Schau im Siegburger Kreishaus Ausstellung nennt Opfer und Täter von NS-Verbrechen im Rhein-Sieg-Kreis beim Namen

Rhein-Sieg-Kreis · Die zweijährige Studie des Königswinterer Historikers Ansgar Klein über die Medizinverbrechen der Nationalsozialisten in der Region ist als Buch erschienen – und jetzt auch als Ausstellung im Siegburger Kreishaus sehen. Die Schau zeigt die Biografien und Schicksale von Opfern und Täter – und nennt Namen.

Landrat Sebastian Schuster hat die Ausstellung „NS-Medizinverbrechen an Rhein und Sieg 1933-1945“, bestehend aus 18 Schautafeln, im Siegburger Kreishaus eröffnet.

Landrat Sebastian Schuster hat die Ausstellung „NS-Medizinverbrechen an Rhein und Sieg 1933-1945“, bestehend aus 18 Schautafeln, im Siegburger Kreishaus eröffnet.

Foto: Rhein-Sieg-Kreis

Was die Nationalsozialisten aus ideologischen Gründen für medizinische Verbrechen in der Region verübt haben, ist Thema einer Ausstellung im Siegburger Kreishaus.

Das Leid der Opfer an Rhein und Sieg sowie das System, das sie erst dazu machte, hat der Rhein-Sieg-Kreis gemeinsam mit dem LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in einer breit angelegten Studie erforscht. Der Königswinterer Historiker Ansgar Klein hat zu dieser Thematik das Buch „,Euthanasie’, Zwangssterilisationen, Humanexperimente. NS-Medizinverbrechen an Rhein und Sieg 1933–1945“ verfasst, welches 2020 erschienen und im Buchhandel erhältlich ist.

Im Buch geschildert – und auch auf einer der 18 Schautafeln der Ausstellung gezeigt – wird etwa das Schicksal von Josef Fuhr (1884-1941): Der Möbelschreiner aus dem heutigen Königswinter-Eudenbach erlitt als Soldat im Ersten Weltkrieg einen Sturz aus drei Metern Höhe. Danach gab er an, Stimmen zu hören. Fuhr wurde zuerst in der Nervenklinik Bonn behandelt und kam 1934 mit der Diagnose „paranoide Schizophrenie“ dauerhaft als Patient in die Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Bonn. Dort musste er sich auf Antrag der Anstaltsleitung gegen seinen Willen einer Sterilisation unterziehen. Grundlage dafür war das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“.

Enkel Wilbert Fuhr forscht über das Schicksal seines Großvaters

Anschließend brachten die Nationalsozialisten den bereits fünffachen Familienvater über Andernach in die „NS-Tötungsanstalt Hadamar“ in Hessen. Dort wurde Josef Fuhr im Juli 1941 in der Gaskammer ermordet. Wilbert Fuhr, Enkel von Josef Fuhr, recherchierte mit Akribie in den 1990er-Jahren den Fall seines Großvaters Josef Fuhr und machte ihn so bekannt. Bei der Ausstellungseröffnung gewährte Wilbert Fuhr, der ebenfalls in Eudenbach lebt, mit dem Schicksal seines Großvaters beklemmende Einblicke in die eigene Familiengeschichte.

Im Kreishaus können die Besucher jedoch nicht nur die Perspektive der Opfer einnehmen, sondern auch die der Täter. „Ergänzend zum Buch wurde diese 18 Roll-ups umfassende Ausstellung konzipiert, die die Thematik fokussiert vor Augen führt“, sagte Landrat Sebastian Schuster bei der Eröffnung der Ausstellung. „Neben grundlegenden Einführungen in die NS-Medizinpolitik liegen die thematischen Schwerpunkte auf den Biografien der handelnden Ärzte und Opfer im Gebiet unseres heutigen Rhein-Sieg-Kreises“, so Schuster weiter.

„Unser theoretisches Wissen über diese Medizinverbrechen auf die regionale und lokale Ebene heruntergebrochen zu haben, ist das große Verdienst der Forschungen, nach denen immer wieder gerufen worden ist“, betonte Ralf Forsbach, Vorsitzender des Beirates des NS-Medizingeschichte-Projektes. Dass der Rhein-Sieg-Kreis und das Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte des Landschaftsverbands Rheinland mit seiner geballten geschichtswissenschaftlichen Kompetenz zusammengefunden hätten, ist aus Sicht des Privatdozenten ein Glücksfall.

Die Ausstellung „NS-Medizinverbrechen an Rhein und Sieg 1933-1945“ ist bis Freitag, 16. Juni, im Foyer des Kreishauses in Siegburg zu sehen. Ab Donnerstag, 22. Juni, wird die Stadt Hennef die Ausstellung im Rathaus, Frankfurter Straße 97, zeigen. Stationen in weiteren Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises stehen nach Angaben des Kreises noch nicht fest.

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