Drachenfels Bis 1967 begrüßten die Einmann-Orchester die Besucher mit romantischen Liedern

KÖNIGSWINTER · Auf dem Kopf trug er einen Helm mit zahlreichen Zwirbelglöckchen, auf dem Rücken eine große Trommel mit Becken und Triangel. Durch einen am rechten Fuß befestigten Lederriemen setzte er das Schlagzeug in Bewegung. Und in den Händen hielt er seine Schalmei. So soll sich einer der ersten "Sänger vom Drachenfels" mit dem Namen Haberbusch mündlicher Überlieferung nach ausstaffiert haben.

 Marlis Schilds ganzer Stolz ist die Gitarre ihres Vaters, der auf dem Drachenfels sang. Ansgar Klein (Mitte) hielt einen Vortrag über die Sänger und Elmar Scheuren leitet das Siebengebirgsmuseum.

Marlis Schilds ganzer Stolz ist die Gitarre ihres Vaters, der auf dem Drachenfels sang. Ansgar Klein (Mitte) hielt einen Vortrag über die Sänger und Elmar Scheuren leitet das Siebengebirgsmuseum.

Foto: Frank Homann

Der Mann im bunten Wams sang und begleitete sich als Einmann-Orchester. Schwerstarbeit. Mit dem Aufkommen der Personenschifffahrt auf dem Rhein stieg die Zahl der Besucher auf dem Drachenfels. Und dieses bunte Treiben lockte auch Musikanten an, erläuterte Ansgar Sebastian Klein bei seinem Vortrag über die Sänger vom Drachenfels innerhalb der Reihe "Kostprobe" im Siebengebirgsmuseum.

Die Sänger erlangten Berühmtheit und zierten auch so manche Postkarte. Darauf hieß es dann zum Beispiel im fröhlichen Reim: "Der Barde auf dem Drachenfels trinkt Wein wie Wasser eines Quells, besingt die stolze Burgruine und zupft an seiner Mandoline." Wein gab es auch für die zahlreichen Besucher der Veranstaltung. Und Museumsleiter Elmar Scheuren zeigte den Teilnehmern außerdem den Ausstellungsbereich, der den Drachenfelssängern gewidmet ist.

Auch die Tochter des letzten Sängers vom Drachenfels, Marlies Schild aus Heisterbacherrott, war gekommen. Ihr Vater Christian Bungartz war bis 1967 aktiv. Sie hat dem Museum Materialien und auch eine doppelläufige Gitarre ihres Vaters zur Verfügung gestellt. Für die Besucher des Drachenfels "verkörperten die Barden die klingende Rheinromantik in Fleisch und Blut", erläuterte Klein.

Er zitierte aus dem Nachruf des Sängers Erber (1823-1893), der seit den Siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts auftrat: "Sein Äußeres, sein Gebaren, verliehen ihm in jener Umgebung etwas Poetisches. Er passte so recht in die Stimmung hinein." Die Markenzeichen der Sänger waren die Samtjacke, der Schlapphut und die Gitarre.

Sie präsentierten sich ihrem Publikum als weit gereiste fahrende Sänger. Das war gar nicht mal so falsch. Klein: "Es handelte sich um in die Jahre gekommene und sesshaft gewordene Opernsänger." Ihre Aufgabe: die Zuhörer in sorglos heitere Stimmung zu versetzen.

Rhein-, Wein- und Liebeslieder waren angesagt. Der Hotelier warb mit dem Auftritt der Sänger während der Saison von April bis Oktober. Marlies Schild konnte noch eine offene Frage klären: Der Wirt zahlte den Sängern eine Grundgage. Aber natürlich ging auch der Hut rund. Die Barden genossen "Starkult".

Sie wurden in Öl gemalt, die Bilder hingen im großen Saal des Hotels. Besucher ließen sich mit ihnen fotografieren und schickten die Bilder mit Dankschreiben zurück. Das Album, das Elmar Scheuren von Drachenfelssänger Helmut Kohl zeigte, beinhaltete massenweise Fanpost und auch Autogramme von Berühmtheiten wie Elly Ney oder Caterina Valente. 1932 wurde im "Königswinterer Hof" die Operette "Der Sänger vom Drachenfels" aufgeführt.

Musiklehrer Josef Thiebes hatte die sich am "Schicksalsfelsen" abspielende rührend-dramatische Geschichte nach einer Erzählung des Sängers Severin Weber aus Unkel verfasst. Später waren die Barden auch in Rundfunk- und Fernsehsendungen vertreten. Mit Christian Bungartz endete 1967 die Ära der Drachenfelssänger.

Kurz gefragt

Marlies Schild aus Heisterbacherrott ist die Tochter des letzten Sängers vom Drachenfels, Christian Bungartz (1903 bis 1973). Noch bis 1967 war er in Königswinter am Drachenfels aktiver Sänger. Roswitha Oschmann sprach mit seiner Tochter.

In welcher Zeit hat Ihr Vater auf dem Drachenfels gesungen?
Marlies Schild: Er begann 1949. Zunächst wechselte er sich mit Helmut Kohl ab. So ging das bis 1955. Dann war mein Vater der einzige Sänger vom Drachenfels. 1967 hörte er auf.

War er ausgebildeter Sänger?
Schild: Als junger Mann gehörte er bereits dem renommierten Männergesangverein in seinem Heimatort Vilich-Müldorf an und sang Lieder des ebenfalls von dort stammenden Komponisten Willi Trapp. Nach der Volksschule hatte er zunächst eine Elektrikerlehre absolviert und studierte danach Gesang an der Musikhochschule in Köln. Er erhielt Engagements in verschiedenen Städten. Bevor er 1944 eingezogen wurde, stand er in Rostock auf der Theaterbühne. Nach der Kriegsgefangenschaft kehrte er 1945 dorthin zurück und blieb bis 1948. Nach der Währungsreform übernahm er die Gaststätte seiner Eltern. Aber er war mehr Sänger als Wirt.

Haben Sie Ihren Vater auf den Drachenfels begleitet?
Schild: Ab und zu. Er fuhr mit der Bahn und dann mit der Zahnradbahn. Die Leute begrüßten ihn schon unten in Königswinter. Mit seinen romantischen Heimatliedern hat er sich in ihre Herzen gesungen. Das war schon etwas Außergewöhnliches.

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