitten im Naturschutzgebiet, die Geräuschemissionen müssen daher möglichst leise gehalten werden. Das Konzert sollen nur die Kasalla-Fans hören, sonst niemand.
Ein innovatives Experiment, das voll und ganz aufgeht - und für manch amüsante Szene sorgt. Während Stefan Knittler und die Bonner Newcomer "Molehill Mountaineers" als Vorgruppen das Eis brechen, schallt anderswo ein inbrünstig mitgesummtes "Hallelujah" aus der Schlosstoilette. "Total abgefahren" finden Kasalla das Konzept. Vor ihrem Auftritt lassen es sich die Headliner im Backstage-Bereich gut gehen - traumhaftes Rheinpanorama inklusive. "Für uns ändert sich heute Abend eigentlich gar nichts, wir spielen immer mit Knopf im Ohr", erzählt Sänger Basti Campmann, während die Kollegen die Set-List finalisieren. "Aber die Leute sind verhaltener, wenn sie Kopfhörer aufhaben. Wir müssen uns noch mehr anstrengen, um hier eskalative Stimmung rauszukitzeln."
Und was Kasalla sich vornehmen, das gelingt ihnen auch: Wer will, bekommt zwei Stunden "Kasalla to go", doch die Energie der Kölschrocker muss man einfach hautnah miterleben. Zu Beginn des Abends verkrümeln sich einige Besucher noch auf dem Schlossgelände verstreut in abgelegenen Ecken, um ganz in Ruhe und in trauter Zweisamkeit der Musik zu lauschen, doch je später es wird, desto mehr zieht es die Menschen vor die Bühne. Aus 250 Privatkonzerten wird eine Riesenparty. Wer zunächst nur zum Mitwippen animiert werden konnte, springt bei "Alle Jläser huh" ausgelassen auf und ab.
Und bei "Dat Beste an mir bes du", getragen von Cellistin Lena Wolf, wogt die Menge, in schummrig-blaues Scheinwerferlicht getaucht, wie im Seegang auf und ab. Die Kopfhörer, erst leicht befremdlich wirkend, sind längst vergessen; der Sound - fetzig, rockig, ausgelassen - könnte besser nicht sein. Zum Schluss ist man sich einig: Das schreit nach Kopfhörerkonzert Nummer zwei.