Prozess am Bonner Landgericht Dachdecker in Königswinter stürzte sieben Meter tief

Bonn/Rhein-Sieg-Kreis · Ein heute 38-jähriger Dachdecker sitzt nach einem Arbeitsunfall im Juli 2013 in Königswinter im Rollstuhl. Die Versicherung hat den Arbeitgeber auf eine Million Euro Schadenersatz verklagt. War der Mann nicht ausreichend gesichert?

 Symbolfoto

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Plötzlich krachte es auf dem Dach der Halle. Der junge Dachdeckergeselle drehte sich erschrocken um und sah noch, wie sein Kollege Jakob K. (Name geändert) neben ihm durch die Decke brach: Eine alte Wellasbestplatte war offenbar unter dem Tritt des Kumpels zersplittert, ein riesiges Loch entstand. Sieben Meter stürzte der damals 35-Jährige ungebremst auf den Betonboden der Halle und blieb leblos liegen.

Das war am 24. Juli 2013. Ein Hubschrauber brachte den lebensgefährlich verletzten Handwerker in die Klinik nach Köln-Merheim. Jakob K. überlebte den Sturz zwar, durchlebt aber seit vier Jahren eine ungeheure Leidensgeschichte. Der Fall des Dachdeckers Jakob K. beschäftigt demnächst das Bonner Landgericht.

Die gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft) des heute 38-Jährigen hat dessen ehemaligen Arbeitgeber, einen Dachdeckerbetrieb im Rhein-Sieg-Kreis, auf knapp eine Million Euro Schadenersatz verklagt: Davon machen alleine 719 584,53 Euro die jahrelangen Behandlungskosten in verschiedenen Kliniken und Rehas aus; 175.000 Euro werden als Schmerzensgeld eingeklagt.

Eigenverschulden des Dachdeckers?

Dabei hat die klagende Versicherung bereits 30 Prozent abgerechnet, die möglicherweise ein Eigenverschulden des Dachdeckers bei seinem Sturz ausgemacht haben könnten. Aber das müssen die Richter der 1. Zivilkammer demnächst noch aufklären. Aufgeklärt werden müssen auch weitere Vorwürfe des Klägers: Der Handwerksbetrieb, der den Auftrag hatte, das Dach einer Halle auf einem landwirtschaftlichen Anwesen in Königswinter zu erneuern, habe trotz der riskanten Dacharbeiten für keinerlei Absicherungen gesorgt.

Die beiden Dachdeckergesellen, die die alten Wellasbestplatten von den Schrauben lösen und abnehmen mussten und durch Aluminiumplatten ersetzen sollten, seien nicht im mindesten geschützt gewesen.

Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung

Bei den Dacharbeiten habe es weder ein Geländer gegeben, so die Klage, noch Auffangeinrichtungen, geschweige denn einen Anseilschutz für die Mitarbeiter. Dem 50-jährigen Geschäftsführer sei das Fehlen von Absicherungen bekannt gewesen, heißt es in der Klage weiter.

Nach dem Arbeitsunfall hatte auch die Bonner Staatsanwaltschaft gegen den Geschäftsführer der Dachdeckerfirma wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt: Aber richtig aufgeklärt werden konnte der Fall nicht. Das strafrechtliche Verfahren gegen den ehemaligen Arbeitgeber von Jakob K. wurde schließlich beim Amtsgericht Königswinter gegen Zahlung von 6000 Euro eingestellt.

Jakob K. führt weiterhin ein Leben im Rollstuhl. Zahlreiche Lähmungen verhindern, dass er sich selbst versorgen kann. Trotz aller Therapien: Der heute 38-Jährige wird sich nie mehr richtig bewegen, sprechen, essen oder lachen können. Es sei schon ein Fortschritt, dass er die Finger einer Hand bewegen kann, um die Tasten eines Handys zu bedienen. (AZ: LG Bonn 1 O 221/16)

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