Glosse Das Kröten-Massaker von Königswinter

Königswinter · Wie aus einer Feuerwehrübung der Löschgruppe Bockeroth ein vermeintlicher Naturschutz-Skandal wurde. Eine ironische Betrachtung.

 Im Heisterbacher Tal leben viele Amphibien.

Im Heisterbacher Tal leben viele Amphibien.

Foto: Privat

Das Kaulquappen-Massaker! Tausende von Leichen im beschaulichen Heisterbacher Tal! Das Krötendrama von Königswinter! Ein Naturschutzskandal! So jedenfalls deutete eine Boulevardzeitung das, was sich vor rund zwei Monaten bei einer Feuerwehrübung nahe Vinxel abspielte.

Was war geschehen? Fest steht, dass die Löschgruppe Bockeroth am 16. April ausgerückt war, um eine Waldbrandübung durchzuführen. Geübt wird dabei, über Schläuche Wasser über lange Strecken zu transportieren. Und entnommen wurde das Wasser aus dem Frankenforster Weiher, einem offiziellen Löschweiher. Der Rest ist Interpretationssache.

Die Boulevardzeitung will von einem „Insider“ erfahren haben, dass die Feuerwehr ein „wahres Massaker“ anrichtete. Denn angeblich pumpten sie nicht nur jede Menge Wasser in die Wiese, sondern auch jede Menge Kaulquappen. Der Rundfunk griff das Thema auf und wusste – wenn auch ohne Quellenangabe – zu berichten, dass „mit diesem Wasser auch Tausende von Kaulquappen an Land flogen, die dort nach kurzer Zeit sterben mussten“. Naturschützer empörten sich, das Drama nahm seinen Lauf. Hollywood stand bereit, die erste Riege der Bösewicht-Darsteller lechzte nach der Rolle des Löschgruppenführers.

Aufgeschreckt durch das mediale Interesse Wochen nach der schändlichen Tat setzten sich Stadt und Wehr an einen Tisch und versuchten aufzuklären, was auf dem Feld des Grauens im Tal passiert war. Das Ergebnis dürfte dazu führen, dass Hollywood das Interesse an der Geschichte verliert. Denn, so die Stadt, „bevor es zu einer Wasserentnahme aus dem Teich kam, prüfte die Feuerwehr die Situation“. Im allgemein kalten Frühling seien der Übung kühle Nächte unter fünf Grad Celsius vorangegangen, so dass ein Laichen nicht zu erwarten gewesen sei.

Die „Inaugenscheinnahme des Gewässers“ habe zudem ergeben, dass weder Laich noch Kaulquappen zu sehen waren. „Der Abpumpvorgang selbst wurde mittels einer Saugleitung mit Saugkorb vollzogen, der ungefähr zwei Meter vom Ufer entfernt, auf dem Boden des Weihers, Wasser absaugte.“ Im Anschluss der Übung sei keine Veränderung des Wasserstandes festgestellt worden. Bei so viel Detailwissen reicht es vermutlich nicht einmal mehr zu einem SAT.1-Filmfilm.

Ob dieser Erkenntnisse sprachen dann auch die Umweltschützer davon, dass es sich bei dem Vorfall nicht um den „Untergang des Abendlandes“ handele. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, zeigt die Feuerwehr sich auch noch einsichtig: „Sollte trotz der ergriffenen Maßnahmen ein Schaden entstanden sein, entschuldigt sich die Feuerwehr dafür in aller Form.“ Und will sich in Zukunft zudem Rat bei der Landschaftsbehörde holen. Jetzt wäre es wohl nicht mal mehr eine Doku auf 'nem Spartensender wert.

Der Feuerwehr dürfte der Sturm im Weiher am Dienstag sowieso egal gewesen sein: Da waren die ehrenamtlichen Helfer nämlich mal stundenlang im Dauereinsatz, um nach dem Starkregen Keller leerzupumpen. Ganz sicher ohne Kaulquappen. Aber auf jeden Fall berichtenswerter.

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